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Zürich
24.8.1996

Theater

Karls neues kühnes Gassenschau-Programm

150 Jahre Bundesstatt

Züri lacht

Theater für Zürich

Lorenz Keiser: Aquaplaning

Andorra

Lysistrata

Clownschule Dimitris

Chin. National_zirkus

Theater der _Suchtprävention 96

Bremer Freiheit

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Eine _tierische Farm

Reizender Reigen

Blick zurück im Zorn

Massimo _Rocchi

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Bruno und Bruno

Die _Mausefalle

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Zwölf Leichen im Keller

Gedenkfeier für Eynar _Grabowsky

Girls in der Winkelwiese

Chinesischer Zirkus

Der Schweizer Zirkus Stey bringt auf der Zürcher Sechseläutenwiese exotisches, den Chinesischen Nationalzirkus nämlich. Einen Monat lang zeigen ArtistInnen aus dem (leider noch immer stalinistischen) Reich der Mitte, was sie und ihre Körper können. Die "Faszination aus Fernost" hatte letzte Woche Premiere und kann noch bis zum 22. September gesehen und gehört werden. Montags ist jeweils spielfrei, sonst gibt es jeweils eine Abendvorstellung um 20.00 (Sonntags um 18.00) und am Mittwoch, Samstag und am Sonntag je eine Nachmittagsvorstellung um 15.00 (resp. 14.30) Uhr.

Zum ersten Mal ist es dem Zirkus Stey gelungen, für eine achtmonatige Tournee ein komplettes chinesisches Programm zu verpflichten. Die Truppe umfasst 32 ArtistInnen und ist etwa zwei Stunden lang. Dem Zuschauer/der Zuschauerin wird absolut perfekte Körperbeherrschung, Kraft, Präzision und das Ergebnis jahrelangen Trainings geboten, eine 2000 Jahre alte Zirkuskultur. Schriftliche Aufzeichnungen berichten nämlich von der Han-Dynastie um 150 nach Christi Geburt, wo der Anfang dieser Zirkusgeschichte war. Und die "kommunistischen" Machthaber der "Volksrepublik" förderten diese Kultur, um sie sich als Exportartikel und Volkserheiterung Untertan zu machen, so dass vor lauter Faszination sich niemand über dieses System Gedanken macht.

"Anmut, Eleganz und die exotische Schönheit machen den Tanz der Teller zu einem tollen Spektakel", schwärmte ein Vertreter des Zirkus Stey gegenüber Biwidus über einen der Höhepunkte des Programms. Wir konnten uns von der Wahrheit dieser Aussage selbst überzeugen - an der Premiere auf der Sechseläutenwiese. Der Schweizer Traditionszirkus hatte sich ganz und gar chinesisch gewandet, schon in der Eingangslounge stiessen die BesucherInnen auf allerhand chinesisches, unter anderem einen Schriftkünstler, Tsingtao-Bier und (fette) Frühlingsrollen. Und überall erklang den ganzen Abend fernöstliche Musik.

Das Programm wurde immer wieder von einer Schönheit aus dem Reich der Mitte angesagt, auf Mandarin, wie es sich gehört. Aber die (schweizer)deutsche Uebersetzung erwies sich dafür als DER Flop des Abends. So ein völlig daneben wirkender Langhaar-Yuppie mit einem zeitweise total unverständlichen Möchtegernhochdeutsch versuchte, den Text der Chinesin wiederzugeben, für viele Anwesende ein störendes Element. Sonst war das zweistündige Programm ein Feuerwerk chinesischer Akrobatik - ohne auch nur eine Tiernummer zu haben übrigens. Und das ganze Programm durch hatte mensch das Gefühl, dass das rechthaberische Regime befohlen hat, dass es ab sofort keine Schwerkraft und keine Knochen mehr gäbe - und alle hielten sich daran.

Ein farbenfroher Drachentanz bildete den Auftakt des Programms, dem meist akrobatische Nummern mit verschiedenen Instrumenten folgten. Nach der Pause wiederholte es sich, was die Personen betraf, jede ArtistInnengruppe trat mehrmals auf. Auffallend (und mit viel Szenenapplaus bedacht) waren die beiden 13jährigen Zwillinge, die uns mit allerhand wunderbaren Kunststücken die Luft raubten. Beweglichkeit war eigentlich immer das falsche Wort, mensch musste eher von Elastizität sprechen. Die Tanzszenen waren ebenso furios. Nur die beiden Clownnummern stachen hervor, weil sie sehr europäisch und also als eine Konzession ans Schweizer Publikum erschienen. Die ChinesInnen zeigten, dass sie auch mit alltäglichen Geräten wie Diabolo oder Sitzbank durchaus Zirkus machen können.

Der Gesamteindruck war fraglos sehr gut, dieser Abend ist für Zirkusfans und auch andere sehr empfehlenswert. Das beteuerte uns der Ex-Cabaret Rotsftiftler und TV-Jasser Jürg Randegger, der mit uns eine Loge teilte, ebenso begeistert schien Frau Stadträtin Martelli zu sein, die mit ihrer Tochter (der Mutter wie aus dem - äh - Gesicht geschnitten) einen schönen Zirkusabend verbracht hat. Trotzdem wären zwischen Schlangenfrau und Ringhüpfern auch die eine oder andere Tiernummer sicher nicht daneben gewesen, denn gerade für Kinder sind es vor allem Clowns und Tiere, die den Reiz des Zirkus ausmachen.

Der Vorverkauf findet übrigens ab 10.00 Uhr an den Zirkuskassen und über das Ticketphone 079 321 12 59 statt. Die Eintrittspreise schwanken zwischen SFr. 15.- und 35.- bei den Erwachsenen und SFr. 10.- und 25.- bei den Kindern. Gerade die Logenplätze haben es in sich, aber auch die auf der längeren Seite des Ovals befindlichen Plätze der zweiten Reihe sind nicht schlecht.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus Zürich