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Eine tierische Farm im Stadtgarten
Der Roman ist 1945 erschienen, früher noch als das fast bekanntere "1984".
"Animal Farm" wurde zu einem der erfolgreichsten Polit-Satiren überhaupt und oft
verfilmt oder zumindest adaptiert, z.B. auch von Erich Kaestner. Der Brite
George Orwell, selber unabhängiger Marxist und betont antikommunistisch
eingestellt, kämpfte mit diesem Roman vor allem gegen Stalin (resp. Lenin) und
seine Schergen, die er vortrefflich mit Napoleon und seiner Schweinearmee
parodiert hat. Die Handlung sollte eigentlich bekannt sein, ich möchte nur kurz
zusammenfassen: die Tiere auf einem Bauernhof erheben sich unter der Führung der
Schweine gegen den Gutsbesitzer und werfen ihn raus, der Hof wird zu einer Art
autonom-tierischen Kommune. Aber mensch (resp. tier) merkt bald, dass das
egalitäre Geschrei der den anderen physisch und psychisch überlegenen Schweine
eine Lüge ist und dass diese schliesslich selber eine Klassengesellschaft
aufbauen. Hier wurde das mittlerweile weltberühmte Motto geprägt:"Alle Tiere
sind gleich - nur einige sind gleicher als die anderen." ("All animals are
equal..."). Damit sind die Schweine gemeint. Sie wähnen sich schliesslich als
Menschen und bauen eine regelrechte Terrorherrschaft auf. Dass dies nicht lange
hält, sollte ja wohl klar sein.
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Schweinereien |
Orwell bewies mit dieser Fabel nicht nur den Sinn für die Satire, sondern auch
sein politisches Gespür und die Fähigkeit, auch das Böse an sich zu verulken -
und ihn (Stalin) dadurch auch zu einer öffentlich Witzfigur zu machen. Kein
Wunder, war Orwell danach im Osten nicht mehr gern gesehen. Auch der
Welterfolg des Politromans "1994" war dem ehemaligen Spanienkämpfer (auf
seinen Erinnerungen basierte z.B. auch der Film "Land and Freedom") egal,
er starb erbittert und frustiert über die Welt und seine Mitmenschen nur
ein Jahr später in Einsamkeit. George Orwell (eigentlich Eric Arthur
Blair) und "1994" gelten noch heute als Meilensteine der politisch
engagierten und humanistischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Dabei geht
das mindestens so wichtige "Animal Farm" oft vergessen, unverdientermassen
notabene.
Das International Theatre Company London tourt zur Zeit mit einer Theateradaption von
"Animal Farm" durch die Lande. Noch vor dem Zürcher Bernhard-Theater machte
die Gruppe für nur eine Aufführung Halt im Winterthurer Theater am Stadtgarten.
Da Biwidus sich bemüht, Winterthur und die hiesige Kultur enger in die
Berichterstattung einzubinden, haben wir weder Mühe noch Kosten gescheut,
um diesem Anspruch gerecht zu werden. Auf deutsch: wir sahen uns das
tierische Theater mal an. Adaptiert für die Bühne von Peter Hall, Worte
von Adrian Mitchell, Musik von Richard Peaslee.
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George Orwell |
Auffallend war: Umgangssprache englisch. Kein Problem für weltoffene
MTV-Seher wie uns. Nur fünf Darsteller waren auf der Bühne und setzten die
für eine Adaption sicher nicht einfache Story genüsslich um. Ja, genüsslich
ist wohl das richtige Wort dafür, denn die achtzigminütige Fassung der
schweinischen Story schien mir wie ein Drahtseilakt zwischen Satire
und einer Satire über die Satire. Von Anfang an wurde das Stück selbst sehr
frei interpretiert, obschon einige Textstellen offensichtlich 1:1 übernommen
worden waren. Regisseur Barry Goldmann und seine fünf Menschen (drei Männer
und zwei Frauen) stellten alle Viecher, den Menschen und die Erzählperson
gleichzeitig dar. Und sie hatten offensichtlich einen Heidenspass daran.
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Oberschwein Napoleon |
Der Ablauf war etwa wie folgt: auf einer fast nackten Bühne standen nur die
allerwichtigsten Utensilien. Und nur wenige davon wurden wirklich benützt.
Die fünf vollführten also so etwas wie ein Strassentheater in der
ehrwürdigen Halle eines der grössten Theaterhäuser der Stadt. Tiere waren
dabei keine zu sehen, die ProtagonistInnen wechselten einfach vorzu ihre
Schwänze oder Nasen und somit ihre Art. So wurde das Problem gelöst. Auch waren
die einzelnen Kapitel mehr Spielszenen, wie wir sie auch eben von
Kleintheater her kennen, es wurde sehr viel geredet und sehr viel auch gestisch
dargestellt. Zeitweise wurde das Stück mehr zu einem Musical. Die fünf
DarstellerInnen waren auf eine besondere Weise überzeugend. Der Zuschauer (ich)
spürte eine gewisse Distanz, wie wenn sie die Geschichte nicht einfach
vorspielen, sondern einfach nachstellen wollten. Erzählte Passagen
wechselten ab mit fast pantomimisch anmutenden, wo der Text eigentlich nur
Kosmetik war. Und dabei hielten sie sich eigentlich ziemlich genau an die
Urgeschichte.
Diese Adaption von Animal Farm hat durchaus seine Berechtigung, denn trotz der
schwierigen Vorlage hat die Gruppe das satirische Stück ziemlich orginalgetreu
umgesetzt. Dabei wurde einfach ein unorthodoxer Approach angewendet, der mich
auf jeden Fall überzeugt hat. Den politischen Unterbau haben die Macher,
nicht wie im Zeichentrickfilm, ziemlich beibehalten. Das ist der grosse
Unterschied: dieses Stück hat eine Message!
Weitere interessante Aufführungen im Theater am Stadtgarten werden sein
Der Wildschütz von Lortzing (27.04 und 28.04)
Hanglage Meerblick von David Mamet (6.5. und 7.5.) und
Anatevka (12.5.-14.5.),
sowie die dazwischen stattfindenden Tanzsessions im Rahmen der "Steps 1996".
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