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Girls in der Winkelwiese
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Huren im Theater
Um Huren, in der Sprache der Political correctness nur als Prostituierte zu
bezeichnen, ranken sich viele Gerüchte. Einige davon mögen wahr sein, andere
sind es wahrscheinlich nicht. Was als ältestes Gewerbe der Welt einen
abenteuerlichen und fast romantischen Touch hat, ist jedoch meistens pure
Ausbeutung in einem patriarchalischen System, wo die Männer mit den Frauen
tun können, was sie wollen, also sie auch als Ware behandeln. Prostitution
ist ein weitreichendes Thema, dem doch etwas wie ein Tabu anhaftet, es gibt
kaum eine Prostituierte, die öffentlich über ihre Arbeit berichtet. Auch
sind es sehr wenige, die ihre Arbeit "gerne" tun, sie also als einen
Beruf wie jeder andere betrachten. Die meisten von ihnen arbeiten aus einer
Notsituation heraus, die sie zu einem schwachen Opfer und zum Instrument männlicher
Begierde macht, zur Sklavin der verdinglichten Liebe. Die Frau als Objekt
der Lust und der Ausbeutung ist dann auch das Thema des Theaterstücks
"Girls", das letzten Samstag im Theater an der Winkelwiese Premiere hatte,
vor ausverkauftem Publikum notabene.
Die Story ist alt und stammt aus den Achtzigerjahren von der Schauspielerin
Caroline Kava, sie wurde mehrere Male verfilmt und mit der neuesten
Version auch in die Mundart übersetzt. Inszeniert wurde die Aufführung
an der Winkelwiese von Danielle Giuliani. Sie legt
einen Finger auf den Teufelskreis, in dem Prostitution beginnt und endet.
Nach der Premiere waren alle Aufführungen im engen Gewölbe des
traditionsreichen Kleintheaters ausverkauft.
Die junge Bernerin Lily möchte das schnelle Geld in einem Sex-Salon verdienen
und wendet sich an eine altgediente Prostituierte,
die raffgierige Diane. Sie wird eingestellt
und lernt das Handwerk von Grund auf.
Sie lernt dabei auch die anderen kennen, ihre Arbeitskolleginnen.
Die Eine, Jeanne, charakterisiert
die Klischeenutte an sich, sie brach Studium und Ehe ab und verfiel dem
Drogensumpf, sie kommt nicht mehr heraus, sie selbst bezeichnet sich
als "Vorzeige-Junkie". Lily aber möchte in kurzer Zeit
genug Geld verdienen, um für ihr Baby sorgen zu können. Also bumst
sie sich regelrecht reich und wird die "Playmate" des Monats.
Als sie zu tief in den Teufelskreis eingesogen wird, möchte sie aussteigen, was
natürlich nicht so einfach ist, wie sie sich das vorgestellt hatte. Dabei
findet sie eine Freundin in einem Umfeld, wo wahre Gefühle und
wahre Freundschaft eigentlich fremd sind.
Das Stück spielt an sich in einem einzigen Raum, der Wohnküche des Salons, wo
sich die Girls zwischen den Besuchen ihrer Freier treffen, wo ihnen trügerische
Gefühle eines Heims und einer Familie gegeben werden. Hier können die
Girls (von Mädchen kann nicht die Rede sein) sich ausruhen, sich
sammeln, bevor fünf Minuten später der nächste Freier, der nächste Fick
für Geld kommt. Wenn überhaupt, kann nur hier so etwas wie Menschlichkeit
entstehen.
Sandra Moser als naive Neu-Nutte Lily überzeugt mehr mit ihrer Naivität, als
mit einer speziellen Leistung. Auf ihre eigene Art wirkt sie frisch,
hoffnungsvoll und optimistisch. Das Publikum stellt sich schnell auf ihre
Seite, den die blutjunge Lily hat eine unschuldige Aura,
etwas fast kindliches um sich, etwas, was befleckt zu werden droht.
Auch dass sie dunkelhäutig und exotisch ist, scheint kein Zufall zu
sein, denn gerade Frauen aus dem Trikont werden heute in diesem
Geschäft zuhauf ausgebeutet und, weitaus schlimmer, erniedrigt.
Jeanne dagegen versucht vergeblich, ihrem langweiligen Leben einen Sinn und
eine Identität zu geben, offen zu sagen:"Das bin ich!". Sie ist trotzdem die
einzige, die die Gefahr ihrer Arbeit erkennt, sie wehrt sich dagegen:"Was
mier da machet isch dräckig und entwürdigend, aber mir sind no immer
Mänsche!. Die drei anderen drei
Frauen haben auch ihre Problemchen, die alle von der Tatsache ablenken, dass sie
in einem Teufelskreis ohne Entrinnen stecken, an dessen Ende die Selbstaufgabe
steht, der Verlust der Würde und der Identität.
Das Stück ist nichts für Voyeure, die nackte Haut und Sex sehen wollen,
es spielt sich alles im Background ab. Es werden keine Klischees
breitgetreten, sondern aufgezeigt. Immer wieder spielt man
auch mit dem anrüchigen Flair dieser Welt. Sex ist allgegenwärtig, ja
eine Selbstverständlichkeit. Und das Stück enthält
sich auch eines offenen moralischen Urteils, dieses kann sich ein
kritisches Publikum eh von selbst machen.
Offensichtlich hat Regisseurin Giuliani versucht, der entmenschlichten
Thematik menschliche Züge zu verleihen, sie hat versucht, den Nutten (oder
eben berufstätigen Frauen) wieder eine Würde als Mensch, und nicht zuletzt
als Frau wiederzugeben. Ihr war es offenbar ein Anliegen, dass auch
Huren Gefühle haben, wenige zwar, aber sie haben welche. Und diese
Gefühle (z.B. in einen untreuen Freier, der Georgia Avancen macht) sind
es, die aus den Liebesdienerinnen nur "berufstätige Frauen" statt Sklavinnen
machen. Und das Gewerbe, das übrigens zu florieren scheint, zu einem
Dienstleistungsunternehmen. Dieser Versuch ist ihr in diesem Stück gelungen,
denn dem Problem der Entwürdigung dieser Frauen zu Sexualobjekten kann und
muss sie nicht abhelfen. Alles in allem ein amüsantes Stück mit vielen
Denkpausen, aber nichts, was mich an Engagement vom Stuhl gerissen hat.
Vielleicht lag das auch daran, dass die Frauen nicht besonders anziehend
und das ganze Umfeld zutiefst emotionsfeindlich waren.
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