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Krokodilstränen für Diana
Es ist widerlich. Die KollegInnen weinen - wenn überhaupt - ob des tragischen Todes der Lady Diana
allenthalben Krokodilstränen. Eigentlich ist es völlig Usus - eine schreckliche, aber vielleicht notwendige
Angewohnheit, dass man als Journi keine sogenannte KollegInnenschelte betreibt. Mir scheint es jedoch
mal wichtig, einige Worte zum Thema Boulevard loszuwerden. Nur. Es bleib anzumerken, dass ich auch für
ein Boulevardmedium arbeite und somit die Hand beissen muss, die mich füttert.
Was ist eigentlich Boulevard? Eine gute Frage, denn er hat heute viele Facetten. Im Prinzip ist er ja nichts
anderes als das Primat der Unterhaltung über der Information. Anders formuliert: es ist wichtiger, beim
Publikum Erregung und Lust zu erwecken, als es über einen gewissen Sachverhalt aufzuklären. Sexuelle
und andere Skandale, blutrünstige Morde, jede Formen von Streit und Problemen, heisse Unfälle und
Brände, alles das ist Boulevard. Auf der Strecke bleibt die ursprüngliche Aufgabe des Journalismus:
Aufklärung und soziale und politische Bildung.
Seit Urzeiten gibt es Boulevard. Aber erst seit dem Weltkrieg sind die heutigen Sex&Crime-Postillen aus
dem Boden geschossen. Entstanden als einfaches illustriertes Kurzfutter und Konkurrenz zu den schweren
"seriösen" Blättern, sind sie auch in Europa bald zu dem geworden, was sie heute sind. In der
Deutschschweiz ist es halt der "Blick", in Deutschland "Bild" und in Oesterreich die "Kronenzeitung":
Druckerzeugnisse, die zumeist von Menschen aus dem unteren Bereich der IQ-Skala gelesen werden.
Spätestens seit dem Aufkommen von Lokalradio und Lokal-TV (TeleZueri lässt grüssen) sind die "seriösen"
Informationsträger ganz in den Hintergrund gerückt. Zwar hat der Tagi und die NZZ keine oder wenig
Einbussen zu verzeichnen, die Boulevardisierung schreitet aber überall voran. Die Währung heisst
"Geschichten". Je mehr geile und intime Sachen man über andere (Schadenfreude ist die beste Freude)
erzählen kann, umso besser.
Und genau dort kommt der Tod der Ex-Prinzessin Diana ins Spiel. Die KollegInnen lehnen mehrheitlich jede
Kritik ab. Sie behaupten, nur ihre Arbeit zu tun, eine Arbeit, die ihnen aufgrund der Nachfrage durch das
Publikum quasi aufgezwungen wird. Scheibenkleister. So ein Scheiss. Nein. Dem ist nicht tatsächlich so.
Es stimmt zwar, dass die ZuschauerInnen völlig geil sind nach Bränden, Skandälen, Vergewaltigungen und
Morden. Sie wollen die tägliche Langeweile mit schadenfreudigem Thrill überdecken. Es stimmt auch, dass
sie absolut nicht interessiert sind an aufklärerischen und gesellschaftsfördernden Informationen und
Inhalten. Aber es sind die Medien, die ihnen den Frass, den sie fressen, vorsetzen.
Zuerst ist und war das Angebot. Erst dann kam die Nachfrage nach immer mehr, so dass das Angebot immer
heisser geworden ist. Und dadurch immer kontraintellektueller und reaktionärer. Kein Zweifel, dass es ein
solches Verständnis von Journalismus war, das Diana umgebracht hat. Ob der Chauffeur jetzt besoffen
war oder zu schnell fuhr, ist irrelevant und nur Augenwischerei einiger KollegInnen. Mindestens so
schlimm sind eben diejenigen, die der Sache noch Krokodilstränen nachweinen und sich Asche aufs Haupt
streuen. Sie sind die ersten, die mit dem "Abschiessen" und Ausnützen von Mitmenschen anfangen und sich
dagegen wehren, dass ihnen gewisse ethische Schranken gesetzt werden.
Das alles entsteht aus Gefühllosigkeit. Was einE richtigeR (Boulevard) JournalistIn ist, hat keine Gefühle.
Das weiss ich aus eigener Erfahrung. Da werden Opfer und Täter gleichzeitig gejagt, um eine Aussage zu
erhaschen. Da werden Mitmenschen ausgetrickst und belogen, um an Infos zu gelangen. Und da geht vor
allem jeder Respekt vor der Intimsphäre ab. Das alles, um die Bedürfnisse der boulevardgeilen
Oeffentlichkeit zu befriedigen. Wer nicht mitmacht, erscheint faktisch als Versager. Zumindest wird
erwartet, dass alle bereit sind, für Quoten wortwörtlich über "Leichen zu gehen".
Das ist Boulevard, meine Damen und Herren. Wenn ihr also das nächste Mal einen Blick in denselben werft
und euch von irgendeinem anderen Medium etwas vorsetzen lässt, denkt daran, dass diese "Geschichten"
oft entstehen mittels Lüge, Ueberredung, Gewichtung, Zwang, Rufschädigung, Uebertreibung, Rassismus
oder anderen Gefühlen, Vertrauensmissbrauch und so weiter. Und: die (ganze) Wahrheit ist Boulevard
selten..... Mehr Geilheit.....
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