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Die verbotene Frucht: Hanf an der Oeko 1996
"Der Beruf des Hanfmüllers im 16. Jahrhundert", so oder ähnlich klingen heute
immer mehr Untersuchungen und Arbeiten an den Hochschulen, wie hier am
Historischen Seminar der Uni Zürich. Dort und andernorts ist eine Annäherung an
die in unseren Breiten hervorragend wachsende Kulturpflanze Hanf festzustellen.
Cannabis sativa, wie die Gelehrten sie nennen, sei "eine der ältesten
Kulturpflanzen der Welt und könnte helfen, die Menschen ausreichend mit
Kleidung, Papier, Oel, Brennstoff, Nahrung, Baumaterial und vielen Medizinen zu
versorgen". Dies schreibt Jack Herer in seinem zum Kultbuch gewordenen Werk "Die
Wiederentdeckung der Kulturpflanze Hanf".
Hanf, das ist auch eines der Spezialthemen der Messe Oeko Zürich 96, die diese
Woche durchgeführt wird. Ganz nach dem Messemotto "Es ist ganz klar, dass die
Oekoszene -und somit auch die Oeko Zürich - dem wirtschaftlichen Strukturwandel
gerecht werden muss", werden die wichtigsten Vertreter der Schweizer Hanfszene
an einer Sonderschau zu diesem Thema teilnehmen. Neben dem Verkauf von
Hanfprodukten (Kleider, Baumaterialien, Kosmetika) wird als Höhepunkt am Samstag
eine Hanf-Modeschau durchgeführt. Models und Dressmen in Hanfjeans, Hanfgilets,
Hanfschuhen und Hanfmützen werden dabei über den Steg gehen. Hanftextilien, so
weiss man, sind mit Leinen verwandt, geben aber Feuchtigkeit viel schneller
ab.
Doch diese Pflanze ist auch verpönt, ihr Handel und der Besitz nur gesetzlich
erlaubt, wenn sie nachweislich zu legalen Zwecken dienen. Und hier irgendetwas
nachzuweisen, ist nicht so einfach, wie es der Fall eines Tessiner
Hanfölimporteurs vor einem Jahr beweist. Er konnte sein Hanföl erst nach Wochen
importieren, als Untersuchungen feststellten, dass der Gehalt an THC
(Tetrahydrocannabiol - der Wirkstoff im Hanf) innerhalb der vom Staat gesetzten
Grenzwerte sei. Dies mussten auch die in den letzten Jahren eröffneten
Hanfgeschäfte des öfteren feststellen. Eines dieser Geschäfte ist das Hanfcenter
an der Zürcher Aemtlerstrasse.
Die eigentlichen Renner seien Textilien und Papier, aber auch Kosmetika, meinte
der Geschäftsleiter des Hanfcenters, Mauro Berrini, und das Ziel nicht nur,
diese Hanfprodukte zu verkaufen, sondern auch darüber zu informieren, welche
Möglichkeiten man damit hat. 98% der Einsatzmöglichkeiten des Hanfes seien
nämlich legal. Das Hanfcenter ist eines der führenden Geschäfte der 15
anwesenden Vertreter der Schweizer Hanfszene und werden eine regelrechte
Produktepräsentation mit beweglichen Puppen durchführen.
Wer sich damit beschäftigt, wundert sich, welche ungeahnten Möglichkeiten in
diesem (Un)Kraut stecken. Mit Hanföl können wir delikate Salatsaucen machen, auf
Hanfpapier Liebesbriefe schreiben, mit Hanfsamen Brote verfeinern, Medizin gegen
Lungenleiden herstellen und in reissfesten Hanfkleidern durch die Gegend laufen.
Hanf wird je länger je mehr zur Nutzpflanze. Es gibt auch immer mehr Hanfbauern,
die die bis zu drei Meter hoch wachsende Schlingpflanze trotz des Risikos auf
ihren Feldern im Thurgau, im Bernbiet oder im Tessin anpflanzen. Und Hanf ist
viel ökologischer als das Gegenstück Baumwolle. Gerade in unseren Kreisen wächst
Hanf ohne jede chemische Keule und kann von der Wurzel bis zur Blüte fast
vollständig verwertet werden.
Wer heute bei uns Hanf anbaut, riskiert entweder, dass Jugendliche in einer
Nachtund Nebelaktion auf der Suche nach Rauchbarem in sein Feld eindringen oder
dass in einem Anfall von Diensteifer die Polizei seine Kulturen beschlagnahmt.
Das gilt auch für "Kleinbauern" auf ihren Balkonen. Es wird angenommen, dass die
Legalisierung und die teilweise Umstellung des produzierenden und konsumierenden
Marktes auf das vielseitige Hanf eine Alternative für unsere Bauern sein könnte.
Aus Hanf kann sich quasi der halbe Haushalt zusammenstellen lassen.
Sicherlich hat das Thema auch eine Magnetwirkung, gerade auf Jugendliche, meinte
Patrick Rohner von der Messeleitung, Hanf sei trendy. Aber heute sei die uralte
Kulturpflanze keine Provokation mehr, zumal die politische Ebene an der Messe
ganz in den Hintergrund rücke und die Produktebene entscheidend sei. Vielleicht
aus diesem Grunde hat die Messeleitung bisher auch keine Probleme mit dem Gesetz
bekommen. Patrick Rohner meint aber augenzwinkernd, dass man zuerst die
Eröffnung der Messe abwarten solle, um sich ein Urteil darüber zu bilden.
Die Oeko Zürich 1996 hat auch andere Höhepunkte, wie eine Oeko-Drogerie, eine
Bio-Schaubäckerei, eine Sonderschau über Lebensmittelzusätze (die berüchtigten
E-Nummern) und den Verkauf von Hydrowachsbeizen für Möbel Das Thema Hanf hat
allerdings an sich schon etwas spezielles und wird demzufolge sehr viele
Besucher anziehen. Dabei hat die Legalisierungsdiskussion mit den beiden
Volksinitiativen in knapp einem Jahr noch gar nicht angefangen.
Biwidus wird versuchen, an der Messe Zürich dabeizusein und einen Bericht
darüber in die nächste Ausgabe zu bringen. Aber sowohl Chefredaktor, als auch
Cheftechniker können nicht an eine Hanfsonderschau, ohne dass es für sie eine
Versuchung ist. Deshalb können wir für noch nichts garantieren... Jedenfalls
gibt es für die, die sich für dieses brennende Thema interessieren ;-) mehr
Infos bei der deutschen Hanf-Connection. Viel Spass
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