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18.12.1995

Gedanken

Zahlen und Menschen

Borchert auf CD

Kühe in Zürich

Roter Dany

Ein Brief erregt Ekel

Geschmackloser Werbemüll

Engel im HB

Diana vom Boulevard abgeschossen

Pathfinders Bibliothek

Neoliberaler Sozialismus

Das Ende der Dürre

Wups: UBS

Was ist ne Tussi?

Linke gegen Rechte

Die Rechten im Dörfli

1999+1=?

Hass - Albanien - Schweiz

Militärdienst: warum noch?

Mensch, ich gehe

Mensch, wohin?

Ode an die Schönheit

Revolution in den Medien

Reihe Utopia - _Gesundheit

Weihnachten

Mr. Biwidus zur Gesellschaft

Ein Gedicht vor Weihnachten

Es ist Weihachtszeit, und alle reden davon. In den Strassen Zürichs eilen hunderte von Leuten von einem Geschäft zum anderen, voll beladen und zwischen auf einen Parkplatz wartenden Autos hindurch. 6% von ihnen kaufen Geschenke im Wert von über tausend Franken! Etwa ein Drittel insgesamt kann sich immerhin Bescherungen von über SFr. 400.- leisten. Das sind Statistiken. Statistiken sind auch, dass um die Weihnachtszeit herum mit Abstand die meisten Selbstmorde passieren, bei uns wie auch anderswo, etwa 1/3 aller Freitode nämlich. Es ist ein Faktum, dass um den Weihnachtsabend herum hunderte von Menschen obdachlos sind und frieren, keine Bescherung, ja nicht mal zu essen haben. Aber ihre Schicksale sind bekannt, wir haben keinen Grund, auf sie hinzuweisen, denn es ist auch üblich, um die Weihnachtszeit herum über ihre Schicksale zu klagen, ohne etwas dagegen zu tun, was solls?

Ich habe hier ein Gedicht des deutschen Dichters Wolfgang Borchert. Er wurde 1921 in Hamburg geboren und starb 1947 im Alter von 26 Jahren an einer Leberkrankheit, die er sich im Krieg geholt hatte und an der er jahrelang vor sich hingesiecht war. Borchert gilt als einer der ersten Vertreter der Trümmerliteratur, einer Literatur, die in den Achtzigerjahren auch bezeichnend für die Generation X wurde, der die Welt und das Selbstverständnis gänzlich geraubt worden sind. Der Dichter Borchert war noch gesund und nicht speziell religiös, als er dieses Gedicht schrieb, es wurde jedoch ein Mahnmal seines späteren Leidens (er schrieb sein einziges Drama "Draussen vor der Tür" im Krankenbett in acht Tagen - im Wettlauf gegen den Tod, der ihn ein paar Monate später eingeholt hat) und zu einem tiefreligiösen Bekenntnis an das Gute und die ewige Hoffnung.

VERSUCH ES

Stell dich mitten in den Regen,
glaub an seinen Tropfensegen
spinn dich in das Rauschen ein
und versuche gut zu sein!

Stll dich mitten in den Wind,
glaub an ihn und sei ein Kind -
lass den Sturm in dich hinein
und versuche gut zu sein!

Stell dich mitten in das Feuer,
liebe dieses Ungeheuer
in des Herzens rotem Wein -
und versuche gut zu sein!



Wildcat (EMail)