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Winterthur
10.5.1996

Konzerte

Max Lässers Madamax

Joachim Witt live

Kruder & Dorfmeister

Harfensphären

Clawfinger

Black Sabbath am OASG

Herbert Groenemeyer

Therapy

Judas Priest

EAV im Volkshaus

Pippo Pollina

Konzert: Sisters of Mercy

Uriah Heep am Touren

U2 in Prag

Dance Night

Die Prinzen in Zürich

Patent Ochsner in Winti

Konzert der Fanta 4

Björn im Xtra

Südstaatenrocker Georgia Satellites

Irisch, punky, cool: Big Geraniums

Mr. Ed Jumps The Gun

Element of Crime

Le _soldat inconnu

Fettes Brot

NO FX

Blümchen

Yothu _Yindi

Urban Cookie Collective

21. Winterthurer Musikwochen

Rainbirds

Gurd

Tic Tac Toe

Gaswerk

Hosen

Aerzte

Transglobal Underground

Die Verleihung des städtischen Pop-Oscars.

Ear

Pippo Pollina

Sina

Altan

Sven Väth

Paradise Lost

Marco Polo

Die Rote Fabrik von Winterthur

Die seit 1994 aktive Jugendlobby Kaktus in Winterthur gilt als eine der wohl erfolgreichsten Jugendorganisationen diesseits der Saane. Während der "politische Flügel" des Kaktus mittels Volksinitiative das zweite kommunale Jugendparlament im Kanton durchboxen konnte, hat die Kulturabteilung einen weiteren Grosserfolg für den Kaktus erringen können. Seit einer Woche ist Winterthur um eine Kulturinstitution reicher. Hier handelt es sich allerdings nicht um den üblichen bourgeoisen Monstranz, sondern um ein Jugend-Kulturzentrum. Ort: das alte Gaswerk-Gebäude im Quartier Töss.

Schon knapp nach der Gründung waren KaktistInnen auf das leerstehende Gebäude aufmerksam geworden, das war im Frühsommer 1994. Der Kaktus griff nach der Halle und konnte anderen InteressentInnen zuvorkommen. Für immerhin 500'000 Franken wurde das zukünftige Kulturzentrum umgebaut. Renovation und Betrieb wurden von einer städtischen Finanzspritze gedeckt. Innert kürzester Zeit konnten die Kultur-KaktistInnen am 5. Mai ihre Halle eröffnen. Sie taten dies in den letzten Tagen mit ein paar grossen Konzerten. Die Jazzkantine machte der aktiven Jugend von Winti ihre Aufwartung. Vorher Camp Imperial. Und Crank. Und Wemean. Doch davon später. Mit dem Gaswerk erhält die Winterthurer Jugend einen Freiraum, mit dem sich die meisten identifizieren können. Das Gaswerk ist die Rote Fabrik von Winterthur, wo mensch konsumieren kann, aber nicht muss. Und wo das Sein weder teuer noch einigen vorenthalten ist. Das Gaswerk soll die gesamte Jugend der 90`000-EinwohnerInnen-Stadt unter einem Dach versammeln, wortwörtlich.

Zum Stichwort Kommerz meinte Barbara Widmer (24), Kaktistin der ersten Stunde und eine der "älteren" Vertreterinnen des Kultur-Kaktus (die weibliche Form ist bewusst gewählt, weil die Frauen hier klar den Ton angeben): "So viel als nötig, so wenig wie möglich". Die KaktistInnen wollen ihr Kulturzentrum Gaswerk zu einer veritablen Kulturinstitution machen, weder gewinn- noch verlustorientiert. Sie soll für die ganze Jugend da sein und nicht ein Freiraum für längst fehlgeschlagene Experimente. Und deswegen kriegten die stachligen AktivistInnen von Winterthur auch schon Knatsch mit den Anarchos vom "selbstverwalteten" Planet Marx. Das Gaswerk ist eine Gratwanderung zwischen Etabliertem und Entwicklungsfähigem. Hier sollen möglichst viele Leute auftreten, die möglichst viele Geschmäcker repräsentieren. Barbara wünscht sich, einmal Konstantin Wecker ins Gaswerk lotsen zu können. Und Flurina,16, die Band "Les Reines Prochaines". Aber sie unterstreicht:"Das sollte möglich sein."

Biwidus suchte das Gaswerk und wurde an der Oberen Schöntalstrasse fündig. Das ist die zweite Strasse nach links, wenn der/die aus Zürich Kommende in Winterthur-Töss einfährt. Der Eingang ist gut versteckt, strahlt aber eine sympathische Unfertigkeit aus (Spannplatten und mit einem Scheit beschwerte "Türautomatik"). Die Eintritte, wie beim Zürcher Pendant Fabrik, decken jeweils nur die Unkosten und sollen nicht die BesucherInnen schröpfen. Gross ist die Halle nicht, bei hundert Anwesenden ist sie schon ganz schön voll. Sehr angenehm ist jedoch die daneben riesig erscheinende Bühne. Das fägt. Und die Bar ist - obschon noch nicht über jeden Zweifel erhaben -ziemlich erträglich. Das Bier kostet 5.-, der Wein 6.- und Mineral 3.-. Etwas seltsam allerdings ist das Depot, das mit 3.- ziemilch überdurchschnittlich ist. Beim ersten Gedränge an der Bar werden die Gäste das Nachsehen haben, was bei 3.- nicht mehr so einfach ist. Das feine Maisbier lässt aber keine Wünsche mehr offen. Hier lässt sichs leben. Und überhaupt: easy going.

Die Kontaktadresse für Infos zu und über Gaswerk ist:

Jugendlobby Kaktus
c/o Flurina Hafner
Engelstrasse 7
8402 Winterthur

Im Gaswerk sind an diesem Abend zwei Bands aus der Region aufgetreten, Crank aus Wetzikon und die Wiediker Mädchenband Wemean.

Vier Freundinnen im Gaswerk

Was tust du, wenn deine Freundin eines schönen Abends heimkommt und dir ankündigt, dass sie in einer Band spielt? Antwort: du übernimmst das Catering. So ähnlich könnte es mal mit Wemean passieren oder passiert sein. Die vier Girls aus dem Zürcher Kreis 3 gelten neben Crank als DIE Entdeckung auf dem hiesigen Markt und lassen meines Erachtens die Wetziker neben sich müde aussehen. Die vielleicht "beste Schülerinnenband der Welt" besteht aus Silvia (Voc), Jenny (Bass), Patrizia (Git) und ihrer Schwester Sabina (Drm). Die vier Freundinnen, deren Karriere 1993 sozusagen mit einer Jam-Session im Maitliträff-Keller begonnen hat, haben gerade ihre erste CD "Wemean" herausgebracht, in Zusammenarbeit übrigens mit der baskischen Rockband Negu Gorriak, mit denen sie im Herbst 1995 in Europa rumgetourt waren. Wemean, die vier Freundinnen gelten als DER Geheimtip überhaupt in der einheimischen Jugendszene -und sie haben intensive internationale Verbindungen.

Was so speziell ist an Wemean, ist die unbeschreiblich frische Art und Weise, mit der die Girls auf der Bühne loslegen. Nicht nur, dass der punk- und raplastige Sound ein interessantes Hin und Her zwischen schnell und langsam, ein Wechselbad der Gefühle ist, die Girls beherrschen ihr Handwerk wie kaum andere heutztags. Sie haben schon letztes Jahr das Publikum bezaubert, jetzt, etwas reifer und geübter, legen sie eine Professionalität an den Tag, die fast unheimlich ist. Als beispielsweise Trizia eine Saite riss, übernahm die Drummerin Sabina sofort die Initiative und legte zusammen mit Silvia eine Freestyle-Rapshow los. Ueberhaupt können Wemean nicht nur ihre Instrumente bedienen, besonders stark ist das positive Gefühl von Freude, das sie rüberbringen. Das Publikum hat Spass, weil die dort oben auch Spass haben und genau gar nichts ernst nehmen. Kein Gag ist eingeübt, nichts ist Ritual. Sogar die Zugaben hatten etwas zufälliges. "Kommt, wir gehen noch mal auf die Bühne!" schien Allroundtalent Sabina zu sagen, als sie sich wieder hinter ihr Drumkit zwängte.

Was Trizia aus ihrer Gitarre herausholt, macht den grossen Bands durchaus Ehre. Silvia, das Energiebündel par excellence, balanciert gekonnt zwischen hervorragend gerappten Partien und rockigen Staccatos; und dies in mindestens fünf Sprachen. Jenny, die ihren Bass lässig vor sich hinzupft, ist quasi der ruhige Pol auf der Bühne, kühl und wohl die einzige Nichtitalienerin. Sie strahlt die Aura des Betonpfeilers aus, auf den frau sich verlassen kann. Der absolute "Star" der Band ist jedoch Sabina, eigentlich wäre sie Drummerin und somit diejenige, die am wenigsten in Erscheinung treten soll. Aber wenn sie mal nicht professionell ihr Drumkit malträtiert, vollbringt sie eine Bühnenshow, die sich gewaschen hat. Die Kleine hat eine bombastische Singstimme, kann ausgezeichnet rappen und breaken, als ob sie im Ghetto aufgewachsen wäre, und ist eine Human Beatbox ohnegleichen. Schauspielern kann sie zu allem Ueberdruss auch noch.

Wemean sind die Girls von nebenan, die das Zeug zu Stars haben. Das haben sie an diesem Abend bewiesen. Ich würde sie Jedem und Jeder empfehlen. Auch die CD, die auf dem fast bandeigenen Label "The Label" herausgekommen ist, ist chartträchtig. Ich meine, auch wir Männer haben gefälligst zu kapieren, dass es Frauen(bands) gibt, die nicht einfach nur durch ihr Aussehen brillieren, sondern auch musikalisch den Männern in NICHTS nachstehen. Ich möchte nicht missverstanden werden, an Attraktivität fehlt es den Girls nicht, aber vor allem machen sie einen völlig abgefahrenen Sound. Und das ist, was gilt, oder?

Sie treten am 14. Juni in der Zürcher Kanzlei und am 15. Juni in Fehraltdorf auf. Des weiteren ist im Oktober eine Tour im Baskenland mit Abstechern nach Barcelona, Madrid, Vigo und Paris in Planung. Leider kann Biwidus es sich nicht leisten, über diese Tournee zu berichten. Ausser jemand sponsert diesen Promotrip.... :-(

Ach, übrigens, wer mehr über Wemean ergfahren will, soll mal die Adresse http://www.music.ch/agitprop/wemean eingeben.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus dem Gaswerk in Winterthur