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5.5.1996

Konzerte

Max Lässers Madamax

Joachim Witt live

Kruder & Dorfmeister

Harfensphären

Clawfinger

Black Sabbath am OASG

Herbert Groenemeyer

Therapy

Judas Priest

EAV im Volkshaus

Pippo Pollina

Konzert: Sisters of Mercy

Uriah Heep am Touren

U2 in Prag

Dance Night

Die Prinzen in Zürich

Patent Ochsner in Winti

Konzert der Fanta 4

Björn im Xtra

Südstaatenrocker Georgia Satellites

Irisch, punky, cool: Big Geraniums

Mr. Ed Jumps The Gun

Element of Crime

Le _soldat inconnu

Fettes Brot

NO FX

Blümchen

Yothu _Yindi

Urban Cookie Collective

21. Winterthurer Musikwochen

Rainbirds

Gurd

Tic Tac Toe

Gaswerk

Hosen

Aerzte

Transglobal Underground

Die Verleihung des städtischen Pop-Oscars.

Ear

Pippo Pollina

Sina

Altan

Sven Väth

Paradise Lost

Marco Polo

Punk is dead II

Wie und wo soll der Autor anfangen? Wenn ich über die Toten Hosen berichte, dann ist es, wie wenn unsere Eltern von den Beatles berichten. Schwärmen ist angesagt. Aber auch journalistische Distanz. Fakt ist, dass das Konzert der Düsseldorfer Punkband schon Monate im voraus angekündigt und ziemlich bald auch ausverkauft war. Ganz offensichtlich vermag die "Opel-Gang" (oder auch das "Katastrophenkommando") der Achtzigerjahre auch noch in den punkfeindlichen Neunzigern zu begeistern. Campino und Co., die vor fast 20 Jahren als "ZK" der Stoff waren, aus denen die Alpträume unserer Eltern bestanden, waren einmal mehr in die Gegend gekommen. Nach dem grossartigen Auftritt 1994 im Open-Air Winterthur und der erschienen CD "Opium für das Volk" konnte mensch dieen Auftritt mit Spannung erwarten.

Schon auf dem Bahnhof meines Heimatortes sah ich am Nachmittag einige vor allem junge Leute, die in Hosen-T-Shirts dastanden und aus deren Ghettoblastern eines ihrer Songs dröhnte. Zugegeben, ich bin ein fanatischer Fan, weil ich mit den Jungs und ihrer Musik aufgewachsen bin. Mich überraschten aber all die Teens, die sich im Hallenstadion eingefunden hatten. Sie, die weder die heissen Achtzigerjahre miterlebt hatten, noch die Zeit, als die Hosen die politischsten Chartstürmergewesen waren, empfingen die Düsseldorfer mit offenen Armen. Im ausverkauften Hallenstadion trafen sich demzufolge Punks und Normalos, Linke und Rechte, Junge wie Alte. Und sie unterhielten sich nicht schlecht.

Zuerst waren Compulsion aus irischen Landen auf der Bühne. Sie begleiten die Hosen auf ihrer grossen Ewigkeit-Tour. Compulsion, eigentlich eine hoffnungsvolle Punkband von der Grünen Insel, kamen mir vor wie eine Herde Känguruhs. Ja. Denn die Bandmitglieder sprangen im 4/4-Takt auf der Bühne herum wie die australischen Nationaltiere. Zum Glück spielten sie nicht lange, das Publikum wartete auch sehnlichst auf Campino, Andi und ihre Freunde. Und die Jungs kamen fulminant wie immer auf die Bühne, nicht viele Bands vor ihnen haben ihre Gigs mit dem Vaterunser begonnen, denke ich.

Kurz ein paar Worte zu den Hosen und ihrer Discographie. Als 1988 (gestützt auf den Film "Clockwork Orange") die Hosen-CD "Ein kleines bisschen Horrorschau" erschien, fuhren die Jugendlichen der 80er völlig ab auf die Funband aus deutschen Landen. Die Figur Alex war vielen Linken aus dem Gesicht geschnitten. Ein brav gewordener Revoluzzer, eine klare Anspielung auf die Vergangenheit auch der Band selbst. Diese CD war der Beginn ihres erfolgreichen Kreuzzugs gegen Normalität und eine ignorante Jugend. 1990 erschien die Doppel-CD "125 Jahre Tote Hosen - ein Kreuzzug ins Glück", wo die Band sich gänzlich abwendete vom Fun-Punk a la "Eisgekühlter Bommerlunder" und hin zu sozialkritischen Songs wie "Sein oder Nichtsein" oder das Titelstück. Wieder drei Jahre später erschien "Kauf mich" mit dem antifaschistischen Kampflied "Sascha" und der Hymne "Wünsch Dir was". Mit diesem Repertoire traten die Hosen 1994 am "Out in the Green" in Winti auf. Tausende von jungen Leuten feierten den Auftritt, wo Campino und seine Jungs alle Register ihres Könnens zogen.

Dieses Jahr erschien "Opium fürs Volk", eine CD, von der Fans nicht so genau wissen, wo sie sie einordnen sollen. Einerseits sind die Hosen hier für ihre Verhältnisse ziemlich ruhig und ausgeglichen. Und andererseits drücken sie wieder auf die sozialkritische Drüse. Ein kritisches Werk, das ist wohl die richtige Bezeichnung. Die Hosen ziehen auf eine faire Weise über die Religion her, kritisieren aber auch XTC - den Abgott der heutigen Jugend. Und schliesslich rechnen sie mit "Viva la Revolucion" mit ihrer eigenen linken Tradition ab. Und zwar nicht zu knapp. "Nichts bleibt für die Ewigkeit" war und ist das Motto der Hosen 1996 und ihrer neuesten CD. Sowie ihres Konzerts.

Womit wir wieder bei ebendiesem wären. Es begann mit dem Vaterunser und zog sich durch fast zwei Jahrzehnte Tote Hosen. Das Repertoire der Band ist immens und facettenreich. So hopsten sie durch die Jahre wie ihre Vorband über die Bühne. Und das Publikum tanzte mit, der vordere Teil des Hallenstadions kochte, vor allem, als die ganz grossen Hits gespielt wurden. Besonders stark war die Projektionswand im Hintergrund, die immer wieder multimedial die Lieder der Band unterstützte. Ueberhaupt nicht begeistert waren wir von der Tatsache, dass die Hosen es diesmal geflissentlich vermieden, die ganz politischen Songs zu singen. "Sascha" beispielsweise kam nicht, obschon dieser Song immer wieder wahre Begeisterungsstürme und "Nazis raus!"-Schreie auslöst. Und Campino war mit seinen Sprüchen auch schon lustiger und sinnvoller, der Gag mit dem Klassenerhalt ihres Fussballclubs Fortuna schnallte wohl kaum jemand.

Campino ist und bleibt der Star aller deutschen Punks. Der mittlerweile schon 33 Jährige turnte auf den Lichtmasten der Bühne herum und sang in schwindelnder Höhe "Mehr davon", beim Klettern verstaute er das Funkmik in seiner Hosentasche. Das fanden alle sehr spassig. Weniger spassig war allerdings die Einlage mit dem Möchtegern-Elvis. Ich denke, DEN Gag hat wohl kaum jemand gecheckt.

Kein Wunder, dass die anfänglich ziemlich gute Stimmung ziemlich bald flöten ging. Die Jungs waren nicht in Form und spielten einfach ihr von sich aus geniales Repertoire auf und ab. Kein Vergleich mit Winterthur. Die Leute sangen kaum mit. Als Kohl an die Wand projeziert wurde, buhte niemand, und auch als es um Zugaben ging, war niemand mehr dafür zu haben, das ewige und gewohnte Ritual durchzuführen. Nach ein paar Songs, die ziemlich lustlos und aufgezwungen wirkten, zogen sich die Hosen zurück.

Als Fan war ich etwas enttäuscht. Auch die Tatsache, dass die Organisatoren Biwidus keine Akkreditierung (Berichterlaubnis) erteilt haben, war nicht gerade erheiternd. An dieser Stelle möchte ich der Firma Inferno Com danken, die diesen Bericht überhaupt ermöglicht hat. Die Hosen sind für mich noch immer die Nummer eins, obschon... na ja, die Jungs werden alt.... Was solls. Tatsache ist: Punk is not dead (yet)!



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus dem Hallenstadion Zürich