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Lysistrata - eine schwule Heldensaga
Als seine ersten Comics herauskamen, galt Ralph König als ein Underground-Comicautor für
lauwarmen Humor. Seine Comics wurden quasi unter dem Tisch weitergereicht, denn sie galten
als nahe an (rosa angehauchter) Pornographie. Auch der Biwidus-Autor hat seinen ersten König,
einer nahen Bekannten entliehen und insgeheim während einer Uni-Vorlesung unter dem Tisch
gelesen. Und ich weiss noch, dass es Königs Umsetzung der alten griechischen Sage "Lysistrata"
gewesen ist. Und wie so viele war ich begeistert vom überwältigenden königlichen Humor, dessen
knollennasige Figuren (sein Markenzeichen) so ziemlich alles verarschen, was an
zwischenmenschlichen "Beziehungen" möglich ist.
Das MoMoll-Berufstheater aus der Ostschweiz hat sich zu seinem zehnjährigen Bestehen des lustigen,
aber wegen seiner Dreistigkeit schwierigen Stoffes angenommen und es letztes Jahr sehr, sehr
erfolgreich umgesetzt. Nachdem sie mit der schenkelklopfig-schwulstigen Saga letztes Jahr
durch die Lande gezogen waren, haben die OstschweizerInnen das Programm noch einmal
aufgenommen. Und nach einer Reprisen-Premiere in Zürich tourten sie auch in Winterthur
vorbei.
Die Story ist am Anfang gleich wie bei Sophokles. Die Frauen des alten Athen verweigern
sich ihren Männern, um sie zum Frieden mit Sparta zu zwingen. Und auch diese haben bald
Probleme mit einem Sexstreik der Weiber. Ziemlich bald laufen die Kerle mit dicken, stehenden
und schmerzenden Schwänzen durch die Gegend. Und die Frauen sind voller Erwartung, dass
der Krieg bald endet. So ganz nach dem Pariser-Motto "Make love not war".
Jetzt weicht König etwas von der Vorlage ab. Der Megalesbe Lysistrata erwächst
Konkurrenz vom Oberschwulen Hepatitos, der nicht nur höchst transvestiv und hässlich,
sondern auch überaus schlau ist. Er überredet die Athener Führung, zwecks Hebung der Kampfkraft
und Senkung des Hormonspiegels zur Operation "Zwangshomosexualität". Plötzlich beginnen
die Athener, sich aneinander zu befriedigen, bis hinauf zum Big Boss (schon mal was von Wichsen
gehört?). Und siehe da, alles läuft wie am Schnürchen. Nur leider bei den Spartanern
auch. Aber die Homos haben jedenfalls ihre Freude daran.
"Zwangshomosexualität hat nichts mit Schwulsein zun tun", reden die gestandenen Männer sich immer ein, aber
sie irren sich. Am Schluss gibt es eine Massenbefriedigung, äh, Massenbefriedung vor den
Toren Athens. Und die Frauen unter Führung Lysistratas schauen blöd aus der Wäsche. So
läuft die Story ab, das MoMoll-Theater hält sich dabei recht genau an die Vorlage, abgesehen
von weggefallenen Kleinigkeiten wie das Intermezzo des bescheuerten Ehepaares im Heft (mal
selber nachlesen...).
Der quirlige Spanier Jordi Villarga hatte zusammen mit Jürg Schneckenburger die Umsetzung
geleitet. 15 SchauspielerInnen reichten aus, um dem schwierigen Stoff den nötigen realen
Touch zu geben. Was im Film einfacher umzusetzen ist, nämlich die Schwulstigkeit von
Königs knollennasigen Helden (z.B. Lutschi Mackeroni aus dem "Kondom"), hätte auf einer
echten Bühne gröbere Probleme gehabt. Die Entscheidung der Truppe, dafür eine eigene
Open Air-Bühne aufzubauen, war wohl genial, der Wind, das schummrige Licht und die (Winterthurer)
Wolkenkratzer im Hintergrund, all dies verstärkte die Wirkung des ohnehin sehr üppigen
Stückes. Natürlich war auch diese Aufführung (organisiert von den Leuten des Kulturzentrums Gaswerk)
ausverkauft.
Mit dem Erfolg der königlichen Comics war auch der Erfolg des MoMoll-Theaters vorgezeichnet,
aber schon seit fünf Jahren, so meinte ein Mitglied der Truppe, hätten sie dieses Projekt
in Planung, noch vor dem Grosserfolg des schwulen Autors also. Das Stück ist ebenso
lustig, emanzipativ und aktuell. Abgesehen davon passt es ins immer etwas schräge Programm
des zehnjährigen Theaters. Und übrigens: der Comic-Autor lobte die Vorstellung der SchweizerInnen
in seinem neuesten Werk, war er doch auch an der Konzipierung der Bühnenadaption mit dabei,
er räumte dann der kleinen Provinztruppe die Uraufführungsrechte ein. Das Plakat
stammte von ihm. Wer weiss, vielleicht ist dies auch nicht das letzte gemeinsame Projekt
der Truppe mit dem Zeichner aus dem grossen Kanton. Hoffentlich nicht.
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