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13.12.1995

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Studieren - bald ein Privileg der Reichen?

Der Kanton will mit einer universitären Rosskur sparen: Markanter Abbau des Mittelbaus und Kürzung der eh schon knappen Stipendienbeiträge. Ein Schlaglicht ins dunkle Finanzloch.

Die beiden Ernstlis im Regierungsrat übten sich in der hohen Kunst des Nichtssagens und der vagen Andeutungen, doch zumindest eines wurde klar: Der Kanton muss sparen, und zwar massiv. Und das tut er, wen wundert's, auf Kosten derjenigen, die sich eh nicht wehren können, weil sie entweder krank, weniger bemittelt und deshalb auch machtlos sind. Eine Steuererhöhung, die entsprechend ihren Finanzen alle treffen würde, kommt laut Finanzdirektor Eric Honegger nicht in Frage, weil sie "negative Auswirkungen auf das wirtschaftliche Klima und die Standortgunst hat".

Mittelbau angesägt

Und der Regierungsrat war fleissig: mit vielen Folien, Tabellen und ausführlichen Referaten präsentierte er sein bombiges Effort-Sparprogramm, das 300 Massnahmen, wovon vielleicht etwa nur 10 prägend sind, beinhaltet. Neben den Direktionen der Finanzen und der Gesundheit steuert der Bildungsbereich den grössten Brocken zum Sparpaket der Regierung bei. Insgesamt 58,8 Million Franken sollen eingespart und 196 Stellen bis ins Jahr 2000 abgebaut werden, 58 Stellen, die von 70 Assistentinnen belegt werden, allein an der Uni. Wie, wo und weshalb genau diese Zahl, konnte Ernst Buschor nicht erklären. Man munkelt, um möglichst schnell zu sparen, wollte die Regierung schon Anfang nächsten Jahres 35 Assis entlassen, doch dies wäre zu kurzfristig gewesen. Entlassungen soll es deshalb voraussichtlich erst Mitte 96 geben, dafür dürften dann wohl alle auf einmal den blauen Brief bekommen. "Eine Rosskur", nennt Daniel Schloeth, Kantonsrat der Grünen, dieses mögliche Szenario. Dieses könnte verhindert werden, wenn der Teuerungsausgleich von 1% dem Unipersonal nicht ausbezahlt und die 1-2 Millionen für die gefährdeten 58 Stellen eingesetzt würden. Die Grüne Partei wird in der nächsten Budgetdebatte diesen Antrag stellen. Doch viel Hoffnung besteht nicht: Daniel Schloeth ist schon heute überzeugt, dass der Antrag nicht durchkommen wird.

Weniger und anders verteilte Stipendien

Die Regierung will auch bei den Stipendien sparen: Sie sieht eine "Totalrevision des Bemessungssystems für Ausbildungsbeiträge" vor, schweigt sich aber über die zu erwartendenden Konsequenzen aus. Im Effort-Sparprogramm steht statt einer astronomisch hohen Zahl, die es einzusparen gilt, einzig der Hinweis, dass bis 1997 mit Mehraufwendungen, ab 1998 mit Einsparungen zu rechnen sei. Doch was heisst das konkret? Thomas Brassel von der Stipendienberatung der Hochschulen kann und will nicht Auskunft geben. "Der Kuchen, das ist doch offensichtlich, wird neu verteilt. Die einen werden etwas mehr, die andern etwas weniger bekommen." Etwas gesprächiger und auskunftsfreudiger ist da schon Peter Zweifel, Leiter des Sektors Stipendien der Erziehungsdirektion. Zunächst einmal ist er freudig überrascht, dass die vom Erziehungsdirektor angekündigte Kürzung des Stipendienkredits um 10% nicht vorgenommen wurde. Offenbar habe man Buschor von der Härte dieser Massnahme überzeugen können: mit einer solch drastischen Reduktion wären beispielsweise minderbemittelte Studis teilweise unter das nota bene betreibungsrechtliche Existenzminimum getrieben worden. Und das Recht auf Bildung für alle wäre somit nicht mehr gewährleistet gewesen.

Nur noch Darlehen?

Vieles sei noch unklar und stehe zur Diskussion, so Peter Zweifel. Fest steht jedenfalls, dass das Stipendienwesen nur noch aus einem und nicht mehr wie bisher aus drei unterschiedlichen Gremien bestehen wird. Heute gibt es die Stipendienberatung der beiden Hochschulen, den Sektor Stipendien der Erziehungsdirektion, (Kantons- u. Mittelschulen, Lehreraus- u. Weiterbildung, Schule für Gestaltung) und Amt für Berufsbildung der Volkswirtschaftsdirektion(u. a. für BIGA-Berufe). Jedes Gremium hat eigene Verordungen und Reglemente, sodass Sitpendien bei gleichen Voraussetzungen unterschiedlich ausfallen können. Das soll in Zukunft nicht mehr vorkommen. Mit den geplanten Fachhochschulen findet sowieso eine Annäherung statt, eine Zusammenlegung erscheint deshalb nur sinnvoll ist. Eine Revision des Bemessungssytems begrüsst Peter Zweifel. Es soll transparenter und zudem sollen einige Ungleichheiten beseitigt werden: Renten (IV, Alimenten) sollen der Gesuchstellerin neu mit 100% und nicht mehr nur mit 60% angerechnet werden. Die Altersgrenze, bei dem ein Wohnen bei den Eltern nicht mehr zumutbar ist, beträgt für den ersten Bildungsweg 28 Jahre, für den zweiten Bildungsweg aber 25 Jahre. Beide Alterslimiten sollen neu auf 25 Jahre begrenzt werden. Doch der Regierungrat will ja sparen. Das tut er, indem er vorschlägt, das elterliche Einkommen bei Gesuchstellerinnen des zweiten Bildungswegs hinabzusetzen. "Da wird es Härtfälle geben", prognostiziert Peter Zweifel. Zwar erhielt das kantonsrätlichen Postulat, statt Stipendien nur noch Darlehen zu gewähren, von der Regierung eine Abfuhr. "Doch je mehr es ums Sparen geht, umso mehr könnte auch die Regierung wieder auf den Geschmack kommen", diese Befürchtung äussert nicht nur Kantonsrat Daniel Schloeth. Als "verheerend" bezeichnet es Franziska Gugger von der Stipendienberatungskomission StipeKo, wenn nur noch Darlehen gewährt würden. "Die letzten ein, zwei Jahre des Studiums sind so zur Not noch finanzierbar, aber ein ganzes Studium?" Zumal wenn keine Aussicht auf eine Erbschaft besteht, gehen Darlehen, auch wenn sie zinslos sind, kräftig ins Geld. Seit ein paar Jahren müssen diese Gelder bereits schon fünf Jahre nach Beendigung des Studiums zurückbezahlt werden, ansonsten wird ein Zins berechnet.

Stipendien auf Sparflamme

In der breiten Bevölkerungsschicht herrscht noch immer das Bild vom Studi, dem Stipendien nachgeworfen werden. Doch die Zahlen und Erfahrungen sprechen dagegen. "Gerade in diesem Sommer, als man wegen des neuen Einschreibeverfahrens zwei Semestergebühren auf einmal einbezahlen musste, kamen viele Studis in einen finanziellen Engpass", erzählt Franziska Gugger von der StipeKO. Der Kanton Zürich hat letztes Jahr mit 36 231 637.- Fr. am wenigstens Stipendien seit einem Jahrzehnt ausgeschüttet. Hätte man wie ursprünglich geplant, immer den Teuerungsausgleich gemacht, so müsste der Betrag heute mindestens doppelt so hoch ausfallen. (Einzig der Kanton Bern macht jeweils den Teuerungsausgleich: letztes Jahr zahlte er knapp 72 Millionen Stipendien aus und ist somit mit grossem Abstand Spitzenreiter im interkantonalen Vergleich.) Fürs kommende Jahr ist, wen wundert's, eine Kürzung der Stipendienbeiträge geplant. Auch bei der städtischen Stipendienkomission der Stadt Zürich sind die Gelder knapp. Gab es früher noch einen kleinen Zustupf zum kantonalen Stipendium, so können heute mehrheitlich nur noch Studis unterstützt werden, die keine Subsidiärhilfe vom Kanton erhalten, denn es stehen nur noch die Gelder aus dem Fonds zur Verfügung. Trauriges Fazit: Studieren scheint bald einmal zum finanziellen Kunststück zu werden. Wie ein Hohn klingt es da, wenn der Regierungsrat in den Zielen zur Legislaturperiode 1995-1999 festhält, dass die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Zürich unter anderem durch eine "Anhebung der Qualität im Bildungswesen" gesichert werden müsse.

Allfällige Änderungen

Das Bemessungssystem für Stipendien wird revidiert. Es soll transparenter, genauer, aber auch strenger werden. Das heisst beispielsweise, für Gesuchstellerinnen des zweiten Bildungsweges wird die elterliche Einkommensgrenze, die zum Stipendium berechtigt, hinabgesetzt. Studis, die von dieser Neuregelung betroffen sind, werden aber nicht von heute auf morgen keine Stipendien mehr bekommen. Es ist von einer Uebergangszeit von mindestens drei bis idealerweise sieben Jahre (die Zeit, in der ein Studium abgeschlossen sein sollte) die Rede. Die Alterslimite, die zum Wohnen ausserhalb des Elternhauses berechtigt, soll für Stipendianten des ersten Bildungsweges neu 25 statt wie bisher 28 Jahre betragen. Zudem wird diskutiert, statt Stipendien nur noch Darlehen zu gewähren.

Doch dies alles sind erst Vorschläge, die in Bearbeitung sind. Verbindliche Hammerschläge sind frühstens Anfang nächsten Jahres zu erwarten.


Für Biwidus: Rebecca Buchmüller aus der Uni Zürich.