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Zürich
11.6.1996

Ausstellungen

TeleNetCom 98.

IEx 98: Neue Produkte

IEx 98: Werbegeschenke

Wolfgang Borchert: Die Ausstellung

Internet Expo 98

TeleNetCom Wettbewerb

Internet Expo 97 (1)

Internet Expo 97 (2)

Techno-Messe

Beispiele für Träume

Erlebnismesse

Züspa gegen Jugendarbeitslosigkeit

Züspa

Freakshow

Cyberworld 96, Teil 2

Cyberworld 96, Teil 1

Oekomesse

Hanf an der Oekomesse

Tätowierungen

TeleNetCom

Israel in Zürich

Database 96

Photographie geht um die Welt

Fespo: Ferienmesse

Anne Frank

Tips und Trends aus Cyberworld, 1. Teil

Nicht die Frage, ob "Netscape oder Microsoft?"- oder aber "Zensur oder Blue Ribbon?" stand am Anfang der Organisation der Cyberworld, sondern die (physische) Lage dieser ersten grossen Multimediamesse der Schweiz. Alles, was Rang und Namen hatte in der Szene, wollte sich ausstellen. Und die Messeleitung entschied sich für die Provinz: die Cyberworld wurde in der Folge in den Berner BEA-Messehallen durchgeführt. Spezis, Geldmenschen und spielsüchtige Kids trafen sich dort zu einem internetten Stelldichein - und noch immer weiss niemand, was genau eigentlich der wage Begriff Multimedia beinhaltet. "Man" traf sich einfach, und das war der hauptsächliche Sinn des Unternehmens Cyberworld.

Die Messe der Messen

Der Propagandaaufwand im Vorfeld war gross, die Teilnahmepreise am (zentralen) Multimedia-Kongress in der BEA hoch und der Anteil der Männer bei den Vortragenden auch. Neben der eigentlichen Messe führte man einen (ausverkauften) Galaabend, eine Disco, etliche Fachreferate und Workshops zu ein paar der entscheidensten Themen durch. Die brütende Hitze war wohl nicht der Grund, dass eigentlich der Publikumsaufmarsch an der Messe nur mässig war. Das Problem lag wohl am Fehlen eines Anreizes für die interaktive $ Mittelklasse, also für jene, die aktiv mit Internet arbeiten, aber nicht wirtschaftliche Gründe haben und auch nicht nur in den Netzen rumgammeln wollen. Denn nur für solche war die Messe gemacht. Entweder waren die Angebote sehr spezialisiert oder nur sinnlose Spielereien. 70 Aussteller zeigten ihre Objekte in den Bereichen Multimedia und Internet. Der Messeleiter äusserte gegenüber Biwidus, dass gerade in den letzten Wochen und Monaten die Nachfrage enorm gestiegen sei und die Cyberworld etwa gleich viele Aussteller habe wie die ähnliche Messe in Berlin nächsten Monat.

Wir wollen in unserer Berichterstattung nur auf einige der erwähnten Punkte eingehen, denn sonst wäre es zu viel. Und weil alles eh viel zu viel ist, möchten wir das Thema sogar zweiteilen, der Anfang kommt diese Woche aufs Web, der Schluss die nächste. Zuerst wollen wir in dieser ersten Ausgabe (ironisch) einige (kritische) allgemeine Aussagen des Hamburger Trendforschers Matthias Horx wiedergeben. Unter anderem erzählte er über eine interessante Charakterstudie über uns Cybernauten. Nächste Woche behandeln wir die Gedanken des Blue Window-Chefs Peter Rudin zur Entwicklung und Zukunft von (kommerziellen) Medien auf dem Internet. Und schliesslich gehen wir noch auf einen problematischen Punkt in der Entwicklung der (internetten) Kommunikationsgesellschaft ein: die sozial gefährliche Abstinenz von Frauen auf den Netzen und die Aktionen dagegen.

Der Unterschied zwischen "Information" und "Kommunikation" (und den entsprechenden Gesellschaftsformen) liege in der vektoriellen Form, meinte Horx einleitend. Information sei ein-, Kommunikation zweiseitig (reziprok). Das sei auch das Problem. Denn viele Vorgänge in unserem Leben, hier die Medien, funktionieren nach dem Stoss-Prinzip, die Produzierenden stellen eine Dienstleistung her, die die Konsumierenden einfach nur beziehen können. Das Internet sei, dies als Vorteil, zieh-gerichtet. Wir können uns das runterladen, was wir wollen. In wenigen Worten: der Primat der Nachfrage über das Angebot. In unserer Gesellschaft ist dies ein nurmehr seltener Fall geworden. Hierzu drängt sich das virtuelle Lebensmodell des Internet also geradezu auf.

Sehr interessant erschien mir die Nurd-Studie. Diese besagt, dass die Konzentration der Cybernauten (den "Nurds") auf einen Chraktertyp (weiss, asozial, männlich, jung) unter anderem auch mit der Emanzipation der jungen Frauen der Neunzigerjahre zusammenhinge. Er setzte das Web mit einer Beziehungswüste für Beziehungsgestörte gleich, mit einer Tanzstunde für postpubertäre, unattraktive, schwächlich wirkende und asozial gewordene Typen. Diese Typen seien die Elite des Cyberworld, die überall nach einem Stecker für den Laptop suchen, nichts mit dem vielen verdienten Geld anfangen können und auf den Begriff "Sex" mit einem verständnislosen "Häh?" reagieren. Und eben: der Grund seien die Frauen, die es urplötzlich wagten, ihre Erotik und Sexualität egoistisch und ruppig einzusetzen. Und der Mann kriegte 'nen Kurschluss.

Nach Jahrzehnten der Geringachtung seien die Girls von heute viel aggressiver, viel selbstbewusster geworden. Sie seien sich ihrer Sexualität und ihrer Ausstrahlung bewusst und setzten diese als Waffe gezielt für ihren Profit ein. Sie seien dabei nicht selten bewusst auf Vernichtung aus. Dieser Typ des nur so vor Sexappeal strotzenden Girlies - gerade jetzt im Sommer besonders oft zu sehen und fatal für uns Männer (weshalb der Autor zum Beispiel nie in die Badi geht ;-) - sei eine Verunsicherung für die mit ihnen aufwachsenden "Herren der Schöpfung". Diese fühlten sich in die Enge getrieben und wichen aus in eine künstliche Welt, die klar strukturiert, logisch und sicher ist, kurz: in den Cyberspace. Nach dem Motto "ein Kater nach dem Suff oder Sex auf dem Internet sind gesünder als eine Frau, die einem verletzt", schotten sie sich ab und entziehen sich so der gefährlich gewordenen Gesellschaft. Eine gewagte, aber aus eigener Erfahrung durchaus nicht widerlegbare Behauptung.

Das Internet wird zu einem sterilen, verlustminimierenden 2. Universum, das durch Standartisierung und Kontrolle nun vermehrt in die Dienste der Wirtschaft eingeführt werden soll. Der simulierte Raum könne die Knappheit an Ressourcen in vielen Bereichen zumindest theoretisch aufheben, meinte Horx. Er gehe aber von einem digitalen Backlash aus, der im Laufe des Jahres aus Enttäuschung über das langsame und zerbrechliche Internet eintreten solle. Eine etwas seltsame und antizyklisch wirkende Theorie. Aber gerade deshalb medienwirksam. Wer sich allerdings nicht darum kümmerte, waren all die jungen Surfer, die fleissig den Gratissurf im "Cyberplanet"-Cafe in Anspruch nahmen.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus der BEA Bern.

Nächste Woche: "Es gibt was und man überlegt sich, was damit zu tun ist". Blue Window-Chef Rudin philosophiert. Und: "Internet für Frauen"; von Frauen; ohne Frauen? Die Fortsetzung des Cyberworld-Reviews kommt bestimmt. Im nächsten Biwidus.