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25.11.1995

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Anne Frank

Anne Frank und wir

Letzten Donnerstag wurde im Stadthaus Zürich eine faszinierende Ausstellung mit dem Titel "Anne Frank und wir" eröffnet. Biwidus hat sich in eine Welt entführen lassen, die nur 50 Jahre früher und nur ein paar hundert Kilometer von uns entfernt existiert hat. Eine Welt, die sich im ähnlichen Ausmass heute und fast so nah mit all ihrer Grausamkeit wiederholt, die Welt der Anne Frank.

Sie starb mit 16 Jahren, zwei Monate vor dem Kriegsende im berüchtigten Konzentrationslager Bergen-Belsen. Ihr richtiger Name war Annelies Marie Frank, sie war im Jahr 1929 in Frankfurt am Main geboren worden. Nach einer kurzen Kindheit musste Anne 1933 vor den Nazi-Häschern in die Niederlande fliehen. Dabei hielt sie sich ferienhalber sogar oft in der Schweiz auf, ihre Familie gehörte damals zu den wohlhabenden jüdischen Bankiersgeschlechtern der Mainmetropole. Als der Krieg auch in die neutrale Niederlande kam, hielt sie sich jahrelang in einem Räumchen bei einer holländischen Familie versteckt. Dort begann sie, ihr weltberühmt gewordenes Tagebuch zu schreiben, wohl eines der bedeutendsten Kindheitsautobiographien jener Zeit. Was nur wenige wissen, ist, dass Anne Frank dabei auch Märchen schrieb, der einzige Weg für ein erwachsendes Mädchen, sich der beklemmenden Enge der Angst und des Eingesperrtseins zu entziehen. Sie schildert darin eindrücklich ihre Probleme, Erfahrungen, Träume und Erlebnisse während dieser zwei Jahre. Dieses Zeugnis ist zu einem Meilenstein der deutschsprachigen Weltliteratur geworden, unzählige Schüler und Schülerinnen mühen sich seither mit ihrem Tagebuch ab, die einen finden es faszinierend und anregend, die anderen äusserst langweilig. Dies tut der Tatsache jedoch keinen Abbruch, dass sie in alle Ewigkeit in Erinnerung und somit ein Mahnmal gegen Rassismus und Entmenschlichung bleiben wird.

Ihr wurde im Lenzburgischen eine breite Ausstellung gewidmet, wo die wenigen vorhandenen Photographien ihrer Kindheit gesammelt und gezeigt wurden. Hier lässt sich schon eines erkennen: Anne Frank war kein Uebermensch, sondern nur ein durchschnittliches, mit allen Sorgen und Träumen einer jungen Frau behaftetes Mädchen. Gerade deshalb wurde sie wohl zu einem musterhaften Beispiel für die immense Kraft, die Menschen in Not aufbringen können, auch wenn sie von den grausamsten Fällen unvollstellbarer Unmenschlichkeit umgeben sind. Anne soll uns, das zeigt die Ausstellung ganz klar, als das lebensfrohe und optimistische Mädchen voll überbordender Phantasie in Erinnerung bleiben, die sie war, ein lichter Mensch in der Dunkelheit der Tragödie.

Doch die Ausstellung, die im Stadthaus Zürich bis Mitte Januar gezeigt wird, bleibt nicht nur am Beispiel Anne Franks hängen. In einem regelrechten Potpurri von Bildern werden die verschiedensten Themen angeschnitten, die die Grausamkeit dieser Zeit illustrieren sollen. Auf den Spuren Anne Franks wurde die Zeit zwischen 1933 und 1945 in Deutschland, Holland und der Schweiz rekonstruiert. Ein Schwergewicht bildet dabei die jüdische Bevölkerung, die auf der Flucht vor den Nazis immer wieder neue Möglichkeiten der Existenz gefunden hat. Daneben wird auch die Thematik des Widerstandes nicht ausser Acht gelassen. Deutsche und niederländische WiderstandskämpferInnen werden in ihrem Alltag gezeigt, in Ausbildung, Kampf und Tod. Lobenswert ist, dass die Darstellung des totalen Greuels in Konzentrationslagern absichtlich eher kurz gehalten worden ist. Nicht, dass ich deren Existenz bestreiten möchte, aber ich denke, dass auch mit alltäglichen Bildern ausserhalb der KZ der grauenvolle Umgang mit den Menschen jener Zeit aufgezeigt werden kann, ohne gerade mit den aus vielen Filmen bekannten KZ-Bildern zu kommen. Das Grauen begann schon vor den Toren von Oswiecim/Auschwitz und Bergen-Belsen. Auch deshalb ist diese Ausstellung so sehenswert.

Den Abschluss und den Anfang bildet jedoch der Umgang der offiziellen und inoffiziellen Schweiz mit dem Thema Judenverfolgung und Krieg. Die offizielle Politik lautete ja, dass Juden keine politischen Flüchtlinge seien und somit kein Anrecht auf Asyl besassen. Die nazifreundliche Politik einiger schweizer Politiker wird damit an den Pranger gestellt, mit Recht, wie man heute weiss und damals schon gewusst hat. Ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass es aber auch im Volk echte Menschen gab, ist der authentische Brief einer Primarklasse an den damaligen (NS-freundlichen) Bundesrat Von Steiger, der fordert, dass Juden in der Schweiz aufgenommen werden sollen. Anscheinend waren schon damals Kinder und Jugendliche sensibilisierter für die echten Probleme als die erwachsenen Politiker. Einen Kontrapunkt dazu blden aber auch Darstellungen von nazistischen Umtrieben in unserem Land, Bilder von Demonstrationen junger Faschisten und Zeitungsausschnitte, die offen oder versteckt zur Hetze gegen Juden und Jüdinnen aufrufen. Die Schweiz hat ebenfalls Verbrechen gegen die Menschheit begannen damals. Nicht, dass sie die Greuel der Nazis offen unterstützt hätte, aber sie leistete doch kräftig Beihilfe zum Völkermord, indem sie die Verfolgten abwies oder absolut unter jeder Würde behandelte. Die Ausstellung im Stadthaus hebt dies hervor. Sie geisselt die Verbrechen der Nazis und ihrer Helfershelfer, indem sie sie fast kommentarlos aufzeigt. EinE JedeR kann sich ein Urteil bilden. Insofern sehe ich es gerade für junge Menschen der Generationen X ud Y als ein Must an, diese Ausstellung anzuschauen und sich Gedanken darüber zu machen. Dies gilt vor allem auch für solche, die heute noch an Ideen der faschistischen Ideologie glauben. Von denen gibt es ja noch viele, leider.



Wildcat (EMail) aus Zürich.