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Blickfelder - Theater für junges Publikum
Es war schon sehr gross angekündigt worden, das 5. Theaterfestival für junge
Leute, das sich mit dem Namen "Blickfelder" einer breiten Oeffentlichkeit
präsentieren wollte. Auf acht Bühnen (darunter auch dem Schauspielhauskeller)
haben junge Theaterschaffende für junge Leute Theater gespielt (oder tun's
noch). 30 Theatergruppen aus ganz Europa zeigten der Jugend
unserer Stadt ihr Können. Viele Vorstellungen auf den Off-Bühnen
Zürichs waren ausverkauft.
Wir von Biwidus liessen uns nicht lumpen, denn die Jugendkultur ist
unser höchstes Anliegen. Wir haben ein Highlight aus dem Programm
herausgepickt und haben es uns angeschaut. Ort des Geschehens: die Aktionshalle
der Roten Fabrik, Zeit 20.00. Wir schreiben den Tag 2 der Blickfelder.
In der schnell mal vollen Aktionshalle trat eine Gruppe des Theaters
im Werftpark Kiel auf. Das Publikum konnte Einblick nehmen,
souverän geführt von der Regisseurin Franziska Steiof, in das Leben
der drei Geschwister Bronte. Eine davon, Emiliy Jane Bronte, schrieb vor
Jahrhunderten "Wuthering Heights" (Sturmhöhen - deshalb der Titel) und
schuf damit ein Denkmal der britischen Frauenliteratur. Auch Charlotte,
ihre Schwester, gilt noch heute als eine der meistgelesensten KlassikerInnen
der Weltliteratur ("Jane Eyre"). Doch das Theater im Werftpark zeigte die Bronte-Sisters in
ihrer natürlichen Umgebung, ohne die Sturmhöhen wirklich zu heiligen. Das
Stück stammte von Susanne Schneider.
In einer britischen Moorlandschaft des 19. Jahrhunderts wachsen die
Pfarrerstöchter Emily Jane, Charlotte und Anne Bronte in völliger
Isolation auf. Sie vertreiben sich die Zeit mit Langeweile, Nähen,
Schreiben und Träumen, sie scheinen keine Zukunft zu haben. Trotzdem
oder gerade deshalb werden die drei sich ziemlich kindisch
aufführenden Frauen zu begnadeten Schriftstellerinnen,
die, getrieben von Sehnsucht, Meilensteine der Weltliteratur verfassten.
Aber die Autorin Sunsanne Schneider zeigt die Frauen mit ihrer wahren
Natur. Anne ist hoffnungslos und schliesslich auch erfolglos verliebt,
die gestrenge Charlotte betrügt sich selbst mit ihrem Ehrgeiz und
dem Verlangen nach dem Unerreichbaren. Und die quirlige
Emily Jane, die verwirrteste der
drei, wächst auf in einem wilden, naturbezogenen, makabren und weltfremden
Traum. Die drei Frauen haben Träume, die sich in einem ungreifbaren und
das Blaue vom Himmel herunterversprechenden Traummann (dem "Phantom") gipfeln. Er ist das
einzige männliche Wesen im ganzen Stück.
Silvia Kunstwart, Christine Passow und Meike Siems haben ihre Rollen
offensichtlich verinnerlicht, die Regisseurin Franziska Steiof spielt
sehr intensiv mit Gefühlen, die karikaturhafte Freude und düsterste
Trauer vereinigen können. Besonders witzig werden die Szenen interessanterweise
dann, wenn die drei Schwestern regelrecht herumgifteln. Ihre Darstellung
ist mit einem Wort ausdrucksstark, es ist eine Freude, ihnen zuzusehen.
Ihre Sehnsucht prägt das Stück. Und Sehnsucht sei, so Franziska Steiof gegenüber Biwidus,
die Triebfeder allen Schaffens. Sehnsucht werde grösser, je weniger
mensch leben könne. Es herrsche eine grosse Diskrepanz zwischen
dem Alltagsleben der Brontes und ihren Wünschen an ihr Leben. Die
Sehnsucht sei auch für sie selbst zu einer Triebfeder geworden. Sehnsucht
trage hinaus, was sein solle. Sie arbeite deshalb auch gerne mit
Jugendlichen, denn diese haben einen leichteren Zugang zur Sehnsucht als die
Erwachsenen.
Das Stück hat eine atmosphärische Dichte, die durch das überragende Spiel
der Frauen ergänzt wird. Langsame, besinnliche Passagen wechseln ab mit sehr
schrillen und fast überbordenden Szenen. Es erzählt in einfacher und
neuzeitlicher Sprache aus dem Leben der Sisters. Schon das lange Anfangsbild spricht Bände. Die
Schwestern sitzen in minutenlanger absoluter Ruhe an ihren Stehpulten und
regen sich nicht, Langeweile und eingefrorene Ruhe ist angesagt. Auch das Dekor
ist sehr karg. Ausser den Stehpulten und einem Wandschrank ist
eigentlich nichts zu sehen. Wieder bezeichnend sind die Musikpassagen, die in einem Remake
eines Kate Bush-Videos durch Emily gipfeln. Der Soundtrack ist sicher
eine der grossen Stärken des Stückes. Verstärkt mit Einspielungen von
Wind und Dudelsackpassagen ist der Sound ein tragendes Element.
Angetan war ich auch von den Orginalzitaten, die auch in der Szene mit
dem Geschichtenerzähl-Wettbewerb unter den drei Schwestern mitklangen.
Die drei Schwestern sterben alle drei sehr früh, nur Charlotte wird mit 30
Jahren etwas älter. Sie versauern buchstäblich im Moor.
Gerade deshalb ist dieses Stück für Jugendliche gemacht,
die Träume junger Frauen seien zeitlos, ist die Message. Das Eingeschlossensein,
die Einsamkeit sei bis heute ein Bestandteil ihres Lebens. Aber auch der
ewige Neid und die Missgunst unter Frauen (gerade in Bezug auf Männer) wird
spielerisch dramatisiert. Weibliches Erleben wird zum Motiv, die
Selbstverständlichkeit des Alltages zu einem Instrument.
Die Regisseurin Steiof möchte jedoch unterstreichen,
dass "Sturmhöhe" nicht nur ein Stück für Frauen ist, sondern für junge
Leute allgemein. Und es waren auch etwa gleich viele Männer wie Frauen
in der Aktionshalle zugegen. Das Stück avancierte in der
Berliner Off-Theater-Szene zum Grosserfolg. Wir hoffen, dass es auch in
Zürichs Blickfeldern erfolgreich sein wird. Uns jedenfalls hat es sehr gefallen.
Das ist intelligente Unterhaltung, wie mensch es in der zeitgenössischen Theaterszene
fast nicht mehr findet.
Weitere Highlights der Blickfelder waren, sind und werden sein (noch bis am 24.3.):
- die "Memphis Brothers" (vom 11.3. - 14.3. in der Aktionshalle)
- "Heute abend Lola Blau" vom jüdischen Staatstheater Bukarest
(11.3 - 15.3. im Theater am Hechtplatz)
- Ibsens "Peer Gynt" (21.3. - 23.3. in der Schauspielakademie)
Neben den normalen Theateraufführungen organisiert der Jugendtheaterverein
ASTEJ ein 17-Uhr Apero (FR 15.3., DI 19.3. und FR 22.3.) im
Festivalzentrum beim Kitz-Theater an der Gessnerallee 13. Hier treffen sich
die KünstlerInnen und Interessierte zu einem gemütlichen Beisammensein. Für das
leibliche Wohl ist dabei gesorgt. Und hin und wieder zeigen die Gruppen
auch die Hintergrundstories ihrer Arbeit - ein Leckerbissen für
Theaterfans.
Der Vorverkauf ist im BIZZ auf dem Werdmühleplatz.
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