 |
Gedanken
Zahlen und Menschen
Borchert auf CD
Kühe in Zürich
Roter Dany
Ein Brief erregt Ekel
Geschmackloser Werbemüll
Engel im HB
Diana vom Boulevard abgeschossen
Pathfinders Bibliothek
Neoliberaler Sozialismus
Das Ende der Dürre
Wups: UBS
Was ist ne Tussi?
Linke gegen Rechte
Die Rechten im Dörfli
1999+1=?
Hass - Albanien - Schweiz
Militärdienst: warum noch?
Mensch, ich gehe
Mensch, wohin?
Ode an die Schönheit
Revolution in den Medien
Reihe Utopia - _Gesundheit
Weihnachten
Mr. Biwidus zur Gesellschaft
|
 |
Borcherts vertontes Werk
Jeder und jede weiss unterdessen, wie sehr ich auf die Werke des deutschen
Dichters und Schriftstellers Wolfgang Borchert stehe. Das weiss auch ein
Mitfan aus Deutschland (danke übrigens, Hundeblümchen), die mir eine
CD mit vertonten Werken des Meisters zum Anhören geschickt hat. Das
"Gespräch über den Dächern" entspringt grösstenteils dem Borchert-"Gesamtwerk"
und seinem Nachlass "Die traurigen Geranien", es sind aber auch einige
Tracks darauf, die man selbst dort lange suchen muss. Diese sogenannten
"literarischen" Klangbilder verstehen sich nicht einfach als eine Art
Borchert-Musical, sondern vielmehr als Gedanken zu den Texten des
Meisterdichters.
Dabei fällt mir als Fan und Kenner der Borchertwerke auf, dass sich die
Autoren vor allem mit dem prosaischen Teil schwer getan und dass
sie sich da zum Teil etwas sehr auf ihre dichterische Freheit berufen
haben. Das fällt vor allem gleich beim ersten Track, dem "Sonntagmorgen"
auf, einer Kurzgeschichte von immerhin acht Minuten Dauer. Die normale
Prosarezitation à la Schauspielschule würde hier dasselbe lehren wie die
Macher der CD machen: langsam, den Trott und die unmenschliche Langeweile des
Gefängnisalltags wiedergeben. Und obschon Borchert sicher genau das wollte,
ist es einfach zu wenig brochertlike. Der Mann lag todkrank in seinem Bett,
als er das kurz vor seinem endgültigen Abschied niederschrieb, der Mann war
nicht nur von der Krankheit gezeichnet, sondern vor allem auch vom Rennen
gegen die Zeit. Er war gehetzt, fast hysterisch, sicher aber absolut
atemlos.
Genau diese Atemlosigkeit fehlt den Autoren, sie sind viel zu lyrisch.
Dasselbe gilt auch für einige andere Tracks, wie z.B. "Hinter den Fenstern
ist Weihnachten". Es gibt aber auch richtig gute Texte, um die ich
die Macher schon fast beneide, weil sie fast mystisch sind. Geradezu
genial finde ich es eigentlich jedesmal, wenn die Gedichte des Meisters
drankommen, die Band macht daraus häufig einen Blues, wohl die beste und
treffendste Umsetzung, die möglich ist. Denn was anderes als Blues sind
denn Borcherts Gedichte? Ein Klangbeispiel ist der "Brief aus Russland",
das Gedicht selbst ist an sich schon sehr stark, wenn aber dazu noch ein
Blues gespielt wird, fährt alles noch viel staärker rein.
Die Stärke der CD ist, dass sie zugleich Literaturfans und den wenigen
BorchertanhängerInnen etwas bringt, sie ist aber doch nicht einfach nur
vertonte Jahrhundert-Literatur, sondern ein eigenständiges Stück Musik,
eine musikalische Auseinandersetzung mit dem schreibenden Autor. Die
Macher, das ist an sich auch ganz spannend, sind der Schauspieler Bernd
Lange und die Band Bayon. Sie stammen alle aus den neuen Bundesländern, aus
dem ehemals kommunistischen Osten. Borchert war im Osten ein sehr
unerwünschter Autor, trotzdem kamen die literaturhungrigen Jugendlichen
zu seinen subversiven Werken, die gerade sie ansprechen. Borcherts
radikaldemokratische, antifaschistische und humanistische Gesinnung
passte zu ihnen, schon 1984 spielten sie vor dem Eisernen Vorhang Stücke
von Wolfgang Borchert. Die CD wurde 1996 anlässlich eines Auftritts
aufgenommen.
Ueber Borchert haben wir ein Dossier und
einen Artikel geschrieben.
|