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Zürich
28.8.1996

Theater

Karls neues kühnes Gassenschau-Programm

150 Jahre Bundesstatt

Züri lacht

Theater für Zürich

Lorenz Keiser: Aquaplaning

Andorra

Lysistrata

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Chin. National_zirkus

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Das Leben ist eine Maskerade

Wer diesen Artikel liest, wird sich wohl gefragt haben, was ein Bericht über das Programm von SchülerInnen einer Kleinkunstschule im Biwidus zu suchen hat. Diese Frage haben wir uns auch gestellt, als die Premiere des Programms "Mascarada" der Compagnia Dimitrti stattfand. Wir kamen aber zum Schluss (so bald wir wieder Luft geholt und unsere vor Lachen ermüdeten Bäuche wieder kuriert hatten), dass auch die kulturlose Generation X mal den Weg ins Bernhard-Theater suchen sollte, denn dieser Abend ist eineinhalb Stunden reine Komik (und gleichzeitig perfekte Kleinkunst).

Die Compagnia Teatro Dimitri existiert seit 1978 und entstand aus der Clownschule des berühmten und beliebten Künstlers im Tessiner Kaff Verscio. In seiner Schule (gegründet 1975) bringen er und seine Freunde den jungen KünstlerInnen als bisher einzige Schule in Europa die Meisterklasse der Kleinkunst bei. Die späteren MimInnen werden gelehrt und geprüft in den Fächern klassische Pantomine, Maskenbau und Maskenspiel, Tanz, Rhythmus, Theaterimprovisation, Körperausdruck und Stimmbildung, Akrobatik, Jonglieren, Artistik und Zauberei. Auch die Beherrschung verschiedener Musikinstrumente gehört zum a und o des Könnens. Wer will, kann nach der Ausbildung entweder ins Ausland oder eben in der Compagnia Teatro Dimitri ein Auskommen finden. 15 Programme mit über 30 ehemaligen AbsolventInnen sind seither rumgetourt - um die ganze Welt übrigens.

Das neue Programm "Mascarada" wurde von Dimitri und seiner Truppe entwickelt. Regie führte der Meister selbst. Kostüme, Bühnenbild und und Masken wurden von ihm mitkonzipiert. Die Geschichte des Stückes ist eigentlich sehr schnell erzählt. Es spielt in einem Variet unter einem wortwörtlich "schweinischen" Direktor, der seine neuen Angestellten begutachten will, es handelt sich also hierbei um eine sogenannte Audition. Er entscheidet, wer den rechten (für die akzeptierten Künstler) und wer den linken (für die abgelehnten) Ausgang nehmen wird, entscheidet also wie das Schicksal im echten Leben ("der Fahrstuhl nach oben ist besetzt - damdamdam - sie müssen wartemn...") . Drei liebestolle Sekretärinnen und das Objekt ihrer Begierde, ein mehr als nur bescheuerter Techniker, stehen ihm zur Seite. Ach ja, und da wäre noch sein Köter. Und das ganze Stück ist wie ein Zirkusprogramm, wo die KünstlerInnen kommen, ihr (Nicht-)Können zeigen und wieder gehen -entweder nach links oder nach rechts.

So blöd das auch klingt, so lustig ist das ganze doch umgesetzt. Da wäre mal der Direktor, der sagt nichts, sondern deutet seinen Willen immer pantomimisch an, keine einfache Sache unter einer Schweinemaske! Seine drei Musen und ihr potentieller Liebhaber bilden das Zwischenprogramm. Immer wieder treten sie auf und zeigen das Leben hinter den Theaterkulissen auf eine selbstironische Weise. Und immer wieder treten verschiedene KünstlerInnen auf, mit den sonderbarsten und lustigsten Nummern. Den Anfang bildet ein Zwerg, der ununterbrochen quatscht und alles "zunderobschi" bringt, ihm folgt ein peitschender Höhlenmensch und sein Eisbär, die singenden und steppenden Schwestern Kellermann (aus Berlin!), zwei völlig übersenile Omas mit ihren Blockflöten, ein verliebter und glockenspielender Pierrot, der Bühnentechniker Albert und seine jonglierenden KollegInnen, ein Kamel und zwei orientalische Schönheiten, zwei AkrobatInnen im Vorschulalter und so weiter und so fort.

Und der Witz an der Sache war, dass das ganze Programm inklusive den Zwischenpartien von nur sechs SchauspielerInnen bestritten worden ist, die ihr ganzes Können unter Beweis gestellt haben. Jeder und jede Einzelne schlüpfte immer wieder in eine andere Maske und somit in eine andere Persönlichkeit und Kunstform. Die eine steppt, der andere bläst Alphorn, eine Kuh aus einem und ein Kamel aus zwei Personen treten auf, die Omas erinnern an Mummenschanz und langweilen alle, die Zwergennummer ist ein kriechender Mime und zwei, die je ein tanzendes Paar aus ihren Beinen und Armen bilden. Alle Formen der Akrobatik werden durchgespielt, Pierrot (meine Lieblingsnummer) schafft es, nur mit seinem Gesicht und seinem Glockenspiel das Wechselbad der Gefühle eines Verliebten zu zeigen, und schliesslich stimmt auch der Hund in das Spiel ein.

Kurz und gut. Dieses Programm ist ein Muss, und die ArtistInnen sind wahre MeisterInnen ihres Jobs, sie können einfach alles und das gut. Wer sich faszinieren lassen will, wieviel Facetten die Ausbildung in der Kleinkunst haben kann, soll sich die Sache mal ansehen gehen. Möglichkeiten dazu bieten sich noch in Winti und in Nürensdorf (siehe unten). So viel Arbeit auch dahinter stecken mag, alles wirkt so natürlich und so wahnwitzig amüsant, die Fähigkeiten der Leute sind fast atemberaubend. Die Story an sich, die Maskerade, ist ja der Inhalt ihrer Ausbildung, sie schlüpfen in die verschiedensten Rollen und Tätigkeiten. Ja, vielleicht ist das Leben nicht nur für sie eine Maskerade, sondern auch für uns. Auf alle Fälle ist das Programm ein echtes Stück Variet mit allen Vor- und Nachteilen, mit Höhen und Tiefen, ein farbiges Spektakel für alle. Und damit meine ich wirklich alle. Ach uns junge Leute, denen so Bühnenzeugs eigentlich stinkt.

Das Programm "Mascarada" ist nach dem Bernhard-Theater auch in Winterthur (am 13.9.) und in Nürensdorf (14.9.) zu bewundern. Der Meister selbst, Dimitri, tritt diese Woche im Bernhard-Theater mit seinem Programm "Dimitri Clown" auf. Und trotz seiner Klasse haben seine SchülerInnen den Vergleich mit ihrem Lehrer nicht zu scheuen.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus Zürich