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Eso-Kapitalisten, Körnlipicker und Hanf-Freaks: Oeko 96
Früher waren "Grüne" einmal langhaarige, birkenstockschuhetragende,
besserwisserische und anarchische Bewegte, die mittels Gegengesellschaft die
sterbende Welt wieder aufs rechte Gleis rücken wollten. Der Oeko-Typ 1996 ist
aber nicht mehr derselbe wie vor zehn Jahren, als die ersten Oekomessen
durchgeführt wurden. Den gibt es zwar immer noch, so den Zurück-zur-Natur-Groove
mit Holzhäusern und Bio-Food bis zum Umfallen. Aber es gibt auch eine
Kapitalisten-, eine Körnlipicker- und eine Hanffraktion in der Bewegung. Ihnen
steht ein breit gemischtes Publikum entgegen, primär aus mittelständischen
Familien mit Kindern und jungen Leuten.
Die Kapitalistenfraktion, sehr heterogen und in die anderen Fraktionen
hineingreifend, wird durch diejenigen hellen Köpfe gebildet, die in der Anfangs
der Achtzigerjahre erstarkten grünen Bewegung ihr finanzielles Heil sahen.
Sofort sind sie auf die wirtschaftlich stärksten Trends aufgesprungen und
konnten in der Zeit der Konjunktur dem selbstbewussten grünen Kleinbürgertum das
Geld aus der Tasche ziehen. Hauptvertreter dieser Fraktion sind die
verschiedenen Eso-Freaks. Mittels Hi-Tech (Aura-Kameras und Handlese-Computern),
unzähligen heilversprechenden Büchern und einem Megapotential an psychologischer
Ueberzeugungskraft versuchen sie, sich durch die unsicheren Neunzigerjahre zu
retten. Aufgrund des regen Interesses für die modernen HandleserInnen und des
zahlreich vorhandenen Eso-Kitsches für Gläubige (irgendwelche Meditations- oder
Glückssteine usw.) konnte mensch ersehen, dass sie entweder von der allgemeinen
Unsicherheit erst recht durch messianische Heilsversprechen profitieren oder
einfach nur etwas von keynesianischer Wirtschaftspolitik verstehen und sich
antizyklisch verhalten.
Die grösste Gruppe sind und waren schon immer die KörnlipickerInnen, die
BiofoodistInnen und BirkenstockschuhträgerInnen. Die "echten" Grünen halt, die
ein E-Mobil trotz des politischen Paradigmenwechsels noch immer dem Auto
vorziehen. Ihre Präsenz und ihr Selbstbewusstsein waren ziemlich deutlich.
Fasznierend ist es schon, wie tief sich das Oekobewusstsein der letzten
Jahrzehnte eingeprägt haben muss. Obschon viele der anwesenden HändlerInnen
unter vorgehaltener Hand über die Rezession klagen, ist es schon faszinierend,
welche Facetten "Oeko" haben kann. Wer es sich leisten kann, kann heute fast
alles "oeko" haben. Ob Oekowein, Oekobier, Oekoöl oder Oekohaus, fast alles kann
in integrierter, naturnaher oder sonstwie belabelter Version erstanden werden -
vorausgesetzt, dass das Geld dafür fliesst. Besonders eindrücklich war in diesem
Rahmen die Cotton Road, die einen neuen Weg der naturnahen und
entwicklungspolitisch sinnvollen Baumwollproduktion aufzeigen wollte. Eher als
amüsant ist dabei der Auftritt der Wädenswiler Brauerei Wädi-Bräu anzusehen, die
für sich mit der "kleinsten Bierflasche der Welt" wirbt.
Schon mehrfach hat Biwidus über den ökologischen Rohstoff Hanf und seine
Vorteile berichtet. Trotzdem soll dieses an der Oeko 96 in einer Sonderschau
behandelte Thema hier noch einmal im Sinne eines Rückblickes angeschnitten
werden. 11 Aussteller boten dem wie geplant interessierten Publikum ihre
Produkte aus Hanf an. Dieser vermag, wie wir wissen, mit seiner apokalyptischen
Vielseitigkeit eine "grüne" Revolution auszulösen. Neuerdings wurden sogar
Hanfschnaps und Hanfturnschuhe (mit drei Streifen) verkauft. Merke: Hanföl
kannst Du sowohl für den Salat, als auch für Deine Haut brauchen. Zugegeben: das
Zeug (Hanf) ist natürlich wegen der wirtschaftlichen Nischenlage noch sehr
teuer, aber fesch und ein "Muss" für uns Progressive. Ueberhaupt hatte diese
Ausstellung durchaus auch einen politischen Aspekt. Unverhohlen wurde für den
Rohstoff und damit auch seine Legalisierung (auch zu Konsumzwecken) geworben.
Damit schafft es die "Hanfbewegung", den hanffeindlichen kapitalistichen Staat
mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen.
In den drei Hallen der Messe Zürich wurde ein stellvertretender Querschnitt aus
der heutigen Oekoszene gezeigt. Themenspezifisch gegliedert stellten
verschiedenste Firmen ihre Produkte aus und informierten die BesucherInnen
kompetent über die oft noch sehr wissenschaftlich wirkenden Vorteile der
Oeko-Wirtschaft. Messeleiter Patrick Rohner hob dabei auch diplomatisch die
didaktische Wirkung der Messe hervor: "Mehr noch als der Verkauf liegt für mich
das Informieren im Vordergrund". Damit zeigte er auch indirekt das Problem auf:
dass der Verkauf harzt, dass Oeko schon lange nicht mehr so blüht wie die teuer
verkauften Knospen-Produkte.
Entsprechend hielt sich der BesucherInnenandrang in engen Grenzen.Im Zeitalter
der Rezession kann und will sich niemand mehr mit den teuren Bio-Produkten
einlassen. Und die Konzentration des mittelständischen Kleinbürgertums in
sozialen und ökologischen Fragen wird auch an dieser Messe fatal deutlich.
Darauf angesprochen meinte der Messeleiter: "Oekologie ist einfach teurer, das
lässt sich nicht vermeiden." Trotzdem zeigt Rohner sich optimistisch und meint,
dass trotz der schwierigen Zeit noch immer viele an eine naturnahe und
nachhaltige Gegenwirtschaft glauben. Nur: wie teuer darf "oeko" sein, Herr
Rohner?
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