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Drogen
Coop-Hanf-Tee
Vom Hanf-Skandalprozess
Kiffertypen
Zigis (oder anderes) drehen
ZH, BL und SO meinen: Legalisieren!
Heroinabgabe
Jugendsession 96
Expovina 96
Drogendatenbank
Weinernte 95
Suchtprävention 1996
Hanffestival
Alkohol- Konditionierung
Bex 96
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Nase im Wind, und es stinkt
Das Interesse der Medien war nicht so besonders, als die Suchtpräventionsstelle
der Stadt zur Vorstellung ihrer neuen Strategie ins Zelt auf dem Lindenhof lud.
Die Kulturveranstaltung mit Theater, Spiel und Spass soll dort angeblich seine
"suchtpräventive Wirkung" entfalten. Dieser Anlass ist jedoch ein Ueberbleibsel
aus der "alten" Aera der städtischen Suchtprävention, denn ab sofort soll sie
andere Grundsätze haben. Statt des erhobenen Zeigefingers möchten die 7,9
StelleninhaberInnen an der Röntgenstrasse 44 Hilfe zur Selbsthilfe geben und den
"Markt" besser kennenlernen. Dies nicht zuletzt, aufgrund der Streichungen des
Budgets im Sozialbereich. Was das genau bedeutet, haben die Zuständigen uns in
eben diesem Mediengespräch offenbart.
Die Suchtpräventionsstelle Zürich wurde 1985 gegründet und damit beauftragt, die
Bevölkerung über illegale und legale Suchtmittel, sowie die Hintergründe von
Sucht und Konsum zu informieren. Die heute 11 MitarbeiterInnen versuchen, Sucht
und Suchtmittelkonsum in einen breiteren gesellschaftlichen Rahmen zu stellen.
Nicht nur der/die einzelne KonsumentIn soll "behandelt" werden, sondern auch die
"Nichtsüchtigen", resp. der Rest der Gesellschaft, die an der Sucht des
Individuums mitverantwortlich ist. Seit Anfang an besteht der Hauptteil ihrer
Arbeit aus Bildung irgendwelcher Art. Je länger je mehr hat mensch aber nicht
nur versucht, Schäden zu minimieren, sondern auch "gesunde" Strukturen zu
fördern, resp. den Schaden gar nicht erst entstehen zu lassen.
Nach zehn Jahren Suchtprävention heisst die Devise 1996:"Es soll gesund bleiben,
wer gesund ist, und zwar ohne zu verbieten oder zu drohen." Oder:"Stärke deine
inneren Fähigkeiten und vertraue auf dich selbst." Nicht die Grammatik gab mir
dabei zu denken, sondern die Frage:"Wer ist hier eigentlich noch gesund?" und
"Was für innere Fähigkeiten?" Im Klartext heisst das: anstatt die Sucht an sich
zu bekämpfen, soll versucht werden, das Suchtpotential gezielt zu reduzieren, so
dass der "normale" Mensch mit einer etwaigen Sucht umgehen kann. Das klang schon
besser. So steht dann auch in einer Infobroschüre über die Stelle selbst:"Es ist
gelungen, Verständnis dafür zuschaffen, dass Sucht nicht allein ein Problem von
Fixern, sondern bei jedem einzelnen Menschen als Möglichkeit und Gefahr
vorhanden ist."
Sucht soll als natürliche Fluchthandlung aufgrund verminderter Fähigkeit zur
Konfliktbewältigung angesehen und diese wieder gefördert werden. Wer
Suchtprävention betreibt, soll Suchtgefährdeten wieder mehr Selbstwertgefühl und
Sensibilität gegenüber der Realität vermitteln, der (vor allem junge) Mensch
soll lernen, mehr aus seinem Leben und sich selbst zu machen. Hierfür werden
verschiedene Mittel und Wege angewandt. Neben kulturellen Veranstaltungen wie
dem Spielhof sollen dies auch Begegnungen und Aktivitäten im Quartier sein.
Geplant sind ausserdem Vorträge in Schulen und Managementbüros, wie Menschen mit
ihrem eigenen oder fremdem Suchtpotential umgehen sollen. Ein anderes Beispiel
sind Aktivitäten in freier Natur wie ein Waldlager für Jugendliche, wo diese die
Natur und ihren Platz darin kennenlernen, ihre Aengste überwinden und die
Grenzen ihrer Möglichkeiten erforschen sollen. Grenzerfahrungen sollen eben
nicht mehr nur per "Drogen", sondern über "natürliche" Erfahrungen in den
Bereichen Abenteuer, Sport und Gemeinschaft gefunden werden.
Daneben möchte mensch trotz des geringeren Budgets versuchen, die Forschung zu
intensivieren und das Wissen an Interessierte weiterzugeben, damit diese
wiederum MultipilkatorInnen sein können für andere. Unbedingt wichtig seien, so
meinte Stefan Brüllhart gegenüber Biwidus, die Förderung von Schutzfaktoren wie
dem Lebenssinn, das Gefühl, etwas verändern zu können, die Fähigkeit, schwierige
Situationen als Herausforderung und nicht als Bedrohung zu empfinden, sowie die
Stärkung von Beziehungen irgendwelcher Art. Gerade letzteres ist in einer
Gesellschaft, die das Individuum predigt, sicher nicht einfach. Die Vermittlung
all dessen obliegt nicht zuletzt uns Medien (u.a. durch die angelaufene Kampagne
"Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch.")
"Erkennen und Verstehen, Selbstreflektion und Informiertsein sind
Grundvoraussetzungen in der Suchtprävention", meinte Eveline Winnewisser,
Bereichsleiterin Bildungsarbeit, weshalb gerade hierauf grosser Wert gelegt
werden müsse. Nicht nur SchülerInnen, sondern auch Werktätige und vor allem auch
PolitikerInnen sollen lernen, mit dem Faktor Sucht zu leben. Die Arbeit mit
Schulen Quartiergruppen, Familien und Betrieben wird intensiviert werden. Die
Suchtprävention unterstützt zum Beispiel Feste in den Quartieren, auch wenn dies
bedeutet, dass ganze Strassenzüge "besetzt" werden - sicherlich auch eine
wirksame Grenzerfahrung in einer überregulierten und die Einzelperson meist
überfordernden Gesellschaft.
Die Suchtpräventionsstelle Zürich hat angeblich die "Nase im Wind" und merkt,
dass dieser ihr nun steif ins Gesicht bläst (Stichwort Budgetkürzungen). Und
dieser Wind stinkt, je länger die MitarbeiterInnen in gesellschaftspolitischen
Bereichen herumstochern. Aber dadurch lernen auch sie und können den Feind
besser bekämpfen. Dieser Feind ist nicht der/die Süchtige, sondern das, was sie
süchtig gemacht hat. Dort setzen die 11 RitterInnen ohne Rüstung ihren Hebel an,
und obschon ihr Tun für viele (gerade junge Leute) gefährlich nahe am
Blaukreuzlertum zu sein scheint, soll ihrer schwierigen Arbeit Glück beschieden
sein. Ein erster Schritt dazu: Legalize it!
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