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Zürich
30.5.1996

Ausstellungen

TeleNetCom 98.

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Eso-Kapitalisten, Körnlipicker und Hanf-Freaks: Oeko 96

Früher waren "Grüne" einmal langhaarige, birkenstockschuhetragende, besserwisserische und anarchische Bewegte, die mittels Gegengesellschaft die sterbende Welt wieder aufs rechte Gleis rücken wollten. Der Oeko-Typ 1996 ist aber nicht mehr derselbe wie vor zehn Jahren, als die ersten Oekomessen durchgeführt wurden. Den gibt es zwar immer noch, so den Zurück-zur-Natur-Groove mit Holzhäusern und Bio-Food bis zum Umfallen. Aber es gibt auch eine Kapitalisten-, eine Körnlipicker- und eine Hanffraktion in der Bewegung. Ihnen steht ein breit gemischtes Publikum entgegen, primär aus mittelständischen Familien mit Kindern und jungen Leuten.

Die Kapitalistenfraktion, sehr heterogen und in die anderen Fraktionen hineingreifend, wird durch diejenigen hellen Köpfe gebildet, die in der Anfangs der Achtzigerjahre erstarkten grünen Bewegung ihr finanzielles Heil sahen. Sofort sind sie auf die wirtschaftlich stärksten Trends aufgesprungen und konnten in der Zeit der Konjunktur dem selbstbewussten grünen Kleinbürgertum das Geld aus der Tasche ziehen. Hauptvertreter dieser Fraktion sind die verschiedenen Eso-Freaks. Mittels Hi-Tech (Aura-Kameras und Handlese-Computern), unzähligen heilversprechenden Büchern und einem Megapotential an psychologischer Ueberzeugungskraft versuchen sie, sich durch die unsicheren Neunzigerjahre zu retten. Aufgrund des regen Interesses für die modernen HandleserInnen und des zahlreich vorhandenen Eso-Kitsches für Gläubige (irgendwelche Meditations- oder Glückssteine usw.) konnte mensch ersehen, dass sie entweder von der allgemeinen Unsicherheit erst recht durch messianische Heilsversprechen profitieren oder einfach nur etwas von keynesianischer Wirtschaftspolitik verstehen und sich antizyklisch verhalten.

Die grösste Gruppe sind und waren schon immer die KörnlipickerInnen, die BiofoodistInnen und BirkenstockschuhträgerInnen. Die "echten" Grünen halt, die ein E-Mobil trotz des politischen Paradigmenwechsels noch immer dem Auto vorziehen. Ihre Präsenz und ihr Selbstbewusstsein waren ziemlich deutlich. Fasznierend ist es schon, wie tief sich das Oekobewusstsein der letzten Jahrzehnte eingeprägt haben muss. Obschon viele der anwesenden HändlerInnen unter vorgehaltener Hand über die Rezession klagen, ist es schon faszinierend, welche Facetten "Oeko" haben kann. Wer es sich leisten kann, kann heute fast alles "oeko" haben. Ob Oekowein, Oekobier, Oekoöl oder Oekohaus, fast alles kann in integrierter, naturnaher oder sonstwie belabelter Version erstanden werden - vorausgesetzt, dass das Geld dafür fliesst. Besonders eindrücklich war in diesem Rahmen die Cotton Road, die einen neuen Weg der naturnahen und entwicklungspolitisch sinnvollen Baumwollproduktion aufzeigen wollte. Eher als amüsant ist dabei der Auftritt der Wädenswiler Brauerei Wädi-Bräu anzusehen, die für sich mit der "kleinsten Bierflasche der Welt" wirbt.

Schon mehrfach hat Biwidus über den ökologischen Rohstoff Hanf und seine Vorteile berichtet. Trotzdem soll dieses an der Oeko 96 in einer Sonderschau behandelte Thema hier noch einmal im Sinne eines Rückblickes angeschnitten werden. 11 Aussteller boten dem wie geplant interessierten Publikum ihre Produkte aus Hanf an. Dieser vermag, wie wir wissen, mit seiner apokalyptischen Vielseitigkeit eine "grüne" Revolution auszulösen. Neuerdings wurden sogar Hanfschnaps und Hanfturnschuhe (mit drei Streifen) verkauft. Merke: Hanföl kannst Du sowohl für den Salat, als auch für Deine Haut brauchen. Zugegeben: das Zeug (Hanf) ist natürlich wegen der wirtschaftlichen Nischenlage noch sehr teuer, aber fesch und ein "Muss" für uns Progressive. Ueberhaupt hatte diese Ausstellung durchaus auch einen politischen Aspekt. Unverhohlen wurde für den Rohstoff und damit auch seine Legalisierung (auch zu Konsumzwecken) geworben. Damit schafft es die "Hanfbewegung", den hanffeindlichen kapitalistichen Staat mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen.

In den drei Hallen der Messe Zürich wurde ein stellvertretender Querschnitt aus der heutigen Oekoszene gezeigt. Themenspezifisch gegliedert stellten verschiedenste Firmen ihre Produkte aus und informierten die BesucherInnen kompetent über die oft noch sehr wissenschaftlich wirkenden Vorteile der Oeko-Wirtschaft. Messeleiter Patrick Rohner hob dabei auch diplomatisch die didaktische Wirkung der Messe hervor: "Mehr noch als der Verkauf liegt für mich das Informieren im Vordergrund". Damit zeigte er auch indirekt das Problem auf: dass der Verkauf harzt, dass Oeko schon lange nicht mehr so blüht wie die teuer verkauften Knospen-Produkte.

Entsprechend hielt sich der BesucherInnenandrang in engen Grenzen.Im Zeitalter der Rezession kann und will sich niemand mehr mit den teuren Bio-Produkten einlassen. Und die Konzentration des mittelständischen Kleinbürgertums in sozialen und ökologischen Fragen wird auch an dieser Messe fatal deutlich. Darauf angesprochen meinte der Messeleiter: "Oekologie ist einfach teurer, das lässt sich nicht vermeiden." Trotzdem zeigt Rohner sich optimistisch und meint, dass trotz der schwierigen Zeit noch immer viele an eine naturnahe und nachhaltige Gegenwirtschaft glauben. Nur: wie teuer darf "oeko" sein, Herr Rohner?



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus der Messe Zürich