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18.4.1996

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Das heilige Land in Zürich

Israel, das sei das verheissene Land, wo Milch und Honig fliesse, meinten die Stämme Israels, als sie in biblischer Zeit auf ihrer Flucht vor den Schergen des Pharao (wer hat den Film schon gesehen?) in Palästina einmarschierten. Der Film zeigt zwar nicht, dass damals schon andere Völker in der Wüste des angeblich gelobten (auf englisch versprochenen) Landes lebten, aber das ist ja egal. Fakt ist, dass die Söhne und Töchter Israels in Palästina vor genau 3000 Jahren eine Hochkultur aufgebaut hatten, als unsere Vorfahren noch auf allen Vieren liefen. Genau vor 3000 Jahren soll nämlich der sagenhafte König David (genau der mit der Schleuder!) SEINE Hauptstadt Jerusalem und den ersten Tempel mitten in die judäischen Berge gestellt haben. Mit verschiedenem Geschichtsglück lebten die Juden und Jüdinnen noch 1000 weitere Jahre dort, bevor sie dann 70 n. Chr. von den Römern in die Diaspora vertrieben worden sind. Dies natürlich nach heftiger Gegenwehr und mehrfachem gegenseitigen Massen-Selbstmord.

Jahrhundertelang wurde dann die wüstenartige Scholle von unzähligen Eroberern (in der Regel männlich - was machten die Frauen eigentlich?) heimgesucht, die alle ihre Spuren hinterlassen haben. Nicht nur kulturell. Man schätzt, dass sich an die hundert Religionen und Religiönchen (inkl. Sekten aller Art) heute in der Gegend tummeln. Auch historisch, mit vielen dazugehörenden Bauten. Die Erde war schon immer blutgetränkt gewesen, aber als in diesem Jahrhundert Millionen von Juden und Jüdinnen auf die Idee kamen, dem Ruf eines Gelehrten (i.e. Theodor Herzl) zu folgen und in Erez Israel einzuwandern (Aliyah nennt mensch diesen Vorgang), brach quasi die Tollwut aus in der Gegend. Millionen und Abermillionen von Arabern, die einander bisher erfolgreich an die Gurgeln gegangen waren, hatten einen neuen gemeinsamen Feind gefunden: den jüdischen Staat. Und den galt es auszuradieren, zu welchem Zweck und mit welchen Mitteln auch immer. Und so entstand eben der Nahostkonflikt.

Wieso ich all das erzähle? Na, weil ich als Studi sozusagen Nahostexperte werden möchte. Und weil Israel ein massiv faszinierendes, kulturell und historisch erregendes, sowie aber auch enervierendes Land ist. Das ist noch nicht alles. Jerusalem wird dieses Jahr angeblich 3000 Jahre alt. und zu diesem Zweck wird nicht nur in der Hauptstadt der "westlichen Zivilisation" (sic!) fleissig gefeiert, sondern auch im Ausland. So auch in Zürich, wo unser Stapi Sepp E. im Beisein des Herrn Botschafters Padon (Israels natürlich) und vielen anderen Notabeln die Ausstellung "Photography in Israel" eröffnete. Bis Ende Mai zeigen zehn junge israelische PhotographInnen ihre Oeuvres in den sonst langweiligen Gängen des Stadthauses.

Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Israel Museum in Jerusalem organisiert und gilt als eines der Standbeine der 3000-Jahr-Aktivitäten im Ausland. Nach vielen Etappen machte sie nun Halt in Zürich, im Stadthaus. Die Bilder von Yosaif Chain, Pesi Girsch, Yossi Breger, Simcha Shirman, Judy Orgel Lester, Morel Derfle, Avi Ganor, Judith Guetta und Bareket Ben Yaakov seien Teil des "geistigen Erbes der Menschheit", liess unser Stapi verlauten. Kann sein. Vor allem aber sind sie ziemlich alltäglich. Nein, detailgetreu wäre wohl eher das richtige Wort. Ihnen ist gemeinsam, dass sie eine Objektverliebtheit zur Schau stellen, die ich von anderen PhotographInnen kaum kenne. Die Bilder beweisen eine (obschon vielleicht mal Weitwinkel) intensive Nähe zum photographierten Objekt. Die Bilder sind nicht immer nur "Bilder" im ursprünglichen Sinn, hie und da wagen sich die KünstlerInnen auch an andere Abbildungstechniken. Abgesehen von Collagen sind hier vor allem popartige Gemälde-Photos zu nennen, Lithographien fast.

Die KünstlerInnen und ihre Fähigkeiten in Ehren, aber vom Stuhl gerissen haben mich diese Photos nicht unbedingt. Noch viel weniger war ich begeistert vom immenschen Sicherheitsaufmarsch. Vor dem Tor stand ein Schmierenwagen, am Tor ein paar Sicherheitsleute. Profis allerdings. Nicht, wie bei uns, generell geistig umnachtete Securitate-Leute. Offensichtlich war hier ein Gast anwesend, der sich vor einem immaginären Feind schützen musste. Ein (wenn auch zugegebenermassen sympathischer) solcher Zivilbulle quatschte mich sogar an, ob ich von der Presse sei und das nachweisen könne. Als ob ich zum Spass eine Beta UVW-100 spazieren trage (unsere Kamera). Gut, zumeist sind sie ganz höflich, ja sogar nett. Und wie! Zum Beispiel die süsse Kleine auf dem Flughafen Ben Gurion.....

Von immaginärem Feind konnte ja wohl nicht die Rede sein. Ein paar Stunden vorher hatte die israelische Luftwaffe absichtlich ein unter UNO-Schutz stehendes Flüchtlingslager im Südlibanon angegriffen. Bis am nächsten morgen waren fast hundert Leichen geborgen worden. Und die Regierung Peres machte auf stark und "sorry, aber es musste sein". Von Versehen sprach niemand, denn die IDF (Israeli Defence Forces) gilt als eine der besten Armeen überhaupt. Jedenfalls standen diese Stunden im Zeichen des Nahostkonfliktes. Und mitten in diesen Stunden fand in Zürich ohne Rücksicht auf die Ereignisse eine Vernissage statt. Der Stadtpräsident habe nicht geruht, die Nachrichten zu hören, meinte er. Aber warum hatte ihn niemand darauf aufmerksam gemacht? Warum hat sein Stab nicht zumindest die Frage eingeworfen, aus Gründen der Pietät auf diese Veranstaltung zu verzichten? Fragen über Fragen. Und als ich ihn fragte, was er gemacht hätte, wenn er es gehört hätte, sprach er von "einer traurigen Realität" und "Sicherheitsüberlegungen", die man gemacht habe.

Der Duden beschreibt diese Haltung mit "Zynismus". Mirnixdirnix wurde die Veranstaltung wie geplant weitergeführt. Keine Schweigeminute für die Toten dieses Anschlages, kein Wort darüber, dass Jerusalem nicht nur eine traumhaft schöne Stadt sei, sondern auch der alptraumhafte Ort, an dem todesverachtende Befehle erteilt werden. Befehle, die im Widerspruch gegen bestehendes Völkerrecht und gegen UNO-Resolutionen stehen. Ich möchte die Feinde Israels nicht besser machen, als sie sind, die Hisbollah ist eine geistesgestörte Horde von Mördern, aber hier musste ein Machtwort gesprochen werden. Dem Tod musste Reverenz erwiesen werden. Aber niemand hatte den Mumm dazu. Sepp E. sprach dafür von "Hoffnungslosigkeit" und "Entsetzen".

Als Biwidus nachhaken wollte und Parallelen zur sehr, sehr problematischen Haltung Zürichs zu China ansprach, hielt er das für eine "witzige Frage". Dann aber wurde er wieder ernst. Es gehe darum, eine "gemeinsame Weltkultur aufzubauen", und das gehe nur miteinander und nicht gegeneinander. Klingt schön. Aber sonst? Herr Estermann war gemäss seinen eigenen Angaben vor etwa 4 Jahren in Jerusalem auf Einladung des Bürgermeisters Teddy Kollek. Es fragt sich, ob er auch die negative Seite der "Goldenen" und von mir aus auch "ewigen" Stadt gesehen hat. Denn er sprach von einer "integrierten" Gesellschaft. Der Autor dieses Artikels hat andere Erfahrungen gemacht. So nicht, Herr Bürgermeister. Es ist klar, dass Kunst und Krieg nicht dasselbe sind und getrennt behandelt werden müssen. Aber verlangt der Geist von 100 Toten nicht wenigstens etwas Gedenken? Kinder, Mütter und Alte wurden zerfetzt durch den Angriff, während die Hisbollah den verlassenen Kindergarten der verlassenen Stadt Qiryat Shimona traf - sozusagen zufällig, denn ihre Katjuschas gelten als denkbar ungenaue und primitive Raketen.

Die Ausstellung im Stadthaus stand von Anfang an unter einem denkbar schlechten Stern. Es war sicherlich ein Zufall, aber es ist zu wünschen, dass auch Zürich in seiner Forderung nach Solidarität mit der Welt nicht auf eine kritische Haltung gegen Mitmenschen verzichtet, die gegen grundlegendste Gesetze des Zusammenlebens verstossen. Zürichs Verhältnis zu China und Kungming ist schon fragwürdig genug. Lassen wir es nicht weiter kommen.

Die Ausstellung dauert noch bis am 31. Mai und kann unter der Woche zwischen 10.00 Uhr und 18.00 Uhr angesehen werden.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus dem Stadthaus Zürich