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22.1.1996

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Wer kennt sie nicht, die wohl beliebteste und auch schrägste Gruselkomödie der Filmgeschichte. "Arsen und Spitzenhäubchen", 1940 von Joseph Otto Kesselring geschrieben, wurde 1944 von Komödienspezialist Frank Capra mit viel Feingefühl für absurden und makabren Humor inszeniert und gehört zu den "britischsten" der amerikanischen Komödien jener Zeit. Die Hauptrollen wurden mit Cary Grant (Mortimer Brewster), Boris Karloff (Jonathan Brewster) und Peter Lorre (Dr. Einstein) genial besetzt, die Rollen waren ihnen fast auf den Leib geschrieben.

Die Story, die JedeR kennen sollte, ist eigentlich schnell erzählt. Die Schwestern Brewster sind alleine in Brooklyn lebende, ausnehmend liebenswürdige alte Damen, die einem seltsamen Hobby frönen: sie bugsieren einsame Herren mittels eines Gemisches aus einem halben Liter Holunderbeerwein, 1 TL Arsen, 1/2 TL Strychnin und etwas Zyankali ins Jenseits. Ihr Neffe Mortimer, ein verlobter Theaterkritiker, kommt ihnen dabei auf die Schliche und möchte das unterbinden. Da kehrt zu seinem Leidwesen auch sein lange verschollener Bruder Jonathan heim. Er ist zu einem irrsinnigen Gangster geworden und liess sich vom unfähigen Chirurgen Dr. Einstein ein neues Gesicht verpassen, das aufgrund von dessen Alkoholsucht Frankensteins Monster zum Verwechseln ähnlich sieht. Jonathan deckt das Hobby der Schwestern auch auf und möchte sich Mortimers entledigen. Schliesslich wird er geschnappt und eingelocht, die Schwestern können in aller Seelenruhe ein 13. Opfer finden und damit Jonathans "Konto" überflügeln. Mortimer schliesslich erweist sich als ein nicht der wahnsinnigen Familie Brewster zugehöriger Bastard und kann endlich seine Helen ehelichen.

Das Theater für den Kanton Zürich TZ hatte sich dieser alten Story angenommen und führte sie ziemlich orginalgetreu auf. Nach der Premiere in Männedorf spielte das Ensemble auch in Winterthur, dem Hauptquartier des TZ, in Buch am Irchel und in Bauma. Biwidus liess es sich nicht nehmen und reiste nach Männedorf um zu sehen, wie die Geschichte um etwas Arsenik und die Brewsterschen Spitzen durch das TZ umgesetzt worden war.

Als erstes besticht das Bühnenbild. Die kleine Bühne im Kirchgemeindehaus wurde in seiner ganzen Tiefe ausgenützt. Wie im Orginal spielt das Stück auch in einem einzigen Raum, der Stube der Schwestern Brewster. Vier Türen führen in die einzelnen Aussenräume, womit es ein Kommen und Gehen gibt. Die altmodische Einrichtung wurde von Babette Stutz mit viel Liebe zum Detail zusammengestellt, sie ist zusammen mit den Kostümen (Dodo Schneider) sicher eine der Stärken des Stücks.

Der künstlerische Leiter des TZ, Markus Emmenegger, führte seine Akteure in seiner ersten Regiearbeit souverän durch das bekannte Stück. Der ganze Irrsinn der Familie Brewster kam bildhaft hervor. Sowohl die Schwestern (gespielt von Valerie Steinmann und Edith Golay), als auch der liebenswürdige Irre Teddy Roosevelt-Brewster überzeugten mit ihrer Leistung. Die Widersprüchlichkeit der zugleich philantropen und massenmordenden Schwestern wurde glaubhaft übermittelt. Auch die beiden Gangster, die natürlich mit ihren Vorbildern Karloff und Lorre zu kämpfen hatten, steigerten sich im Laufe des Stückes zu wahrhaft tragikomischen Figuren. Björge Hehner als Jonathan wirkte mit der Zeit sogar echt gefährlich. Die Nebenrollen waren sinnvoll besetzt, obschon vielleicht Mortimers Verlobte Helen als unschuldiger Engel nicht ganz durchkam.

Etwas enttäuschend war zweifelsohne Urs Bosshardt als Quasi-Neffe Mortimer. Er wurde offensichtlich von seinem Vorgänger Cary Grant erdrückt, der in "Arsen und Spitzenhäubchen" eine seiner überhaupt besten Auftritte gehabt hatte. Bosshardt wirkte etwas plump, unglaubwürdig und eingefroren, als es darum ging, die wirklich skurille Situation mit ein paar absolut verständnislosen Grimassen zu unterlegen. Trotz allem musste ich zugeben, dass er sich den Umständen entsprechend wacker geschlagen hatte, Grant ist schlicht nicht zu überbieten. Deshalb würde ich Bosshardt vorschlagen, dass er Capras Film mal schauen sollte, vielleicht würde das seine Rolle aufwerten.

"Arsen und Spitzenhäubchen" ist einerseits eine Parodie auf die Gruselfilme der Dreissigerjahre, aber auch ein Balanceakt zwischen Irrsinn und makabrem Humor. Das TZ hat mit diesem Stück solide Bühnenabreit geleistet und wird damit auch einen grossen Erfolg verbucht haben. Das ist wichtig für dieses Theater, das sich von Beiträgen von Gemeinden und Privatpersonen finanziert und kaum ein grosses finanzielles Polster hat. Nach "D'Wiiberversammlig" war "Arsen und Spitzenhäubchen" mein zweites Stück des TZ. Ich muss sagen: das Ensemble machte für wenig Geld und mit begrenzten Mitteln kulturell hochstehendes Theater. Es ist unterstützungswürdig in einer Zeit, wo an allen Ecken und Enden der Kultur gespart wird.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus Männedorf.