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13.1.1996

Theater

Karls neues kühnes Gassenschau-Programm

150 Jahre Bundesstatt

Züri lacht

Theater für Zürich

Lorenz Keiser: Aquaplaning

Andorra

Lysistrata

Clownschule Dimitris

Chin. National_zirkus

Theater der _Suchtprävention 96

Bremer Freiheit

Hanglage Meerblick

Schauspielhaus 1996

Eine _tierische Farm

Reizender Reigen

Blick zurück im Zorn

Massimo _Rocchi

Blickfelder

Bruno und Bruno

Die _Mausefalle

Ibsens _Wildente

Zwölf Leichen im Keller

Gedenkfeier für Eynar _Grabowsky

Girls in der Winkelwiese

Gedenkveranstaltung für Eynar Grabowsky

Man kann ihn noch immer als einen Pfeiler der Zürcher Kulturszene betrachten, den vor knapp einem Monat verstorbenen Eynar Grabowsky. Die tragischen Umstände seines Freitodes sind noch immer für die meisten, die mit ihm zu tun hatten, unverständlich. Sei es wegen der Ablehnung einiger seiner zum Teil phantastischen Projekte durch staatliche Organe oder aber auch der wirtschaftlichen Probleme einiger seiner Unternehmungen, sein Freitod ist für viele kulturell interessierte Zürcher und Zürcherinnen grundlos und wird es auch bleiben. Nach seinem Tod kamen einige Probleme seiner Projekte an die Oberfläche, aber eine für unsere Verhältnisse ungewohnte Welle von Solidarität, die in einem Unterstützungsaufruf für das Bernhard-Theater durch Radio Z, Züri 1 und Züri Woche gipfelte, liess diese leise Kritik gänzlich verstummen. Letzten Sonntag war man sich einig: "Grabo" verdiene unser Gedenken. Und man traf sich um 11.00h morgens im Bernhard-Theater, das trotz seiner vielen Projekte sein wohl liebstes Kind gewesen ist. Der Anlass war nicht gross ausgeschrieben worden. Trotzdem kamen sie, die Freunde und Freundinnen der Bühne und des Verstorbenen. Er hatte ihrer viele, aber er traute ihnen nicht immer, war er doch ein Kind der Theaterkultur, einer Kultur der Intrige. Sie standen trotz alledem lange Schlange, einige mussten sogar abgewiesen werden, weil jeder Quadratzentimeter des ohnehin kleinen Theaters besetzt war von Kulturinteressierten meist mittleren Alters. Alle waren sie gekommen, die oft vergessene Bourgeoisie dieser in ihrem Kerne erzbürgerlichen Stadt war fast vollzählig. Mehr wären es wohl gewesen, wenn nicht gleichzeitig im Schauspielhaus eine Veranstaltung für Pestalozzi stattgefunden hätte. Für sie hatte Grabo sich aufgeopfert, und an seine Gedenkfeier zu kommen, war das mindeste, was sie ihm als Dank entgegenbringen konnten. Das Programm der Gedenkfeier war auf sie zugeschnitten, neben den kurzen Ansprachen des stadtzürcherischen Kulturministers Jean-Pierre Hoby, von Bernhard-Litteraire-Chef Peter Zeindler und Opernhausintendant Alexander Pereira waren die Höhepunkte der Pianist Cicero und die Sopranistin Smetanov. Grabo hatte sich auch für die Konvergenz zwischen Elite- und Populärkultur eingesetzt.

Grabo war einer der tragenden Pfeiler der hiesigen Bühnenszene, nicht nur, dass er sich für viele kurze und lange Projekte eingesetzt hatte, er hatte auch nie die Absicht gehabt, für seine Aufführungen Subventionen zu beziehen und somit vom Staat abhängig zu sein. Er wollte nur etwas Verständnis und dass man ihm keine Knüppel zwischen die Beine werfe. Und das tat man mit innigstem Einsatz, man denke an die Affäre um die geplante Aufführung des Musicals "Phantom of the Opera" im ABB-Gelände in Oerlikon vor drei Jahren. Schade, dass seine damalige Intimfeindin Ursula Koch nicht aufgetreten ist. Denn dank ihr und den Paragraphen ihrer BZO wurde dieses Musical später in Basel aufgeführt. Trotzdem gebührt ihm der Verdienst, das Musical nach Zürich gebracht zu haben, wie Kulturchef Hoby unterstrichen hatte. Seine Rolle für die Kultur der Stadt wurde immer wieder hervorgehoben, kritische Stimmen wurden kaum laut.

Dafür wurde heftig Kulturpolitik betrieben. Nachdem Hoby dem Bernhard-Theater die ideelle Unterstützung der Stadt garantiert hatte, entgegnete Pereira mit einem für diesen Anlass sehr kritischen Unterton, dass er es befremdlich finde, dass die Stadt weiterhin nur von ideeller Unterstützung spreche, obschon Grabowskys Selbstmord offensichtlich ein Hilfeschrei gewesen sei. Materielle Hilfe der öffentlichen Hand sei jetzt mehr denn je vonnöten, Subventionen auch für das Bernhard-Theater. Eines der führenden Bühnen der Stadt habe "(...) verdammt nochmal das Recht, eine Hilfe zu bekommen!". Hoby musste ausserhalb des Protokolls entgegnen, diese Forderung der Stadtregierung überbringen zu wollen.

Sogar an seiner Gedenkfeier hat Eynar Grabowsky also polarisiert. Er hatte zeit seines bunten Lebens polarisiert, weil seine visionäre Kulturpolitik mit einem starken unternehmerischen Flair (was ihm schliesslich zum Verderben wurde) nicht von allen verstanden worden ist. Zeindler verglich Grabowsky mit einem "(...) ruhelosen Pendler zwischen allen Extremen (...)", einem Seiltänzer mit einem Sinn fürs Theatrale. Er stand allein auf dem Hochseil, jenseits von Schein und Sein, jenseits aller Realität und der restlichen Welt. Er war ein allzeit gestresster und verschlossener Einzelkämpfer.

"Der Kapitän sei von Bord und die Mannschaft sei verstört", zeichnete Baldur Seifert vom Südwestfunk, einer der Redner, die Situation des Bernhard-Theaters. Aber der Kapitän habe einen Kompass hinterlassen, und es sei an uns, das Schiff auf Kurs zu halten. Es sei das schwere Erbe eines Genies anzutreten, ein teures Erbe, aber desgleichen notwendig, diesem Erbe gerecht zu werden. Schritt für Schritt müsse man diese Strasse Richtung Glück weitergehen. Grabowsky habe selbst diese Strasse beleuchtet, es sei an uns, uns dankbar davon leiten zu lassen. Und Professor Jankovich vom Bernhard-Theater unterstrich, dass die Bühne nicht vom kulturellen Leben Zürichs wegzudenken sei. Mit einer längeren Rede von Jürg Schneider voller amüsanter Anekdoten, aber auch den einzigen echten kritischen Untertönen ("(...) mir stönd würklich vor emene Scherbehuufe!") schloss die Veranstaltung, vom Publikum frenetisch applaudiert. Niemand sprach es aus, aber alle meinten es: dieses Theater muss leben, denn es ist der Gedenkstein für Eynar Grabowsky.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus dem Bernhard-Theater.