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Theater
Karls neues kühnes Gassenschau-Programm
150 Jahre Bundesstatt
Züri lacht
Theater für Zürich
Lorenz Keiser: Aquaplaning
Andorra
Lysistrata
Clownschule Dimitris
Chin. National_zirkus
Theater der _Suchtprävention 96
Bremer Freiheit
Hanglage Meerblick
Schauspielhaus 1996
Eine _tierische Farm
Reizender Reigen
Blick zurück im Zorn
Massimo _Rocchi
Blickfelder
Bruno und Bruno
Die _Mausefalle
Ibsens _Wildente
Zwölf Leichen im Keller
Gedenkfeier für Eynar _Grabowsky
Girls in der Winkelwiese
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Stau zäme!
Ironie des Schicksals, das Biwidus-Team blieb selbst im Stau stecken
und musste fast auf den Genuss des unübertrefflichen neuen Programms von
Karls kühner Gassenschau verzichten, was ein Verlust gewesen wäre. Die
berühmt-berüchtigte Theatertruppe treibt zur Zeit sein Unwesen im Aarauer
Schachen, das neue Programm ist Programm: es geht um den Stau. Stau als
Philosophie, Stau als Handlungsort, Stau als Lebensraum, Stau als Ort
der Begegnung, Stau (zäme!) sogar als Begrüssung und Abschied.
Die Story ist genauso einfach erzählt wie schwierig zu vereinfachen.
Am Anfang schuf Gott die Erde und das Leben, alles war eckig, quadratisch und
ordentlich. Dann kam der Teufel und brachte den Kreis, das Chaos. Und
aus dem Auto wurde ein Werk des Bösen. Und so entwickelt sich der
Mensch als automobiles Wesen. Plötzlich entsteht auf einer immaginären
Autobahn ein immagniärer Stau, der zur Weltkatastrophe wird. Sechs
Autos, davon einer mit Wohnwagen, bleiben darin stecken. Die FahrerInnen
dieser Autos sind dann auch die ProtagonistInnen des Stückes.
Die eigentliche Story beginnt mit einem sehr amüsanten Ballett der
Autos, wo die Millimeterarbeit gezeigt wird, mit der Karls Kühne
arbeiten. Also. Es stehen sechs Personen im Stau, eine Zürcher Tussi mit
dem Merz ihres Vaters, ein spanischer Macho, der ihr Lover wird, ein
Zürcher Macho mit Italo-Armkettchen und Cabrio, ein Bündner Autostopper
und ewiger Positivist, eine englische Touristin mit voller Campingausrüstung
und schliesslich ein Ossie-Underdog (St. Galler), der die rettende Idee
am Schluss hat.
Die Personenkonstellation macht die Geschichte aus, ein jeder und eine
jede trägt dazu bei, dass der Stau, indem sie stecken immer unerträglicher
wird. Das Tussi kreischt hysterisch in der Gegend rum und verdreht den
Männern den Kopf. Ihre beste Figur (ich meine schauspielerisch) macht sie,
als sie dem spanischen Macho die Kappe wäscht, wie wir Zürcher sagen.
Die andere Frauenfigur, die Engländerin, wird zum Symbol der negativen
Entwicklung der Geschichte, aus einer Britin mit viel Understatement
wird eine Trinkerin, deren Tochter am Schluss das ganze Lager niederbrennt.
Das ist ja sowieso das Wahrzeichen der Gassenschau, die Pyromanie à la
Rammstein. Plötzlich brennt die ganze Bühne, überall Rauch und am Schluss
prustet sogar der obligate Flammenwerfer los.
Die Männerfiguren sind, wie bei einem Thema wie Autos zu erwarten ist,
stärker, tragender. Zuerst trumpfen die beiden Machos auf. Der Zürcher mit
seinem allesrettenden Natel sollte die immer schlimmer werdende
Verkehrssituation (stellvertreten durch den immer wieder kehrenden
musikalischen Verkehrsfunk) bereinigen, was allerdings mittels Kurzschluss
über die Autobatterie in die Hosen geht. Mit der Zeit wird der Junge immer
schwächer. Dasselbe gilt auch für seinen spanischen Kompagnon, der mit dem
coolen Griff in den Schritt und seiner trendigen Aufmachung jedes Problem
lösen zu können glaubt. Er macht es mit der jungen Zürcherin, aber das
Kind wird zu einer Trauergeschichte. Der Schauspieler hat allerdings
brilliert, sein Stierkampf mit dem Auto des Ossis ist genial gewesen.
Aber ausser dem Kind, der notabene im Stau geboren wird, bringt er nichts
mehr zu Stande.
Bedeutend interessanter ist der Ossi, der am Anfang mit seinem widerlichen
Dialekt die ganze Show stört. Doch als alles schief läuft, sein Fiat in
zwei Teile zerbricht und er nur noch in der Vorderhälfte auf der Bühne
rumflizt, wird er immer verzweifelter und wird selbstständig. Der fette
rotgesichtige Ossi erfindet ein Fluggerät, mit dem er dem Stau entflieht.
Der siebte Held des Stückes ist übrigens der Kranführer, der mit seinem
Apparat das ganze Stück begleitet. So bekommt das Stück eine dritte
Dimension. Auch sehr stark ist der Bündner, der immer eine postive Stimme
während des ganzen Stückes ist. Aber gegen den Schluss wird auch er
desillusioniert, er lässt sich einen langen Bart wachsen und entschwebt
in eine Traumwelt.
Das neue Stück von Karls Kühner Gassenschau hat nicht nur mit Stau im
Sinn von Blechlawine zu tun, sondern versteht sich auch als Lebensstau.
Die ProtagonistInnen beginnen, im Stau zu leben, zeugen Kinder, feiern
Weihnachten (mit dem Ossi als Schneemann), picknicken auf der präparierten
Motorhaube des englischen Wagens und schlafen in ihren jeweiligen
Autos. Sie lernen zu leben im Stau. Aber andersherum gehen ihnen die Ideen
fortlaufend aus, es entsteht auch ein menschlicher Stau, denn nichts geht
mehr, sie resignieren. Nur die bescheuerte Tochter der besoffenen Engländerin
kennt die Lösung: burn the cars!
Echt, die Show ist riesig, für die teuren 38 Franken Eintritt kriegt man
wirklich genug geboten. Karls kühne Gassenschau, das ist die Fusion aus
Strassentheater, Film-Szenerie samt Special-EFX und innovativem Musical.
Was das Geheimnis ihres Erfolges ausmacht, ist der Mut, die Courage,
auch aufwendige Gags zu inszenieren, immer wieder bringen sie technische
Spielereien, die man vom Theater sonst nicht kennt. Das gilt einerseits
für die Feuerwerke und andere heisse Toys, andererseits aber auch für den
Einfall, mit sechs Autos und einem Kran einen solchen Terror zu machen.
Die Autos gehen dabei natürlich drauf, der Merz wird auseinandergenommen,
der Lieferwagen des Pizzabäckers verbrannt und der Ossi-Fiat zweigeteilt.
Aufwendig, aber effektvoll.
Die Gassenschau tourt im August noch nach Zürich, Tickets sind zwar
teuer, aber begehrt. Früh anstehen. More Infos gibt es bei der Website von
Karls kühner Gassenschau.
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