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4.11.1996

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Aargauer Zeitungs-Einheitsbrei?

Jetzt haben die AargauerInnen endlich das, was im kosmopoliten Zürich undenkbar war, ist und sein wird: eine Zeitung. Die Betonung liegt auf EINE, denn die heute neu erschienene "Aargauer Zeitung" ist der Zusammenschluss der beiden traditionellen Zeitungen "Badener Tagblatt" und "Aargauer Tagblatt", nachdem der Verleger und Regional-Medienzar Peter Wanner seinem Flaggschiff BT und seinen beiden Medienerfolgen Radio Aargovia und Tele M1 das Aarauer AT angegliedert und somit seiner Kontrolle unterstellt hatte. Die Uebernahme ging nicht ganz ohne Probleme vor sich, da das AT eine deutlich breitere AktionärInnenschicht hatte. Ganz abgesehen von regional- und medienpolitischen Fragen.

Signet Seit einigen Tagen prangt der blauweisse, der SonntagsZeitung nicht unähnliche Schriftzug der AZ auf dem höchsten Gebäude Badens, dem BT-Hochhaus. Die Tafeln im Lift und im Parkhaus wurden allerdings noch immer nicht umgeschrieben. In einer koordinierten Aktion sind nun auch die "Ueberbleibsel" des AT nach Baden gezogen und produzieren von hier aus die Zeitung, die immerhin mit 120'000 Ex. Auflage eine der fünf grössten Zeitungen der Schweiz ist. Die grosse Aargauische Zeitungsfusion wird im Aargau selbst ziemlich easy genommen, niemand (ausser ein paar LinksdemokratInnen) spricht davon, dass damit ein Einheitsbrei in Sachen Printmdien entsteht, zumindest im zentralen und westlichen Kantonsteil. Wenn das Zofinger Tagblatt mitgespielt hätte, wäre sogar der ganze Kanton involviert gewesen - aber dieses hat sich nun in Richtung Solothurn (Neues Oltener Tagblatt) abgesetzt.

Was bedeutet das denn eigentlich? Nichts anderes, als dass eine einzelne Person die drei wichtigsten Medien in einem grossen Teil des Kantons kontrolliert. Nicht, dass das sich auf die redaktionelle Unabhängigkeit auswirken muss, aber ein bisschen suspekt ist das in einem Land wie unserem schon, wenn einerseits ein Einzelner das mediale Quasimonopol hat und andererseits eine einzige Zeitung eine ganze Region von immerhin fast einer halben Million EinwohnerInnen abdeckt - von den AZ-Schwesterblättern im Zürcher Gebiet (Limmattaler TB und Neues Bülacher TB - zuletzt mit rechtsextremen Inseraten aufgefallen) ganz zu schweigen. Die AZ hat eine Auflage von 120'000 Seiten und erscheint mit mehreren lokalen Ablegern im ganzen Aargau.

Gut, die Zeitung ist farbig, hat fünf Bünde (Aus/Inland, Aargau, erscheinende Region, Sport und Kultur und viel, viel Werbung. Redaktion und Verlag sind an der Stadtturmstrasse in Baden im alten BT-Hochhaus untergebracht. Daneben gibt es Regionalredaktionen in Brugg, Frick, Klingnau und Wohlen. In der Erstausgabe war der Anreisser natürlich der eigene Beginn, Chefredaktor Franz Straub sprach dann auch von einem "sinnvollen Wagnis" in Bezug auf die Zeitung. Den Grund für die Existenz der Zeitung umriss er mit: "Der Aargau braucht und verdient eine Zeitung, die im Konzert der Grossen mitspielen kann. Eine Zeitung, die aber auch die regionale Vielfalt pflegt."

Unbestritten, der Aargau hat mit seinem kleinbourgeoisen Regionalismus, der sicher auch historisch gewachsen ist (der Kanton war ja bis weit ins 19.Jh. Untertanengebiet vieler Herren), eine extreme Aufsplitterung der Zeitungswelt verursacht. Jedes noch so kleine Tälchen hatte sozusagen eine eigene Zeitung. Dass dies viel zu aufwendig war und sich auch nicht unbedingt positiv auf die redaktionelle Arbeit auswirken musste, ist klar. Insofern ist die Zusammenlegung dieses Flickenteppichs unter ein Dach sinnvoll, zumal die einzelnen Regionen weiterhin mit Kopfblättern abgedeckt werden. Das gibt es zum Beispiel im weitaus grösseren Zürich nicht, wo neben NZZ und Tagi eigentlich nur der Winterthurer Landbote als "grosse" Regionalzeitung von Bedeutung gelten kann.

Wo also liegt das Problem? Das Problem liegt darin, dass das Experiment AZ lange brauchen wird, um sich den Platz zu erkämpfen, den AT und BT früher hatten. Die Umstellung ist ein für aargauische Verhältnisse immenser Kraftakt, die Leute müssen sich daran gewöhnen. Aber auch die Zeitung selbst hat mit einigen Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen, es hat zum Beispiel lange gebraucht, bis mal die beiden sich widersprechenden Computersysteme harmonisiert waren. Und in den ersten Tagen hatte die AZ grosse Auslieferungsschwierigkeiten, einige AbonentInnen erhielten ihre Zeitung erst gegen Nachmittag.

Die AZ hat ihre guten "Seiten", gerade die Regionalberichterstattung scheint mir kompetent und durchaus nicht langweilig zu sein, wenn mensch in dieser Region wohnt. In der ersten Ausgabe zum Beispiel hatte es vorne als Anreisser einen Bericht über einen Arzt, der unkontrolliert Rohypnol verschrieben hatte. Und auf der zweiten Seite dafür einen Hintergrundbericht über einen Profi-Schnapsschnüffler, echt interessant. Insofern hat die AZ eigentlich nur ein Problem, das es zu berücksichtigen gibt. Nämlich, dass nicht eine politische Einheitslinie entsteht. Ein erzkonservativer Medienverbund ist nun wirklich das letzte, was wir und die AargauerInnen brauchen. Also ist nur zu hoffen, dass der AZ-Chefredaktor sein Versprechen der Unabhängigkeit vom (freisinnigen) Verleger Wanner hält. Amen.

Die Aargauer Zeitung ist sogar auf dem Internet zu finden (herzlich willkommen, Schwester!), und wer will, kann der Redaktion sogar ein Mail schicken.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus Baden