zur Frontseite
29.11.1998

Konzerte

Max Lässers Madamax

Joachim Witt live

Kruder & Dorfmeister

Harfensphären

Clawfinger

Black Sabbath am OASG

Herbert Groenemeyer

Therapy

Judas Priest

EAV im Volkshaus

Pippo Pollina

Konzert: Sisters of Mercy

Uriah Heep am Touren

U2 in Prag

Dance Night

Die Prinzen in Zürich

Patent Ochsner in Winti

Konzert der Fanta 4

Björn im Xtra

Südstaatenrocker Georgia Satellites

Irisch, punky, cool: Big Geraniums

Mr. Ed Jumps The Gun

Element of Crime

Le _soldat inconnu

Fettes Brot

NO FX

Blümchen

Yothu _Yindi

Urban Cookie Collective

21. Winterthurer Musikwochen

Rainbirds

Gurd

Tic Tac Toe

Gaswerk

Hosen

Aerzte

Transglobal Underground

Die Verleihung des städtischen Pop-Oscars.

Ear

Pippo Pollina

Sina

Altan

Sven Väth

Paradise Lost

Marco Polo

Witt: Der goldene Reiter 98

Joachim Witt Der Typ hat was von einem Dämon. Joachim Witt, einer der Gründerväter der Neuen Deutschen Welle ("Herbergsvater und "Der goldene Reiter" sind aus den Jahren 1981 und 1982) tourt zur Zeit gerade durch die Gegend. Im Gepäck hat er sein überraschend erfolgreiches und sehr gelungenes Album "Bayreuth eins". Wir hatten schon darüber berichtet. Deshalb freute sich das Biwidus-Team auch so auf den Gig im neuen Club Ruby in Zürich. Schliesslich ist der Meister auch schon von der Presse mit Vorschussvorwürfen bedacht worden, im Tagi wird ihm beispielsweise Nähe zur faschistoiden Szene angedichtet.

Witt räumte diese Vorwürfe gleich mal aus, es gäbe die deutsche Sprache schon vor 1933, meinte der Neoromantiker. Er begann (und beendete) das Konzert mit dem Uptempoheuler "So tief". Den grössten Teil seines Programmes bestritt er mit Songs aus "Bayreuth eins", dazu gehörte nicht nur seine aktuelle Auskopplung "ich lauf", sondern natürlich auch der Hit "Die Flut", die aus dem sehr eigenwilligen Musiker einen Star gemacht hat. Besonders stark waren allerdings die älteren sachen, die er gekonnt vor allem als Zugabe aus der musikalischen Mottenkiste herausholte. Da merkte man auch die Zusammensetzung des Publikums, nur die allerweingsten hatten eine Ahnung von der Zeit der Neuen Deutschen Welle, die Witt höchstselbst mitbegründet hat. Ueberhaupt wurde man den Eindruck nicht los, dass die meisten Gäste Eingeladene von Plattenfirmen etc. gewesen sind.

Joachim Witt Das Konzert war trotz Höhepunkten ziemlich durchzogen. Zuerst die positiven Seiten. Der Mann hat trotz seines fortgeschrittenen Alters immer noch einiges an Energie in sich. Wie ein Berserker sprang er über die Bühne, bewegte sich extatisch im 2000BPM-Bereich hin und her und bewarf das Publikum mit seinen dämonischen Blicken. Die Songs sang er in einer Inbrunst, dass es einem kalt den Rücken runter lief. Der Mann ist kein Musiker, er ist ein musizierender Dichter. Wer sonst würde den einen oder anderen Song im voraus aufsagen und als Zugabe sogar ein Gedicht zum besten geben, während er allein auf einem Sessel sitzt. Und seine Dichtung ist wirklich stark. Die deutsche Neoromantik hat mit Witt einen neuen Rilke geschaffen, der dem starken "deutschen Rilke-Herz" (wie Rilkefan Wolfgang Borchert schreibt) viel Energie gibt, Energie, welche die Sehnsucht und die Träume eines ewig liebenden Herzens ausdrückt.

Nadia Nun die negativen Punkte. Grundsätzlich kam nie Stimmung auf, das lag wohl nicht zuletzt am sehr eigensinnigen und persönlichen Ausdruck des Künstlers. Witt, in schwarzem Gothic-Frack, wirkte wie ein Opernsänger, ein Dämon des Bösen, wie ein Künder des jüngsten Gerichtes (so heisst auch eines der Songs aus "Bayreuth eins"). Die Musik war, im Gegensatz zur wirklich genialen CD, zu sehr auf die Liveband ausgerichtet, was an sich sympathisch ist, aber in einem Stil, der derart auf die Poesie des Sängers ausgerichtet ist, eher stört. Die (fast) ausschliesslich elektronische Musik des Albums passt viel besser zu den schon surrealen Texte des Träumers Witt. Wohl auch deshalb war die Musik viel zu überrissen, viel zu laut. Und Witts ohnehin schon metaphysischer Stil ging unter im Lärm.

Immer wieder kamen Höhepunkte in den eher eintönigen Ablauf des Konzerts. Abgesehen von Joachim Witts schon fast beängstigender Inbrunst, waren das seine Cosängerin Nadia, eine Liebesgöttin aus der fünften Dimension, die sehr gut zur teuflischen Erscheinung des schwarzgekleideten Mannes passte. Die besten Augenblicke des Konzerts waren die Teile zwischen den Songs, als er aus dem Stegreif (einmal brachte er vor lauter Träumen sogar die Reihenfolge des Programms durcheinander) vor sich hin dichtete, das Publikum mit dämonischen Charme anmachte und Sprüche klopfte, die zu seinem surrealen Weltuntergangsstil passten. Trotzdem, eines wurde mir klar: Witt ist nicht das, was ihm nachgesagt wird. Es steckt viel, viel Ironie in seinen Auftritten, es ist alles halb so düster, wie es scheint, aber es ist sein Stil. Er ist ein Clown der Dunkelheit, ein Komiker des Grauens. Aber er bleibt auch ein begnadeter Künstler, der alle Register der Mystery-Fiktion ausnützen kann.

More infos about Witt on the internet.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) (hat sich an Witts Poesie regelrecht ergötzt)