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Zürich
27.6.1996

Drogen

Coop-Hanf-Tee

Vom Hanf-Skandalprozess

Kiffertypen

Zigis (oder anderes) drehen

ZH, BL und SO meinen: Legalisieren!

Heroinabgabe

Jugendsession 96

Expovina 96

Drogendatenbank

Weinernte 95

Suchtprävention 1996

Hanffestival

Alkohol- Konditionierung

Bex 96

Nase im Wind, und es stinkt

Das Interesse der Medien war nicht so besonders, als die Suchtpräventionsstelle der Stadt zur Vorstellung ihrer neuen Strategie ins Zelt auf dem Lindenhof lud. Die Kulturveranstaltung mit Theater, Spiel und Spass soll dort angeblich seine "suchtpräventive Wirkung" entfalten. Dieser Anlass ist jedoch ein Ueberbleibsel aus der "alten" Aera der städtischen Suchtprävention, denn ab sofort soll sie andere Grundsätze haben. Statt des erhobenen Zeigefingers möchten die 7,9 StelleninhaberInnen an der Röntgenstrasse 44 Hilfe zur Selbsthilfe geben und den "Markt" besser kennenlernen. Dies nicht zuletzt, aufgrund der Streichungen des Budgets im Sozialbereich. Was das genau bedeutet, haben die Zuständigen uns in eben diesem Mediengespräch offenbart.

Die Suchtpräventionsstelle Zürich wurde 1985 gegründet und damit beauftragt, die Bevölkerung über illegale und legale Suchtmittel, sowie die Hintergründe von Sucht und Konsum zu informieren. Die heute 11 MitarbeiterInnen versuchen, Sucht und Suchtmittelkonsum in einen breiteren gesellschaftlichen Rahmen zu stellen. Nicht nur der/die einzelne KonsumentIn soll "behandelt" werden, sondern auch die "Nichtsüchtigen", resp. der Rest der Gesellschaft, die an der Sucht des Individuums mitverantwortlich ist. Seit Anfang an besteht der Hauptteil ihrer Arbeit aus Bildung irgendwelcher Art. Je länger je mehr hat mensch aber nicht nur versucht, Schäden zu minimieren, sondern auch "gesunde" Strukturen zu fördern, resp. den Schaden gar nicht erst entstehen zu lassen.

Nach zehn Jahren Suchtprävention heisst die Devise 1996:"Es soll gesund bleiben, wer gesund ist, und zwar ohne zu verbieten oder zu drohen." Oder:"Stärke deine inneren Fähigkeiten und vertraue auf dich selbst." Nicht die Grammatik gab mir dabei zu denken, sondern die Frage:"Wer ist hier eigentlich noch gesund?" und "Was für innere Fähigkeiten?" Im Klartext heisst das: anstatt die Sucht an sich zu bekämpfen, soll versucht werden, das Suchtpotential gezielt zu reduzieren, so dass der "normale" Mensch mit einer etwaigen Sucht umgehen kann. Das klang schon besser. So steht dann auch in einer Infobroschüre über die Stelle selbst:"Es ist gelungen, Verständnis dafür zuschaffen, dass Sucht nicht allein ein Problem von Fixern, sondern bei jedem einzelnen Menschen als Möglichkeit und Gefahr vorhanden ist."

Sucht soll als natürliche Fluchthandlung aufgrund verminderter Fähigkeit zur Konfliktbewältigung angesehen und diese wieder gefördert werden. Wer Suchtprävention betreibt, soll Suchtgefährdeten wieder mehr Selbstwertgefühl und Sensibilität gegenüber der Realität vermitteln, der (vor allem junge) Mensch soll lernen, mehr aus seinem Leben und sich selbst zu machen. Hierfür werden verschiedene Mittel und Wege angewandt. Neben kulturellen Veranstaltungen wie dem Spielhof sollen dies auch Begegnungen und Aktivitäten im Quartier sein. Geplant sind ausserdem Vorträge in Schulen und Managementbüros, wie Menschen mit ihrem eigenen oder fremdem Suchtpotential umgehen sollen. Ein anderes Beispiel sind Aktivitäten in freier Natur wie ein Waldlager für Jugendliche, wo diese die Natur und ihren Platz darin kennenlernen, ihre Aengste überwinden und die Grenzen ihrer Möglichkeiten erforschen sollen. Grenzerfahrungen sollen eben nicht mehr nur per "Drogen", sondern über "natürliche" Erfahrungen in den Bereichen Abenteuer, Sport und Gemeinschaft gefunden werden.

Daneben möchte mensch trotz des geringeren Budgets versuchen, die Forschung zu intensivieren und das Wissen an Interessierte weiterzugeben, damit diese wiederum MultipilkatorInnen sein können für andere. Unbedingt wichtig seien, so meinte Stefan Brüllhart gegenüber Biwidus, die Förderung von Schutzfaktoren wie dem Lebenssinn, das Gefühl, etwas verändern zu können, die Fähigkeit, schwierige Situationen als Herausforderung und nicht als Bedrohung zu empfinden, sowie die Stärkung von Beziehungen irgendwelcher Art. Gerade letzteres ist in einer Gesellschaft, die das Individuum predigt, sicher nicht einfach. Die Vermittlung all dessen obliegt nicht zuletzt uns Medien (u.a. durch die angelaufene Kampagne "Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch.")

"Erkennen und Verstehen, Selbstreflektion und Informiertsein sind Grundvoraussetzungen in der Suchtprävention", meinte Eveline Winnewisser, Bereichsleiterin Bildungsarbeit, weshalb gerade hierauf grosser Wert gelegt werden müsse. Nicht nur SchülerInnen, sondern auch Werktätige und vor allem auch PolitikerInnen sollen lernen, mit dem Faktor Sucht zu leben. Die Arbeit mit Schulen Quartiergruppen, Familien und Betrieben wird intensiviert werden. Die Suchtprävention unterstützt zum Beispiel Feste in den Quartieren, auch wenn dies bedeutet, dass ganze Strassenzüge "besetzt" werden - sicherlich auch eine wirksame Grenzerfahrung in einer überregulierten und die Einzelperson meist überfordernden Gesellschaft.

Die Suchtpräventionsstelle Zürich hat angeblich die "Nase im Wind" und merkt, dass dieser ihr nun steif ins Gesicht bläst (Stichwort Budgetkürzungen). Und dieser Wind stinkt, je länger die MitarbeiterInnen in gesellschaftspolitischen Bereichen herumstochern. Aber dadurch lernen auch sie und können den Feind besser bekämpfen. Dieser Feind ist nicht der/die Süchtige, sondern das, was sie süchtig gemacht hat. Dort setzen die 11 RitterInnen ohne Rüstung ihren Hebel an, und obschon ihr Tun für viele (gerade junge Leute) gefährlich nahe am Blaukreuzlertum zu sein scheint, soll ihrer schwierigen Arbeit Glück beschieden sein. Ein erster Schritt dazu: Legalize it!



Für Biwidus: Wildcat (EMail) vom Lindenhof in Zürich