Grün 98
Ein Lob für die deutschen Grünen.
"Nicht regierungsfähig", war und ist der einheitliche Kommentar der
deutschen und auch der schweizerischen Polit- und Presselandschaft nach
den heiklen Beschlüssen der grünen Basis. Gemeint wird damit allerdings
eher "nicht wahlfähig" - man hat sich und der SPD die Wahl im Herbst wohl
gründlich versaut.
Mein Lob: Die Grünen haben beschlossen, was ihrer Meinung nach richtig
ist. Das ist gut. Gut, weil mal wieder jemand nach seinem Gewissen
handelt, und nicht nach Wahlstatistiken. Und was haben die Grünen denn
verloren? Wie gross wäre ihr Einfluss bei gewonnener Wahl denn gewesen,
wenn sie sich schon im voraus als Duckmäuschen profiliert hätten? Lieber
sie sagen jetzt, was sie wollen, als dass sie später a la FDP gegen ihre
Ueberzeugung Koalitionspolitik machen (siehe Einbürgerungsverfahren letzte
Woche).
Und die Möglichkeit, aus der Oppostion herauszukommen, wird sich wohl
ebensowenig innerhalb von zwei oder drei Jahren in Luft auflösen, wie die
derzeitige Krise und der dazugehörende Ruf nach Veränderung - erst recht
nicht, wenn im Herbst nochmals die bisherigen Politiker gewählt werden.
Die Grünen und auch die SPD tun gut daran, noch ein paar Jahre bis zur
Uebernahme der Regierungsverantwortung zu warten, und bis dahin ihren
Ueberzeugungen treu zu bleiben. Sollen doch die bisherigen die Karren
total in den Dreck fahren, die Forderung nach einem Wandel wird sich
später umsomehr stellen, und kann von Parteien vollzogen werden, die
reinen Gewissens sagen können, sie wären ihren Prinzipien treu geblieben,
auch in Zeiten, wo die Macht verführerisch nahe gelegen wäre.
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