Eine brasilianische Festa: fremde Länder, fremde Sitten
Das unter PartygängerInnen wegen seiner langweiligen Kommerzatmosphäre verrufene
Dancing Blackout beim Flughafen war Schauplatz einer gross angekündigten Festa do
Brasil. Das Blackout war zwar bumsvoll, aber trotzdem wundert es mich nicht, dass
der Kommerzschuppen nicht besonders floriert und deshalb bald einmal zu einem
Cafe Grössenwahnsinn umgebaut werden soll (der Lokalfernsehsender Züri 1
berichtete am Vortag darüber). Tauchen wir ein in eine Kultur, die sehr
faszinierend und angenehm ist, bisweilen jedoch auch recht verzerrt wird.
Das Blackout steht gleich beim Flughafen und gehört zu jeder interantionalen
Reihe von vielgesichtigen Dancings, die man gemeinhin als "Flughafendisco" zu
bezeichnen pflegt. Es war in einem bunten (fast zu bunt) Flyer von einer Festa do
Brasil die Rede. Kernpunkt dieser Festa war eine Miss-Wahl, das schönste und
beste (brasilianischstämmige) Model sollte gekürt und für irgendeine Model-Wahl
in Italien nominiert werden.
Uns fiel zuerst das schräge Gevölk im Blackout auf. Die Möchtegern-Schickeria der
ganzen Gegend (vor allem aus der Ostschweiz) war anwesend. Neben unzähligen
fetten und beileibe beleibten Typen war auch die brasilianische Gemeinde in und
um Zürich reichlich vertreten. Nicht immer entsprach all das unserem
Aesthetikverständnis. Weil sich der Beginn der Veranstalktung um Stunden
verspätet hatte, hatten wir Zeit, uns mit den Gästen auseinanderzusetzen.
Sicherlich mag ein relatives Verhältnis zur Pünktlichkeit sinnvoll sein (die
SchweizerInnen sind zurecht als übermässig pünktlich verschrien), aber uns ödete
es ziemlich bald einmal an.
Dann ging es dann plötzlich los. Miss Italia Schweiz sollte die Show moderieren.
Wir wurden fast umgeblasen vom penetranten ostschweizer Dialekt der südländischen
Schönheit (mit Namen Sonia Campanile). Die Gute hat wohl zum ersten Mal
moderiert, denn die Moderation schien reichlich gestellt und unsicher. Ihr
brasilianischer Comoderator war da viel vifer. Als allererstes stieg gleich die
Vorstellung der 12 Teilnehmerinnen am Model-Contest. Kaum waren diese auf der
Bühne, waren sie gleich verschwunden. Ein Wunder, wenn die Herren (und vereinzelt
auch Damen) JurorInnen überhaupt etwas gesehen haben. Die Schönheiten tauchten
erst eine Stunde später wieder auf und trugen seltsame Gewänder spazieren, die
sie wohl sonst nie tragen würden. Modelleben halt.
Immer wieder boten längere Pausen mit brasilianischem Sound Gelegenheit zum
langweilen. Tanzende SchweizerInnen gab es eher selten, diese (vor allem die
Schweizer) sassen meistens auf den (oft von Tanzenden geklauten) Schemeln und
schauten zu. Das war einmal mehr ein typisches Indiz dafür, dass Unterhaltung
nicht gerade Herr Biedermannes Stärke ist. Die beiden Musik- und Tanzgruppen
waren ausgesprochen langweilig, ein bisschen Stimmung gab es erst bei den
Soloauftritten. Der Löwen(oder war es ein Tiger?)tanz war wohl einer der
Höhepunkte und nahm das Publikum mit.
Nach noch einer längeren Pause tanzten AnimationstänzerInnen eine kurze
Darbietung und überliessen dann das Feld den (zukünftigen ?) Models. Zugegeben,
so Animations- und Dessousshows empfinde ich als höchst fragwürdig. Aber sie
hätten recht gut in dieses exotische und heissblütige Umfeld gepasst, wenn nur
nicht alles so lang gegangen und etwas überlegter organisiert wäre.
Ich möchte den Organisatoren keinen Vorwurf machen, vielleicht läuft das alles
wirklich so ab in Brasilien. Ich fühlte mich auch nicht irgendwie ausgeschlossen
und fehl am Platz (abgesehen davon, dass ich natürlich kein Wort verstanden
habe), aber die ganze Show erschien mir auf Kommerz und Unterhaltung
ausgerichtet. Ich habe auch schon Feste miterlebt, die das harmonische
Zusammenleben zwischen den Kulturen (weil ehrlicher) besser und glaubwürdiger
vertreten haben. Ich möchte mir wünschen, dass unsere brasilianischstämmigen
MitbürgerInnen nicht nur auf solche Veranstaltungen abfahren und dass umgekehrt
die Einheimischen nicht nur diesen (offen gesagt etwas sexualisierten) Eindruck
von anderen Kulturen haben. Brasilien ist sicherlich ein schönes Land, aber ich
denke, dass es nicht sinnvoll ist, es als ein (in jedem Sinne) Paradies
hinzustellen, wo das Wasser blau und die Mädchen hübsch sind. Das ist auf lange
Sicht schlechte Propaganda für ein Land, das trotz seiner Schönheiten auch
Probleme hat.
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