und ist eine Theaterversion des Mamet-Filmes "Glengarry Glen Ross".">
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27.4.1996

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Die Handlung des Stückes (und des Filmes mit Al Pacino) ist schnell erzählt: sechs Grundstücksmakler der übelsten Sorte dealen sich gekonnt und ohne ein Anzeichen von Menschlichkeit durch den Tag. Ihr grösstes Sinnen und Trachten ist es, den jeweils anderen an Verkaufszahlen zu überbieten. Und für etwas mehr Geld (sprich Verkaufsabschlüsse) sind sie zu allem bereit. Ach ja, und ein Kriminalfall spielt auch noch eine (allerdings sehr untergeordnete) Rolle. Die sechs Männer (es ist ein reines Männerstück und wiederspiegelt natürlich auch eine patriarchalische Gesellschaft) verfluchen und verraten sich in Grund und Boden. Zwei Stunden lang. Das ist der Inhalt des neuen Stückes im Zürcher Schauspielhaus, das letzten Samstag Premiere feierte.

David Mamet braucht ja wohl nicht länger erklärt zu werden. Der erfolgreiche Autor hat neben Filmdrehbüchern wie eben "Glengarry Glen Ross" mit Al Pacino und Jack Lemmon und "The Postman always rings twice" auch Grosserfolge auf der Bühne geschafft, als Beispiel sei das Geschlechterterrorstück "Oleanna" genannt. Der Chicagoer Autor und Regisseur hatte mit "Hanglage Meerblick" seinen ersten Hit und erhielt dafür den Pulitzerpreis 1984. Dieses sein erstes grosses Bühnenstück ist das dritte Werk von Mamet, das im Schauspielhaus inszeniert wird, die Regie führte Ralph Bridle. "Jeder gegen Jeden" heisst hier die Devise, und Menschenverachtung ohnegleichen ist der Tagesbefehl.

Im Vergleich zum Film, wo viele namhafte Schauspieler (neben Pacino und Lemmon auch Ed Harris, Alec Baldwin, Jonathan Pryce und Alan Arkin) brillierten, gibt sich die Theaterfassung ziemlich ruhig. Die Schauspieler wirken in der Tiefe der Bühne mit dem Dekor des Maklergeschäfts ziemlich verloren. Ja, sie wirken sogar unauffällig, würden sie nicht andauernd wie die Besessenen fluchen (meistens einander ver-). Trotzdem bringen sie die bedrückte Atmosphäre dieser menschlichen Hölle überzeugend rüber. Hier geht es nicht um Zwischenmenschliches, hier geht es darum, Geld zu machen, dabei über Leichen zu gehen und, gleich wie, die Verkaufszahlen zu steigern. Die Schauspieler, der junge Verkaufshai Ricky Roma ( Ulrich Gebauer) und der abgetakelte Shelly (Norbert Schwientek) bilden ein kontrapunktisches Gespann, um die der Rest der Geschichte aufgebaut ist. Einer muss verlieren, entweder der verzweifelte Shelly oder der draufgängerische Ricky.

"Der Autor von `Oleanna` und das `Kryptogramm` entwirft so das Paradigma einer kapitalistischen Gesellschaft", steht im Programm. Dem kann ich mich durchaus anschliessen, es gibt wenige kapitalismuskritische Stücke, wo das so deutlich herauskommt wie in diesem Werk von Mamet. Das Ueberleben im Geschäft zählt, der Erfolg, der Profit. Im Notfall ist man auch bereit, eine kriminielle Tat zu begehen, um zu einer aussichtsreichen Position zu gelangen. Betrug, Lüge, Misstrauen und Gefühllosigkeit sind dieser Gesellschaft eigen; meint Mamet! Ich denke, dass seine provokative Sicht der Sache etwas verzerrt ist. Und, obschon er vielleicht tendenziell recht haben mag, dieses Stück ist fast ein bisschen zu kritisch.

Das soll heissen, dass dieses (immerhin schon zwölfjährige) Stück sehr aktuell sein mag, das bestreite ich nicht. Aber durch seine Schwarz-Weissmalerei wird es unglaubwürdig, der/die ZuschauerIn hat von Anfang an eine Distanz zum Inhalt, so etwas wie "bei uns ist das eh nicht so extrem". Die Langeweile, die eigentliche Inhaltslosigkeit und vor allem das ewige Gefluche machen das Stück fast unerträglich. Ich kann nachfühlen, dass Mamet, der selber einmal Grundstücke mit allen Mitteln verkauft hatte, hier eine gewisse Nähe und Vertrautheit zum Thema haben mag, aber auf mich wirkt das wie eine fremde Welt - obschon ich mir im klaren bin, dass es hier um die Welt geht, in der ich lebe - etwas überspitzt allerdings.

"Hanglage Meerblick" ist kein Stück zum Geniessen, O.K., aber es ist auch kein Stück zum "Verstehen". Mamet war hier noch der junge, zornige Autor, der sich gegen die ganze Welt zur Wehr setzt. Und auf uns wirkt das eben zu unausgegoren. Ich will das Stück nicht schlecht machen, das läge mir fern, aber ich fand "Oleanna" (obschon ich es gehasst habe) irgendwie stärker, weil überzeugender. Trotzdem: Mamet verspricht ausverkauftes Haus. Eine schlechte Wahl hat das Schauspielhaus damit sicher nicht getroffen.

Mehr Infos könnt Ihr beim Schauspielhaus selbst beziehen - über Internet, versteht sich.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus dem Schauspielhaus Zürich