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Zürich
15.9.1996

Ausstellungen

TeleNetCom 98.

IEx 98: Neue Produkte

IEx 98: Werbegeschenke

Wolfgang Borchert: Die Ausstellung

Internet Expo 98

TeleNetCom Wettbewerb

Internet Expo 97 (1)

Internet Expo 97 (2)

Techno-Messe

Beispiele für Träume

Erlebnismesse

Züspa gegen Jugendarbeitslosigkeit

Züspa

Freakshow

Cyberworld 96, Teil 2

Cyberworld 96, Teil 1

Oekomesse

Hanf an der Oekomesse

Tätowierungen

TeleNetCom

Israel in Zürich

Database 96

Photographie geht um die Welt

Fespo: Ferienmesse

Anne Frank

The Freaks of Zurich

Wer in und um Zürich durch den Alltag schreitet, sieht nun wirklich einen "Freak" nach dem anderen. Nichtsdestotrotz hat sich das Palais X-tra einen neuen Scherz in diese Richtung erlaubt. Mitten in die hedonistisch-sexualisierten 90er, wo plötzlich alle durchdrehen und das Gefühl haben, dadurch, dass sie sich besonders auffällig geben, könnten sie die Welt verändern (oder geht es wirklich nur um sie selbst und ihr sexuelles Wohl???). Ein paar Tage lang herrscht im Palais jedenfalls das Schräge, das Ausgefallene.

Für zehn Stutz kann mensch sich in die Welt der Jahrmärkte, der Ausgestellten und der Scharlatane verführen lassen. Ob Tarot, Handlesen oder I Ging, auf der einen Seite herrscht das Geheimnisvolle. Für einen kleinen Betrag, kann sich der/die Leichtgläubige genau so in die Karten schauen lassen, wie auch der/die ZweiflerIn, der/die das zum Spass macht. Dabei läuft besinnliche Musik im HIntergrund. Das Publikum kann dabei sein, wenn die Schicksale einer verlorenen Generation ;-) offengelegt werden.

In der Mitte steht ein Zelt mit Mikrophotographien von freakigen Schaugestellten um die Jahrhundertwende. Dabei muss mensch durch kleine Löcher in einer Camera obscura schauen und taucht damit erst recht in eine weit entfernte, fremde, unwahre Welt ein. Die Photos sehen zugleich ekelerregend und auch faszinierend aus, ein Muss für Freaks und Normalos. Ob Menschen mit missgestalteten Elefantenfüssen, vierbeinige Missgeburten, überfette Kinder, Frauen mit Bärten und/oder ohne Unterleib oder andere "Launen der Natur", es gibt so vieles zu begaffen. Dabei ist mensch angewidert von so viel Sensationslüsternheit unserer Ureltern.

Aber leben nicht auch wir in einem Jahrmarkt der vom Schicksal gestraften, wo alles zur Schau gestellt und gnadenlos zur eigenen Befriedigung und Sensationslust ausgestellt wird, gerade im Zeitalter der Boulevardmedien? Aber früher waren das einfach nur Freaks, heute sind es "normale" Menschen, die sonst irgendwelche Probleme haben. Und schon damals machte mensch Kapital aus solchen vom Schicksal gestraften Menschen. Heute tun uns solche Menschen einfach leid, deshalb stecken wir sie in Heime und isolieren sie von der Welt. Ja, wir versuchen mittels pränataler Diagnostik und Abtreibung, solche "Missgeburten" erst gar nicht auf die Welt kommen zu lassen.

Mit einem kleinen Aufpreis kann der/die BesucherIn auch einen kleinen Zirkus und andere Belustigungen anschauen, Jahrmarktatmosphäre herrscht im engen Palais. Wir wollen und sollen unterhalten werden. Zugleich aber wird uns ein Spiegel vorgehalten: früher war es anders, aber doch gleich. Schon damals befriedigte mensch sich an Schicksalsschlägen anderer, heute tun wir daselbe (aufgeklärt und mitfühlend, wie wir sind) einfach etwas anders. Was ist nun besser?

Zu verdanken haben wir diese Photoausstellung dem japanischen Kunstsammler Akimitsu Naruyama, der die Bilder des amerikanischen Photographen Charles Eisenmann fleissig gesammelt hat - zu seiner eigenen Befriedigung übrigens, denn der Mann gilt selber als Exzentriker -oder um einen Freak, um dieses heute inflationär gebrauchte Wort zu verwenden. Das ändert nun aber nichts an der Tatsache, dass auch wir heute von Freaks umgeben sind, mit dem Unterschied allerdings, dass die Freaks von heute freiwillig Freaks sind und ihre Lust dadurch befriedigen, dass sie selbst in einer angeblich gleichgeschalteten Gesellschaft auffallen. Tempora mutantur. Die Zeiten ändern sich. Oder genauer: durch die Zeit wird geändert. Cool. Freaky. "Freak" bedeutet übrigens gemäss dem "alten" Duden (1991): "jemand, der sich nicht in das normale bürgerliche Leben einfügt; fanatisch für etwas Begeisterter"). Trifft heute irgendwie besser zu.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus dem Palais X-tra Zürich