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Frauenfeld
14.7.1998

OpenAirs

Das 8. Heitere Open Air

Out in the Green 1998, Sonntag

Out in the Green 1998, Samstag

Out in the Green 1998, Freitag

Das Mega-Open Air

Oitg 98
  • Freitag: Pur, Clawfinger und Deep Purple
  • Samstag: K's choice, Transister, Anouk, Iggy Pop, Jazzkantine, Björk und Eros Ramazzotti
  • Sonntag: Angélique Kidjo, Joaquin Cortes, Bob Dylan und Joe Cocker

Out in the Green 1998: der Samstag

K`s choice1 Nach einer langen Nacht im Zeltdorf (man muss ja mehr von Stadt reden) und in der Musikbeiz gab es am Samstag nachmittag eher wieder leichtere Kost. Zuerst. "K's Choice" aus Belgien waren vor allem eine eigentliche Augenweide, musikalisch aber hoben sie sich für einen Laien nicht besonders von den restlichen Bands hervor. Ihr Sound war eine etwas verwirrende Mischung aus rockigen Balladen mit innovativer Musik aus dem Trip Hop-Bereich. Aber eben: nichts besonderes, wenn auch kurzweilig. "K's Choice" waren nur eine von vier aufeinanderfolgenden schönen Sängerinnen, ein irgendwie sowohl optisch, als auch musikalisch passendes Multipack. Stark allerdings war die sehr weibliche Stimme der Sängerin, zu hören auch auf der neuen CD "Cocoon crash".

K`s choice 2 Auf die Band des belgischen Geschwisterduos K's choice folgte Transister, eine recht neue, weibliche Rockröhre (namens Keely Hawkes), die mit ihrem Trio einen recht interessanten Sound spielt. Rockig wie auch poppig röhrte Sängerin Keely Hawkes in einem interessanten durchsichtigen Kleid über die erwachende Masse. Dass das Konzert mit dem technolastigen "Head" begann, war bezeichnend, die Band spielte sich dann zwischen Trip Hop und Rock durch. Auch hier gilt: schöne Sängerin, kommerziell erfolgreiche Mischung von Computer- und traditioneller Rockmusik. Eine Open Air-Band, die jedoch ein bisschen unbeholfen gewirkt hat.

Transister 1 Die Band aus L.A. spielt erst seit zwei Jahren zusammen und hat ihren ersten Hit mit einem Stück für den Film "Nightwatch" gehabt. Sie haben auch schon mit den "Smashing Pumpkins" getourt und brachten erst kürzlich ihre neue CD heraus. Sie kommen klar aus der Crossover-Ecke, aber einige Stücke (wie "what you are") sind recht poppig und bieten der feinen Stimme von Keely einige Freiheiten, die anderen sind klar rockorientiert (z.B. das Einstiegslied "Look who's perfect now") oder halt aus dem technoiden Bereich, wo der Sequenzer den Takt angibt ("Head"). Kleines Detail am Rande: Keelys Schreien sei berüchtigt, steht in der Pressemitteilung der Plattenfirma, sie hat es schon 1970 im Film "The haunted house of Horror" anwenden dürfen.

Anouk 1 Und wenn wir schon beim Thema Rockröhre sind: Anouk, die zuckersüsse Holländerin, eine Schönheit sondergleichen, gilt als die (!!!) Neuentdeckung des letzten Jahres und war somit eine der grossen Erwartungen am Out in the Green. Ihr Sound kommt voll rüber, sie hat Aehnlichkeiten mit Nirwana. Von Anfang an gab sie den Tarif durch. Und nicht nur musikalisch. Nach einigen Songs zog doch die Kleine ihr ohnehin schon knappes und enges Top aus und tanzte nur mit dem blauen BH über die Bühne. Nicht dass der Anblick einer wohlgerundeten fast nackten Frauenbrust unangenehm wäre, im Gegenteil, aber bei der Kälte war das offensichtlich der (erfolgreiche) Versuch, das männliche Publikum anzugeilen. Und zu demonstrieren: ich bin ein wildes, unabhängiges Mädchen. Etwas pubertär. Auch ihre Durchsagen waren etwas gar teeniehaft und sollten wohl vor allem nur ihre sexy Erscheinung verstärken. Aber das Konzert war sehr schön, sie ist sicher DIE Rockröhre Europas im Augenblick. Und wenn man auch noch so schön aussieht, ist der Erfolg vorprogrammiert. Etwas seltsam allerdings war die Wiederholung ihres Hits "Nobody's Wife" als Zugabe.

Anouk 2 Mit ihrem Album "Nobody's wife" setzt sie Akzente und genau das kriegt man in Frauenfeld geboten. Wer eine singende Tussi a la Blümchen erwartet hat, wurde getäuscht. Die Kleine kann singen. Und wie. Mal ganz grundsätzlich: die Frau hat eine Stimme, dass es einem den Atem verschlägt. Rauh, aber doch sehr erotisch und schön. Die erste Auskopplung aus ihrem ersten Album "Together alone" ist "Nobody's wife", wo die Kleine mit ihrer Band schon so richtig losdrischt. Die Frau wandelt auf den Spuren von Sheryl Crow und Alannis Morissette, ist aber sehr eigen. Ihre Musik ist hart. Es ist aber halt auch das Optische, was es ausmacht, die CD hat eine - sagen wir - äusserst reizvolle Cover. Die Holländerin hat mit der Ballade "Mood Indigo" einen nächsten Hit vorprogrammiert.

Iggy Pop Zum Thema Stilwechsel: von der göttlich hübschen Anouk zum wohl hässlichsten aller Pop- und Rockstars: Iggy Pop. Der Mann ist nicht alt, nein, er ist einfach vorsintflutlich. Und total abgefuckt. Und trotzdem geil!!! Mit schütterem und langem Haar, nacktem Oberkörper (samt seiner vom exzessiven Punkleben gezeichneten Brust) und seinen noch immer brennenden Augen sprang, turnte und grölte sich Herr Osterberg über die Bühne. Seine Songs waren vielen unbekannt, zumal er wohl doppelt so alt ist wie viele der FestivalbesucherInnen. Aber wie der Mann wie ein Teufel seine zum Teil zotigen Songs und Sprüche über die Massen brüllte, ist schon fast der Inbegriff des Punk. Seine Lederhosen hat er noch immer an, er leckt noch immer das Mikrophon ab, er ist noch immer eine lebende Karikatur, aber Iggy Pop wirkt wohl noch weit über den Jarhundertwechsel hinüber, als Vertreter eines reinen Rock, der genau das Gegenteil des heutigen Mainstream darstellt. Der Anti-Boy-Group. Zum Glück.

Jazzkantine Ueber die Jazzkantine muss die eifrige LeserInnenschaft unseres Magazins nichts wissen, die Jungs waren schon ein paar mal unsere thematischen Gäste. Die Jazzkantine sind und bleiben eine Liveband, sie veranstalten mit ihrem Grossaufmarsch auf der Bühne (rund ein Dutzend Musiker) eine Riesenparty im Publikum. Sie verbinden Jazz und Hip Hop, vorgetragen diesmal von den Rappern Capuccino, Alexej und anderen. Sie zogen das Publikum mit, vor allem als Alexej seine Persiflage auf einen aggressiven radebrechenden Türken abzog. Die Rapper wechselten ihre Soloparts mit denen von der Band ab. Ein eigentlicher Geniestreich war dabei der Auftritt von Kantinen-DJ Air Knee, der eine Show bot, dass sich die Bretter bogen. Immer wieder durchbrachen die Jungs die Regeln eines normalen Konzertes, mit Instrumenten, die niemand kennt, mit immer abwechselnden Variationen eines Songs und der Gewissheit, dass sie endlos spielen könnten, wenn sie wollten. Und immer was anderes. Jazzkantine sind wohl eine der originellsten und beständigsten Live-Acts überhaupt in Europa (und treten auch am Heiteren in Zofingen auf...).

Björk Die Deutschen gaben dann die Bühne frei für die Isländerin, die für viele BesucherInnen in Frauenfeld als der eigentliche Hauptact galt. Björk. Die Kleine hat einen schon fast mystischen Ruf als Livesängerin, wo auch immer sie mal Open Air auftritt, so wie diesmal in Frauenfeld (letztes Jahr war sie ja am Gurten). Ihr Konzert war (genauso wie sie selbst) wohl das aussergewöhnlichste am Open Air. Björk trat ohne Band, ab DAT und Sequenzer, aber mit einem Live-Streicherquintett auf (das jedoch den musikalischen Kampf gegen den Computer mit laufendem Konzert bezeichnenderweise immer mehr verlor). Sie stand ganz vorne, jedesmal, im Kleid einer Primadonna und mit einer Stimme, dass es einem kalt den Rücken runterging. Die Kleine sieht mit 32 noch immer wie ein Mädchen aus, kokkettiert aber auch damit, indem sie tänzelt wie eine Ballettschülerin, indem sie sich mit einer feinen Piepsstimme bedankt und indem sie fast weinerlich ihre Songs runtersingt. So viel Gefühl und so viel Stärke liegt in dieser Frau und ihren Liedern, dass sie eine Blume für jedes Festival ist. Björk ist schon etwas irreales gewesen in Frauenfeld...... auch auf der Videowand.

Mädchen und Puppen Schliesslich und endlich rundete der Italoschnulzier Eros Ramazzotti den Abend ab. Der Mann fasziniert sein Publikum mit seiner etwas krächzenden, aber nichtsdestotrotz spannenden Stimme. Irgendwie passte er in diesen Abend. Das Publikum wollte nach so viel rockigem wohl wieder etwas einfaches, simples, nichts überlegen. Eher für die einfachen Gemüter und vor allem halt für die vielen Teenies auf dem Gelände war Eros da. Er sang, wie man es von ihm erwartet hat. Für Fans der anspruchsvollen Rockmusik war das nichts, aber immerhin hörenswert. Unklar war mir eigentlich dabei nur, was die Kopfhörer sollten, die jedes Mitglied in den beiden Ohren hatte, so schlecht war die Musik nun auch wieder nicht.... Vielleicht mussten sie sich aber auch einfach nur über die aktuellen WM-Resultate informieren. Jedenfalls: Eros ist zu gut, um so langweilig zu sein, wie seine Musik an sich ist. Und die Fans der sehr leichten Muse kamen so professionell auf ihre Rechnung.

Die offizielle Site des Festivals ist immer noch (wenn auch leider absolut unaktuell und fahrig gemacht) abrufbar bei www.outinthegreen.ch!

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Für Biwidus: Wildcat (EMail) (Open Airs forever!!!)