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Des Keisers neues Programm
Also, zuerst hat er sich mal selber verarscht. Respektive seine nachfolgende
Premierenparty. Ja, und dann ging es nach dem selben Prinzip weiter. Ein Rundumschlag
gegen so alles, was so im Alltag an Wirtschaft über uns hineinbricht. Sei es jede
Art von Werbung, seien es die komplizierten Verschachtelungen des weltweit operierenden
Grosskapitals oder aber Tagesaktualitäten, bei deren Lächerlichkeit einem das
Lachen im Hals steckenbleibt. Stichwort:"Eine Katastrophe folgt der anderen. Kaum
haben sich Take That aufgelöst, schon ist die Rinderwahn ausgebrochen". Der
Nachfolger des 1992er-Programms "Der Erreger" erfüllte dann auch die gesetzten grossen
Erwartungen.
Besonders auffallend am zweistündigen Werbe-Programm ("eine neue Form von product-
placement, nämlich negatives") waren die vielen Papiersäcke auf der
Bühne, die eine grassierende Konsumsucht unserer Gesellschaft ausdrücken sollen. Dabei
nimmt Keiser unverblümt die absurden Auswüchse der sogenannten "freien Marktwirtschaft"
auf die Schippe - radikal und wortgewandt. Einerseits weist er beispielsweise auf die
Bescheuertheit unserer Einkaufsgewohnheiten hin (Erdbeerenkauf im Februar), andererseits
auf die totale Monopolisierungswut durch einige Grosskonzerne ("shareholder value"
sei hier als Stichwort genannt). Auf die Frage, wen er eigentlich in zwei Stunden
(auch von ihm nicht gezählter) Aufzählung von Firmen und Markenprodukten ungerupft
gelassen habe, nannte er Unilever, nach den erwähnten Nestlé und Philipp Morris die Nummer drei der
Welt. "Ich kann ja in zwei Stunden nicht alles machen." Immerhin aber einen Schnellkursus
in Wirtschaftskunde.
"Die Kinder surfen auf dem Internet - der einzige, der schläft, ist der Babysitter",
meinte er eingangs des Programms. Er, der selber auf dem besten Wege zum Internet ist,
wie er auf Anfrage von Biwidus erzählte, war mit seinen Geschichten oft auf dem
aktuellsten Stand. Ein "aktueller" Gag jagte den anderen. "Ich habe nach relativ
kurzer Zeit das Tempo herunterschrauben müssen", gab er aber zu. Auch der städtische
Kulturminister war nach der Aufführung seiner Meinung:"Die Schwierigkeit für ihn
(Keiser) war, dass er von Anfang an auf einem sehr hohen Niveau war und dann
Schwierigkeiten hatte, das durchzuziehen und nicht abzuflachen."
Von Abflachen kann nicht die Rede sein. Der Abend war sehr unterhaltend, obschon
gerade im zweiten, dem politischen Teil das Mitkommen nicht so einfach, für Uneingeweihte
gar recht schwierig war. Der "Glöckner von Domat-Ems" ist nicht für alle ein Begriff. Ein
Vorwurf, dessen sich Keiser durchaus bewusst ist. "Ich will explizit, dass mein Programm auch
für die, die diesen Informationsstand nicht haben, verständlich sind." Tatsächlich
war das sonst immer kritische Premierenpublikum am Schluss ziemlich zufrieden gestellt,
so auch die zahlreich anwesende professionelle Premierenpresse. Keiser
meinte dann auch, dass er gerade mit Premierenpublika seine liebe Mühe habe und das
durchschnittliche Volk vorziehe.
Ach ja, der Inhalt. Der Name ist ein Wortspiel und soll einerseits die Schlüpfrigkeit
der Wirtschaft darstellen, die trotz aller Story ganz gehörig ihre Abreibung
bekam. Der Wasser-Teil jedoch kommt von der Rahmenhandlung. Mit unzähligen Einschüben
und Zwischenhistörchen erzählt er die Geschichte seines Freundes Marco, der - früher
links bis zum Umfallen - jetzt ein Geschäft mit Marken-Mineralwasser eröffnet hat.
Selbstauffüllungen "recyclierter" Flaschen allerdings. Und dazwischen allerhand
amüsante Bekenntnisse, Personen und verworrene Flashbacks. Dabei schlüpft Keiser in
die verschiedensten Persönlichkeiten, um den totalen Wahnsinn des fanatischen
Kapitalismus aufzuzeigen. Und somit unseres Alltags. Gelungen, muss ich sagen.
Das Programm "Aquaplaning" von Lorenz Keiser ist vorläufig im Theater am Hechtplatz zu
sehen - jeweils Dienstags bis Samstags um 20.30 Uhr. Am Sonntag um 19.00. Urteil:
(unbedingt) sehenswert. Das Bild ist von Leonhard Zubler und wurde uns von Lorenz Keiser
selbst zur Verfügung gestellt. Weil wir eine ehrenamtliche Gratis-Zeitung sind, gibt es auch
kein Honorar - woher sollen WIR die hundert Franken nehmen?
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