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Basta/Fünf vor zwölf: wieder einmal eine Antifa-Demo
Zum ersten Mal seit dem grossen Demosamstag am 23. September riefen die Antifa
und ihr militanter Flügel, der anarchistische Revolutionäre Aufbau, wieder einmal
zu einer grösseren Demo auf. Seit Wochen kursierten in den einschlägigen Publikationen
der Linken Aufrufe zu dieser Demo, die die ultimative hatte sein sollen. Die letzte
grosse in diesem Jahr und vielleicht hofften auch einige, dass sie auch die letzte
vor der Weltrevolution hätte sein sollen.
Jedenfalls besammelten sich einige hundert wackere AntifaschistInnen knapp vor High
Noon bei der Bäckeranlage in Zürich und wollten in Richtung Innenstadt ziehen. Dabei
überwog offensichtlich der gemässigte Antifa-Flügel. Sicher waren die einen
auf Knatsch aus, auf die immer sehr spannenden Strassenschlachten mit der Polizei, die
langsam zum guten Ton gehören. Aber, um es vorweg zu nehmen, die Demo verlief grösstenteils
ziemlich friedlich.
Neben schwarz vermummten Gestalten standen auch viele andere Jugendliche dort
herum. Auch waren linksfaschistische Gruppen von EmigrantInnen anwesend. Die bunte Schar
wärmte sich lange an der Hoffnung auf eine gut verlaufende Demo, denn es dauerte fast
eine Stunde, bis der Haufen anlief. Die Demo war im Prinzip bewilligt, aber nicht in
jener Richtung, in der die Demonstranten gehen wollten. Das klingt kompliziert, ist
jedoch ganz einfach: die Demo hätte vom Kreis 4 zum Hechtplatz gehen sollen, der
Polizeivorstand Bobby Neukomm (eigentlich ein Sozi-Magistrat) hat die Bewilligung aber
in umgekehrter Richtung erlassen. Nun waren die Leute, die sich um die Mittagszeit auf der
Stauffacherstrasse trafen, mitten in eine illegale Demo geraten (O-Ton VBZ-Leitstelle:
eine "Störung auf der Stauffacherstrasse"). Entsprechend gross war auch der Aufmarsch
der Hüter von Recht und Ordnung (i.e. des kapitalistischen System) auf dem Helvetiaplatz.
Um halb eins standen sich zwei Fronten auf der breiten Strasse gegenüber, steinwurfsichere 131
Schritte voneinander entfernt. Die Lage schien sich zu verschärfen, als irgend so ein
halbschlauer Uniformierter die DemonstrantInnen aufforderte, sich innerhalb von zwei
Minuten zu verdünnisieren. Natürlich wurde er nur ausgelacht. Eine halbe Stunde später
versuchten die Leute, einfach locker durch den Polizeikordon zu laufen, in einer langgezogenen
Kolonne liefen sie los. Die Polizei hatte dann genug vom Katz und Maus-Spiel und schritt
massiv ein. Mit einem Wasserwerfer, Tränengas und etwa zwei Dutzend Blauen in Kampfmontur
griff sie an und löste die Demo innerhalb von fünf Minuten auf. Dabei wurden die Medienleute
und ZuschauerInnen dem obligaten Tränengasregen ausgesetzt. Die Demonstranten stoben schnell
auseinander, sie bewegten sich in kleinen Trupps und zum Teil unter Zuhilfenahme der
staatlichen Verkehrsbetriebe Richtung Innenstadt. Bisher hatten sie sich sehr
ruhig verhalten, vereinzelte Steinwürfe waren Mangelware. Neckische Beschimpfungen waren
dafür gang und gäbe.
Mensch traf sich auf dem Hechtplatz. Aber schon hier, noch bevor der zweite Teil der
Show begann, war die Zahl der DemonstrantInnen von etwa 250 auf ca. 100 heruntergegangen,
nur wenige Unentwegte sammelten sich zum Zug zurück. Wieder brüllte mensch die üblichen
Parolen ("Internationale Solidarität!"), die wir ja auch an der grossen Demo im
September gehört haben. Der Zug bewegte sich friedlich und von der Polizei unbehelligt
über den Limmatquai. Das einzige, was geworfen wurde, waren Schneebälle. Die etwa
hundert AntifaschistInnen spazierten singend und johlend über die Rudolf-Brun-Brücke und
machten auf der Bahnhofstrasse einen langen Stop. An prominenter Stelle wurden an diesem
Konsumsamstag Parolen geschrien und Flugblätter verteilt. Ein verkümmerter Weihnachtsbaum
mit den Namen der angeprangerten staatlichen Institutionen wurde wie ein Böögg verbrannt, ein
kleines Feuerwerk rundete schliesslich diesen Teil ab.
Die kümmerlichen Resten des Zuges liefen dann zurück in den Kreis 4. Etwa 50 AktivistInnen
kamen noch bis zur Kaserne und ins heimatliche Aussersihl. Bei der Kaserne geriet noch
so ein bescheuerter Neonazi in den Zug und fast zwischen die Fronten. Zum ersten und
einzigen Mal während der ganzen Demo lag wirklich Gefahr in der Luft. Der Blödian wurde
dann jedoch in Ruhe gelassen, Linke vergreifen sich offenbar selten am einzelnen Feind. Die Demo
löste sich am Nachmittag auf, ohne dass etwas grösseres passiert war.
Fazit: die Antifa kann auch friedliche Demos machen. Sie ist sich offensichtlich im
klaren, dass linke Gewalt nichts bringt, dass sie sich mit Ausschreitungen und Gewaltbereitschaft
nur ins eigene Fleisch schneidet. Ueberhaupt war die Stimmung in der Demo gelöster, viel
weniger agressiv als im Herbst. Vielmehr konnte fast von einer Volksfeststimmung
gesprochen werden, abgesehen davon, dass man sich die Extremitäten abfror. Die Antifa
hatte ihre Leute im Griff, niemand äusserte Gewaltbereitschaft, jeodoch war durchaus
auch die Absicht da, mit den Sicherheitskräften ein bisschen Fangis zu spielen,
was ja dann auch getan wurde. Etwas enttäuschend war der Auftritt der Uniformierten,
sie setzten schon Tränengas und Wasserwerfer ein, ohne provoziert oder gar angegriffen zu
werden. Die Taktik war klar: alles hört auf mein Kommando, ich bin der Chef hier! Die
Abschreckung hat funktioniert, die DemonstrantInnen fügten sich der Gewalt und stoben
auseinander. Man hatte aber auch bei der Polizei das Gefühl, dass sie nicht eigentlich auf
Krieg aus war, es standen viele Beamte einfach so herum, zwischen den "Fronten" und
sogar zwischen den Demonstrierenden. Polizeisprecher Bruno Kistler, selbst ein Kind des
Kreises 4 übrigens, stand locker an der Ecke Lang-/Stauffacherstrasse und sprach mit
aufgebrachten Leuten.
Beide Seiten bewiesen heute Disziplin. Die Antifa zeigte, dass sie auch friedlich ihre
Forderungen durchsetzen kann, sie bewies Stärke durch ihre Mobilisierungskraft und
provozierte die Polizei zum Spass in kleinere verbale Scharmützel. Diese Wortgefechte
waren Ehrengeschäfte, kleine Kämpfe zweier Duellanten, die sich gar nicht verletzen
möchten, sondern nur etwas Muskeln zeigen. Auch die Polizei spielte mit, sie fuhr zwar
abrupt rein, der Angriff wurde aber nach ein paar Minuten abgebrochen. In der Folge
betätigte sich die Polizei nur als Beobachterin und Verkehrsordnerin. Sie liess sich
gar nicht auf den Kampf ein und garantierte damit einen problemlosen Ablauf dieser
antifaschistischen Kundgebung. Sie hat trotz ihrer allgemeinen Begriffsstutzigkeit und
Gewaltbereitschaft heute ein Röschen verdient. Und was das Ergebnis des Ringkampfes
betrifft: Unentschieden nach Punkten, Sieg beider Parteien auf der ganzen Linie.
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