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Gedenkveranstaltung für Eynar Grabowsky
Man kann ihn noch immer als einen Pfeiler der Zürcher Kulturszene
betrachten, den vor knapp einem Monat verstorbenen Eynar Grabowsky.
Die tragischen Umstände seines Freitodes sind noch immer für die
meisten, die mit ihm zu tun hatten, unverständlich. Sei es wegen der
Ablehnung einiger seiner zum Teil phantastischen Projekte durch
staatliche Organe oder aber auch der wirtschaftlichen Probleme
einiger seiner Unternehmungen, sein Freitod ist für viele kulturell
interessierte Zürcher und Zürcherinnen grundlos und wird es auch
bleiben. Nach seinem Tod kamen einige Probleme seiner Projekte
an die Oberfläche, aber eine für unsere Verhältnisse ungewohnte
Welle von Solidarität, die in einem Unterstützungsaufruf für das
Bernhard-Theater durch Radio Z, Züri 1 und Züri Woche gipfelte,
liess diese leise Kritik gänzlich verstummen. Letzten Sonntag war
man sich einig: "Grabo" verdiene unser Gedenken. Und man traf sich
um 11.00h morgens im Bernhard-Theater, das trotz seiner vielen
Projekte sein wohl liebstes Kind gewesen ist. Der Anlass war
nicht gross ausgeschrieben worden. Trotzdem kamen sie, die Freunde
und Freundinnen der Bühne und des Verstorbenen. Er hatte ihrer viele,
aber er traute ihnen nicht immer, war er doch ein Kind der Theaterkultur,
einer Kultur der Intrige. Sie standen trotz alledem lange Schlange,
einige mussten sogar abgewiesen werden, weil jeder Quadratzentimeter
des ohnehin kleinen Theaters besetzt war von Kulturinteressierten
meist mittleren Alters. Alle waren sie gekommen, die oft vergessene
Bourgeoisie dieser in ihrem Kerne erzbürgerlichen Stadt war fast
vollzählig. Mehr wären es wohl gewesen, wenn nicht
gleichzeitig im Schauspielhaus eine Veranstaltung für Pestalozzi
stattgefunden hätte. Für sie hatte Grabo sich aufgeopfert, und an seine
Gedenkfeier zu kommen, war das mindeste, was sie ihm als Dank entgegenbringen
konnten. Das Programm der Gedenkfeier war auf sie zugeschnitten,
neben den kurzen Ansprachen des stadtzürcherischen Kulturministers
Jean-Pierre Hoby, von Bernhard-Litteraire-Chef Peter Zeindler und
Opernhausintendant Alexander Pereira waren die Höhepunkte der Pianist
Cicero und die Sopranistin Smetanov. Grabo hatte sich auch für die
Konvergenz zwischen Elite- und Populärkultur eingesetzt.
Grabo war einer der tragenden Pfeiler der hiesigen Bühnenszene,
nicht nur, dass er sich für viele kurze und lange Projekte eingesetzt
hatte, er hatte auch nie die Absicht gehabt, für seine
Aufführungen Subventionen zu beziehen und somit vom Staat abhängig
zu sein. Er wollte nur etwas Verständnis und dass man ihm keine
Knüppel zwischen die Beine werfe. Und das tat man mit innigstem
Einsatz, man denke an die Affäre um die geplante Aufführung des Musicals
"Phantom of the Opera" im ABB-Gelände in Oerlikon vor drei Jahren.
Schade, dass seine damalige Intimfeindin Ursula Koch nicht aufgetreten
ist. Denn dank ihr und den Paragraphen ihrer BZO wurde dieses Musical
später in Basel aufgeführt. Trotzdem gebührt ihm der Verdienst, das
Musical nach Zürich gebracht zu haben, wie Kulturchef Hoby
unterstrichen hatte. Seine Rolle für die Kultur der Stadt
wurde immer wieder hervorgehoben, kritische Stimmen wurden kaum laut.
Dafür wurde heftig Kulturpolitik betrieben. Nachdem Hoby dem
Bernhard-Theater die ideelle Unterstützung der Stadt garantiert
hatte, entgegnete Pereira mit einem für diesen Anlass sehr
kritischen Unterton, dass er es befremdlich finde, dass die Stadt
weiterhin nur von ideeller Unterstützung spreche, obschon Grabowskys
Selbstmord offensichtlich ein Hilfeschrei gewesen sei. Materielle Hilfe der
öffentlichen Hand sei jetzt mehr denn je vonnöten, Subventionen auch für das
Bernhard-Theater. Eines der führenden Bühnen der Stadt habe
"(...) verdammt nochmal das Recht, eine Hilfe zu bekommen!".
Hoby musste ausserhalb des Protokolls entgegnen, diese Forderung der
Stadtregierung überbringen zu wollen.
Sogar an seiner Gedenkfeier hat Eynar
Grabowsky also polarisiert. Er hatte zeit seines bunten Lebens polarisiert,
weil seine visionäre Kulturpolitik mit einem starken unternehmerischen
Flair (was ihm schliesslich zum Verderben wurde) nicht von
allen verstanden worden ist. Zeindler verglich Grabowsky mit einem
"(...) ruhelosen Pendler zwischen allen Extremen (...)", einem Seiltänzer mit
einem Sinn fürs Theatrale. Er stand allein auf dem Hochseil,
jenseits von Schein und Sein, jenseits aller Realität und der
restlichen Welt. Er war ein allzeit gestresster und verschlossener
Einzelkämpfer.
"Der Kapitän sei von Bord und die Mannschaft sei verstört",
zeichnete Baldur Seifert vom Südwestfunk, einer der Redner,
die Situation des Bernhard-Theaters. Aber der Kapitän habe
einen Kompass hinterlassen, und es sei an uns, das Schiff auf
Kurs zu halten. Es sei das schwere Erbe eines Genies anzutreten,
ein teures Erbe, aber desgleichen notwendig, diesem Erbe gerecht zu werden.
Schritt für Schritt müsse man diese Strasse Richtung Glück weitergehen.
Grabowsky habe selbst diese Strasse beleuchtet, es sei an uns, uns
dankbar davon leiten zu lassen. Und Professor Jankovich vom
Bernhard-Theater unterstrich, dass die Bühne nicht vom kulturellen
Leben Zürichs wegzudenken sei. Mit einer längeren Rede von Jürg Schneider
voller amüsanter Anekdoten, aber auch den einzigen echten kritischen
Untertönen ("(...) mir stönd würklich vor emene Scherbehuufe!") schloss die
Veranstaltung, vom Publikum frenetisch applaudiert. Niemand sprach es
aus, aber alle meinten es: dieses Theater muss leben, denn es ist der
Gedenkstein für Eynar Grabowsky.
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