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Drogen
Coop-Hanf-Tee
Vom Hanf-Skandalprozess
Kiffertypen
Zigis (oder anderes) drehen
ZH, BL und SO meinen: Legalisieren!
Heroinabgabe
Jugendsession 96
Expovina 96
Drogendatenbank
Weinernte 95
Suchtprävention 1996
Hanffestival
Alkohol- Konditionierung
Bex 96
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Heroinabgabe
Eine menschenverachtende Schlammschlacht
Abstimmungsvorlagen sind meistens langweilig und für uns als Internet-Magazin kein
Thema. Aber hie und da denken wir, dass wir über unseren Schatten springen und
Stellung beziehen müssen. Im Falle der stadtzürcherischen Abstimmung (auch in Winti
geht es um dasselbe Thema mit derselben parteipolitischen Konstellation) über
eine zweite Versuchsphase der kontrollierten Heroinabgabe an Schwerstsüchtige fällt uns
das ziemlich einfach. Es gibt nämlich kein vernünftiges Argument dagagen.
Wir überzeugten uns davon an einer kontradiktorischen Podiumsdiskussion im Kaufleuten
(sic!), die von den städtischen Grünen (sic!sic!) organisiert worden ist (welch ein
Wunder, ist doch die zuständige Sozialministerin - Monika Stocker - eine Parteigenossin).
Obschon prominent besetzt und an einem interessanten Ort durchgeführt (samt
anschliessender Party) waren die ZuschauerInnenränge doch ziemlich licht - etwa zwei
Dutzend Leute nahmen sich an diesem Samstagabend Zeit dafür. Das Podium wurde von
GP-Stadtpräsi Martin Abele meist nüchtern, aber auch mit zum Teil provokativ ironischen
Zwischenfragen geleitet.
Die Gäste konnten namhafter nicht sein. Neben der grünen Gemeinderätin und
Sozialarbeiterin Katharina Prelicz-Huber sass der Arzt André Seidenberg von der ARUD
(Arbeitsgemeinschaft für einen risikoarmen Umgang mit Drogen) und der städtische
Drogendelegierte und Leiter der Abgabeprojekte "Lifeline" und "Crossline", Ueli Locher,
der als oberster Drogenfachmann der Stadt gilt. Er vertrat quasi seine
Vorgesetzte Stocker. Ihnen gegenüber sassen zwei prominente Vertreter der SVP, der
als Megaschnurri berüchtigte Emil Grabherr (derjenige, der ohne Argumente gegen
die Wohngenossenschaft Karthago und den muslimischen Friedhof in Altstetten gekämpft
hat) und sein politischer Zögling und Möchtegernpolitiker Mauro Tuena, der
Schrecken aller vernünftigen Jugendlichen.
"Um was geht es eigentlich?", muss zuerst mal gefragt werden. Denn kaum wurde bisher in
einer Abstimmungsdiskussion so am Thema vorbeigeredet wie in diesem Fall. Also, die
Sache ist die: die Stadt Zürich beteiligt sich als prominentestes von 14 Mitgliedern seit
zwei Jahren an den eidgenössischen Heroinabgabeprojekten (insgesamt mit etwa
800 TeilnehmerInnen). In zwei städtischen und einem privaten (ARUD) Projekt wird
etwa 300 Schwerstsüchtigen (definiert als Abhängige mit mindestens zehnjähriger
Drogenkarriere und zehn missglückten Ausstiegsversuchen) täglich reines "H" zum
Selbstkostenpreis (i.e. 15 Franken) abgegeben, die in einem Gassenzimmer unter ärztlicher
Kontrolle eingenommen werden müssen. Die Stadt (resp. der Verein ARUD) übernimmt dabei
die Kosten für die Infrastruktur und die ärztlich-polyklinische Betreuung. Das Ziel
ist ganz klar die Stabilisierung der Lebensumstände (Wohnsituation, soziales Leben
und Arbeits- resp. Finanzlage) der Schwerstsüchtigen. "Sie sollen mehr Zeit und Energie
bekommen, sich um sich selbst zu kümmern", meinte Locher, anstatt dass sie den
täglichen Kampf um den Stoff führen müssen.
Und eben um diese Betreuung geht es. Sie kostet pro KlientIn etwa 50-60 Franken, das
sind die ca. 5 Millionen, die der Gemeinderat für eine Weiterführung dieser Projekte
beantragt hat. Genau genommen sind es 2.5 Mio., denn den Rest bezahlen Bund und Kanton.
Nun hat die SVP gegen diese Vorlage mit fadenscheinigen Argumenten
das Referendum ergriffen. Die 15 Franken, die die Süchtigen selbst bezahlen müssen, beinhalten
Produktion und Verteilung der täglichen Dosis. Vor und nach der Lettenräumung waren
die Grammpreise konstant etwa 80-100 Franken, wobei der Stoff dabei nur etwa 10-20%
Reinheit hatte.
Wo liegt nun das Problem? Drogenexperte Ueli Locher meinte anfangs der Diskussion, dass
er den Eindruck bekommen habe, dass es um viel mehr ginge, als es wirklich
geht. Es gehe nämlich nicht um irgendeinen Eingriff in die Betäubungsmittelgesetzgebung
oder gar um die Legalisierung. Die SVP behauptet, dass die Versuche gescheitert seien
und dass alle Suchtkranken durch den Staat zum Entzug gezwungen werden sollen. Sie
benützt dabei zwar offiziell erhärtetes Zahlenmaterial, aber sie kehrt dabei die
Realität in ihr Gegenteil um. Beispielsweise meinte - oder besser - fuchtelte Tuena,
dass die Quote von etwa 5% "Ausgestiegenen" aus diesem Projekt ein Misserfolg seien.
Dabei entspricht diese Zahl exakt der wissenschaftlich erwiesenen "möglichen"
Erfolgschance, da nur etwa 4-6% der Schwerstsüchtigen überhaupt zu einem Ausstieg
fähig sind, weshalb die Ausstiegsquote im Prinzip fast 100% entspricht.
Eine weitere statistische Lüge der SVP sind angebliche 54-83% der Teilnehmer, die
trotz Abgabe weiterhin illegal Drogen (Coci) konsumieren. Auch diese Zahlen wurden in
ihr Gegenteil gekehrt, denn 83% war die Zahl der PolytoxikomanInnen am Anfang des
Programms. Sie konnte im weiteren Verlauf auf 40-50% (gemäss Ueli Locher) bei den
städtischen und 30-35% bei der ARUD gesenkt werden. Eine SVP-Lüge mehr also. Noch so
ein Fall ist die menschenunwürdige und schlicht falsche Behauptung Fuchtel-Tuenas,
dass die ProjektteilnehmerInnen "Gratisgift, Gratiswohnungen und wasweissichalles"
erhielten. Die Drogen und die Begleitmassnahmen seien von Fürsorge und IV-Geldern
bezahlt. Locher konterte - sichtlich ungehalten über so viel Blödsinn - dass jeder
Bürger und jede Bürgerin von Gesetzes wegen Anspruch auf soziale Unterstützung habe.
Die SVP behauptet, dass, wenn man den Suchtkranken den Stoff vorenthält, sie eher
bereit zum Ausstieg sind. Das ist natürlich blanker Unsinn, ist doch der Schwarzmarkt
nicht einmal mit den Abermilliarden, die man bisher in die Repression gesteckt hat,
auszurotten. Der Stoff wird nur immer schlechter und teurer und die Mafia dabei reicher.
Ob absichtlich oder nicht, die SVP unterstützt damit die Drogenmafia, denn bei der
staatlichen Drogenabgabe kann niemand Profit ziehen (die SVP also auch nicht).
Uebrigens ist auch das Argument der Populisten kreuzfalsch, dass die ProjektteilnehmerInnen
nur dadurch stabilisiert wurden, weil der Staat ihnen Arbeit und Wohnungen "geschenkt" hat,
wie sich Tuena ausgefuchtelte. Das Umgekehrte ist der Fall: durch ihren Ausstieg
aus der Gasse mittels Abgabe wurde ihnen wieder die Möglichkeit gegeben, ein einigermassen
normales soziales Leben und Umfeld zu schaffen und vielleicht sogar einer geregelten
Arbeit nachzugehen. Die Reintegration von aus der Gesellschaft Ausgestossenen und die
Verbesserung ihrer gesundheitlichen Lage als vornehmlichste Ziele wurden also erreicht.
Und so weiter, und so fort. Die beiden SVPler brachten die ganze Zeit Aepfel und Birnen
durcheinander. Sie argumentierten mit falschen Zahlen und vor allem ohne nachvollziehbare
Argumente. Am Schluss meinte ein Zuschauer trocken, dass er die beiden schlicht
nicht ernst nehmen könne, da sie nur immer gegen etwas seien und eigentlich nie einen
vernünftigen Gegenvorschlag gebracht haben. Das stimmt auf jeden Fall, denn das einzige
Rezept, das Grabherr (Raucher von drei Schachteln filterlosen Gauloises) und Tuena
hatten, war der zwangsweise Ausstieg (wobei Grabherr den Suchtkranken ein paar Tage
oder Wochen Frist geben möchte - wie grosszügig!). Dass dabei nur noch etwa 5% der
Schwerstsüchtigen das psychologisch durchhalten können, ist ihnen dabei eigentlich ziemlcih
egal. Und dass die Zielgruppe der Abgaben eben jene sind, bei denen keine
Alternative mehr besteht (z.B. wegen HIV) auch. Grabherr gab sogar zu, dass man den
ganz schlimmen durchaus noch ihr H geben könne, bevor sie sterben....
Der sprichwörtliche SVPsche Zynismus schlägt bei dieser Diskussion also alle Rekorde.
Während alle Parteien (sogar die rechtsgerichteten FDP und SD) hinter der Vorlage
stehen, machen die Blocheristen Wahlkampf auf Kosten der Schwächsten der Gesellschaft.
Die Zürcher Partei hat also sozusagen diese Thematik zu ihrer Kampagne 1996 erkoren,
mit all diesen verschissenen und menschenfeindlichen Plakaten der SVP-Hausfirma Aebi,
die wir gewohnt sind. So nicht, meine Herren! Vor allem, weil Megaschnurri Grabherr
einerseits behauptet, dass er nicht wegen finanziellen Gründen dagegen ankämpfe, aber
trotzdem immer wieder das Geld bemüht. Ich meine, ganz abgesehen davon, dass jede Form von staatlicher
"Abgabe" die Gesellschaft günstiger kommt, als die heute noch verbreitete Repression.
Und weil er am Schluss verklausuliert zugab, dass er durchaus
bereit ist, eine Heroinabgabe an Schwerstsüchtige zu befürworten, wenn diese das
konkrete Ziel des Ausstiegs hat. Dies ist ja auch der Fall, denn zumindest diejenigen, die
ausstiegsfähig sind, werden von den Projektleitern dazu angehalten. Insofern zeigt es
sich, dass sich die Blocher-Partei nur aus politischen Gründen zu diesem Kampf
stellt - einmal mehr unterstützt von jenen Kreisen der Bevölkerung, die so dumm
sind, dass sie für vernünftige Argumente keine Zeit oder keine Lust haben. Typisch
SVP. Und mit der Legalisierung - einem verbreiteten SVP-Scheinargument - hat die
Sache nichts zu tun, ist es doch ein Grundpfeiler der offiziellen Bundespolitik,
die Ueberlebenshilfe für Schwerstsüchtige zu garantieren. In diesem Sinne:
ein vernünftiges "Ja!" für die Weiterführung der Abgabeprojekte in der Stadt Zürich
und in der ganzen Schweiz.
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