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Drogen
Coop-Hanf-Tee
Vom Hanf-Skandalprozess
Kiffertypen
Zigis (oder anderes) drehen
ZH, BL und SO meinen: Legalisieren!
Heroinabgabe
Jugendsession 96
Expovina 96
Drogendatenbank
Weinernte 95
Suchtprävention 1996
Hanffestival
Alkohol- Konditionierung
Bex 96
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Süchtige Jugend(session)
Heutzutags schreit kein Hahn mehr danach - und niemand hört davon, aber wie schon
letztes Jahr wurde der ehrwürdige Saal des Nationalrates von
Leuten - aktuellen oder zukünftigen BürgerInnen - besetzt, die dort sonst nichts zu
suchen haben: von uns Jugendlichen. Einmal mehr, das fünfte Mal, hiess es: Jugendsession,
diesmal zum Thema Sucht und Drogen. 200 Jugendliche aus der ganzen Schweiz wurden
ausgewählt, um drei Tage lang zu debattieren und sich zu diesem Thema mit Forderungen
an den Bund zu äussern.
Lange hatte mensch sich in der Bewegung gedrückt, sich mit dem Thema Drogen zu
beschäftigen. Es lag immer die Angst in der Luft, dass mensch einmal
mehr von den Erwachsenen mit dem Thema identifiziert wird. Nun, 1996, nachdem die
offenen Szenen "aufgelöst" worden sind und die drogenpolitischen Initiativen
"Jugend ohne Drogen" und "Droleg" anstehen, hat das OK das Thema wieder der Schublade
entnommen. Und prompt meldeten sich hunderte von Jugendlichen an. 200 von ihnen wurden
nach einem Quotenprinzip repräsentativ ausgewählt.
Am Donnerstag traf mensch sich in den jeweiligen Gruppen, die sieben Unterthemen
besprechen mussten. So konnten verschiedene Ansätze und Teilbereiche der komplexen
Thematik abgedeckt werden. Zuerst lernte mensch sich kennen, gerade in diesem sehr
emotionalen Thema war das wichtig. Sofort gingen die Gruppen dann auf die beiden
Initiativen ein, mehrheitlich kamen sie zum Schluss, dass die Jugendsession zu den
Vorlagen eine Stimmempfehlung abgeben soll. Nach dem Abendessen gingen die Gruppen
mit ihren LeiterInnen in den "Ausgang" - das zum Thema Drogen und Sucht.
Im Hintergrund lief währenddessen noch einiges ab. Auf einen Hinweis einer Teilnehmerin
hin, stellte das OK fest, dass das reaktionären Kreisen und dem VPM
(Verein für psychologische Menschenkenntnis) nahestehende Komitee "Jugend ohne Drogen"
den Teilnehmenden Propagandamaterial zugeschickt hat, ohne das OK zu fragen. Dieser
unfaire Akt war wohl nur möglich mit Hilfe von TeilnehmerInnen, die mit dem Komitee
zusammenarbeiten. Das OK informierte die jungen Leute und distanzierte sich entschieden
davon. Es wurde ein Protestbrief angekündigt.
Am nächsten Morgen kam mensch trotz des Ausgangs und der entsprechenden Folgen wieder
zusammen und raufte sich über Vorschläge für Forderungen zusammen. Es gab immer wieder
gute Ideen und Ansätze, aber schliesslich und endlich musste auch ein bisschen
Demokratie geübt werden. Die einen mussten andauernd gebremst werden, die anderen
aus der Reserve gelockt, es gab einiges zu tun für die jungen Gesprächsleitenden.
Die Vorgabe war klar: Forderungen für das Plenum vom Samstag zu erstellen. Zum Teil
musste dafür ein Kaiserschnitt angewendet werden, aber schliesslich gelangs doch den
meisten AGs.
Am Freitagabend war Fest angesagt. Zum fünften Jahrestag der Session wurde eine kleine
Fete organisiert, wo drei Newcomer-Bands aus den Sprachgebieten und ein DJ
auftraten. Na ja, das Fest an sich war ganz fein, hat aber anscheinend niemanden aus
den Schuhen gehauen. Währenddessen arbeitete eine Abordnung des OKs fleissig an den Forderungen
und übersetzte die von den Jugendlichen eingebrockte Suppe. Ein Minimumrekord in Sachen
Forderungen in der fünfjährigen Sessionsgeschichte waren die Folge. Einmal mehr bewiesen
die Jugendlichen, dass sie trotz aller guten Stimmung seriöse Arbeit zu leisten in der
Lage sind.
Ausgeschlafen ging mensch den entscheidenden Samstag an. Die aus fünf Leuten
bestehende unerlaubte Kasperlitheater-Demonstration der wahlkämpfenden Jung-SVP wurde
von den SessiönlerInnen weitgehend ignoriert oder bestenfalls als Kuriosum belächelt,
zu mehr hatte mensch einfach keine Zeit. Die letzten Vorbereitungen wurden
noch in der Minute vor dem Plenum im Nationalratssaal abgeschlossen, die Arbeitsgruppen
erarbeiteten Gegenanträge zu den eingegangenen Petitionen und Resolutionen, das OK
versuchte, den Nachmittag minutiös zu strukturieren. Die drei ComoderatorInnen begannen
die Session pünktlich, Frau Bundesrätin Ruth Dreyfuss hielt im Namen des Bundes und
des Innenministeriums die Eröffnungsrede.
Der Reihe nach wurden 21 Petitionen und Resolutionen behandelt und 17 davon zuhanden
der Bundesversammlung und anderer Institutionen verabschiedet. Dabei stachen einerseits
die sehr realistischen Forderungen ins Auge, z.B.für familienfreundliche
Arbeitsmodelle, für die kontrollierte Abgabe harter Drogen an Schwerstsüchtige und
gegen eine totale Legalisierung hervor. Besonders eindrücklich waren die
überwältigende Mehrheit für die Legalisierung von Besitz, Handel und Konsum von
weichen Drogen (insbesondere
von Cannabisprodukten) für den Eigenbedarf und die noch viel deutlichere Ablehnung der
Volksinitiative "Jugend ohne Drogen". Die Droleg-Initiative genoss dafür grosse
Sympathie, wenn sie auch knapp bei vielen Enthaltungen als zu extrem abgelehnt wurde.
Die Jugendlichen politisierten zwar frisch, aber dennoch seriös und verantwortungsbewusst.
Immer wieder wurden Statements für einen vernünftigen Umgang mit der Problematik mit
Applaus begrüsst. Tendenziell war mensch zwar sehr liberal eingestellt, sicher eher
auf der Seite der Droleg, unterstützte aber aus pragmatischen Gründen dennoch
weitgehend die Linie von Bund und BAG, also das sogenannte 4-Säulen-Prinzip (Repression,
Therapie, Prävention und Ueberlebenshilfe). Dazu kam eben noch die Legalisierung der vom
Bundesgericht als weniger gefährlich als Alkohol eingestuften Cannabisprodukte Gras und
Shit (Marihuana und Haschisch).
Die pragmatische Linie der Jugendlichen beschrieb
die Aargauer Zeitung mit
"Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach". Diese Philosophie
verfolgt die Jugendsession seit längerem. Dies entspricht auch den Signalen, die die
OrganisatorInnen auch immer wieder von den "erwachsenen" ParlamentarierInnen erhalten
haben: solange sie sich den Spielregeln im Parlament anpassen und realistische,
sinnvolle Forderungen stellen, solange können diese durchaus auch von unterstützenden
VolksvertreterInnen auch eingereicht werden. Und gerade die diesjährigen Forderungen
lassen nichts an Seriosität und Inhalt vermissen. Zumindest, wenn mensch
einkalkuliert, dass hier unerfahrene Jugendliche nur 2 1/2 Tage dafür Zeit gehabt
haben.
Die Forderungen wurden an Nationalrats-Vizepräsidentin Judith Stamm CVP/LU übergeben
die sich überrascht zeigte von der Substanz von Inhalt und Diskussion. Einerseits
seien die Forderungen durchaus wohl überlegt und nachvollziehbar, andererseits zeugen
sie aber dennoch von einer gewissen Vision einer menschennahen Drogenpolitik. Offenbar
war sie auch überrascht von der Position der Mitte, die die Drogenpolitik des Bundes
unterstützt, dies sei für sie als Parlamentarierin eine Bestätigung
der Jugend für die bundesrätliche Drogenpolitik.
Der Sinn und Zweck der Jugendsession kann einmal mehr als erfüllt gelten. Sehr
intensiv und den Umständen entsprechend substanziell konnten die von der sonstigen
Politik unabhängigen Jugendlichen über Sucht- und Drogenpolitik diskutieren. Sie
fühlten sich durch die Anwesenheit von Bundesrätin Dreyfuss und Nationalrätin
Stamm in ihrer Arbeit bestätigt und hatten nebenbei einen Heidenspass. Die Jugendsession
konnte einen Erfolg auf der ganzen Linie verbuchen, da die Oeffentlichkeit ihren
berechtigten Anliegen Gehör geschenkt hat und sie Akzente in der schweizerischen
Drogenpolitik setzen konnte. Zumindest konnte sie zum ersten Mal die Meinung der direkt
betroffenen Jugendlichen zum Thema Sucht und Drogen kundtun und somit den MachtträgerInnen
in diesem Staat zeigen, was diejenigen davon denken, die diese Politik primär
ausbaden müssen. In diesem Sinne: auf ein weiteres und: "Legalize it!"
Weitere Infos können der leider nicht besonders aktuellen
Info-Page der Jugendsession
entnommen werden. Demzufolge sind auch die hier verwendeten Bilder nicht aktuell, da
die angekündigten Pics auf dem Web bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe leider
auf sich warten liessen, schlechte Noten also für die Zuständigen. Auf alle Fälle
stammen die hier verwendeten Aufnahmen wie immer aus dem Archiv unseres Hauptsponsors
RTV Multimedia AG und wurden anlässlich der Jugendsession 1995 von der offiziellen
Videogruppe produziert.
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