Interview mit Donghua Li
Donghua Li trat zurück, seine Zukunft soll nun mehrheitlich von seiner Familie
bestimmt sein. In kurzer Zeit bekommt seine Frau Esperanza ein Kind.
Beim Grand Prix "Swiss Cup" in der Saalsporthalle kämpfte der Olympiasieger
nicht mehr um Noten und Medaillen. Mit einem Show-Auftritt auf seinem
geliebten Pauschenpferd leitet er den Abgang ins Privatleben ein.
Biwidus sprach mit dem Luzerner aus China über die Zukunft.
Biwidus: Ohne Donghua Li muss die Schweiz wohl wieder jahrelang auf Turn-Gold warten.
War Ihr Rücktritt wirklich schon nötig?
Donghua Li: Ja. Erstens habe ich alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Und zweitens
bin ich ganz einfach zu alt.
B: So alt sind Sie ja auch wieder nicht...
DL: Das stimmt. Ich bin sogar über Nacht ein Jahr jünger geworden.
B: Wie bitte?
DL: Ich werde am 10. Dezember 29 Jahre alt. In meinem Pass steht zwar als
Geburtsdatum der 10.12. 1966. Aber dieses Datum hat mein Vater damals in
China organisiert, damit ich alt genug war, um heiraten zu dürfen. Jetzt
darf ich das ja offen zugeben.
B: Also noch nicht 30 und schon wettkampfmüde?
DL: Ich turne jetzt seit 22 Jahren. Seit meinem Olympiasieg bin ich kaum mehr
zum Trainieren gekommen. Mit diesem minimalen Trainingsaufwand hätte ich
keine Chance mehr,an der Spitze mitzuturnen.
B: Was hielt Sie denn vom Training ab?
DL: Zu viel Arbeit. Alle wollten mich für irgend einen Anlass verpflichten. Im
Moment könnte ich täglich irgendwo auftreten.
B: Also hat sich der Olympiasieg auch finanziell gelohnt?
DL: Im Moment schon. Aber sportlicher Ruhm kann verblassen. Darum habe ich meine
Zukunft in den letzten Wochen gut geplant.
B: Was werden Sie also konkret machen?
DL: Ich werde sicher immer wieder als Show-Turner auftreten. Ich habe so viele
Anfragen, dass ich vermutlich noch mit 60 Jahren aufs Pferd steigen werde.
B: Dann gibt es den Olympiasieger am Pferd also nur noch als Show-Man am Pferd
zu bewundern?
DL: Nein. Ich bleibe dem Schweizerischen Turnverband auch in anderer Funktiuon
erhalten. Ich werde 30 Tage im Jahr im Nachwuchsbereich als Trainer arbeiten
und 30 Tage für den Verband Werbung betreiben.
B: Ein Job als vollamtlicher Trainer hat Sie nicht interessiert?
DL: Vorläufig ist es noch nicht so weit. Ich will zuerst den Trainerlehrgang
machen und meine anderen Aufgaben erfüllen.
B: Welche Aufgaben?
DL: Ich habe auch noch einen Vertrag bei der Credit Suisse, der mich ebenfalls
rund zwei Monate im Jahr beansprucht. Zudem werde ich im Rahmen eines
Projektes auch in der mentalen Schulung von Managern und Führungskräften aus
Wirtschaft und Politik tätig sein. Und jetzt kann ich endlich auch den
Verpflichtungen gegenüber meinen Sponsoren nachkommen, die während
meiner Wettkampftätigkeit oft zu kurz kamen.
B: Langweilig wird es Ihnen also nicht?
DL: Nein, ganz bestimmt nicht. Denn schon bald werde ich auch im Privatleben
mehr beansprucht sein.
B: Sie denken an Ihr erstes Kind. Wann ist es soweit?
DL: Schon bald. Der Termin ist Mitte Dezember. Ich habe mit meiner Frau den
Geburtshelfer-Kurs gemacht. Esperanza und ich warten schon ganz ungeduldig
auf den Tag der Geburt.
B: Können Sie sich vorstellen, jemals wieder in ihr Geburtsland zurückzukehren?
DL: Ich habe in der Schweiz meine neue Heimat gefunden. Ich habe hier eine
Familie. Meine Kinder sollen in der Schweiz zur Schule gehen. Aber ich werde
China sicher immer wieder besuchen.
B: Können Sie sich vorstellen, dass Ihr Sohn oder Ihre Tochter einmal eine
Turnkarriere einschlägt?
DL: Das erste Kind wird vermutlich eine Tochter. Aber ganz sicher sind wir trotz
Ultraschall nicht. Ob Sie Turnerin wird, kann sie später selber entscheiden.
B: Was ist für Sie Glück?
DL: Eine liebe Frau und eine Familie zu haben. Erfolg im Leben. Und Gesundheit.
B: Wie halten Sie sich in Zukunft fit?
DL: Ich werde weiterhin an den Geräten trainieren. Zudem hat mich der Schnee in
den letzten Tagen ganz aufgeregt gemacht. Ich freue mich auf die erste
Skifahrt des Winters. Ich fahre schon sechs Jahre Ski und möchte es endlich
besser lernen.
B: Was wissen sie vom Internet ?
DL: Nun, eigentlich nicht viel, ich weiss nur, dass man in Atlanta viel auf dem
Internet übertragen hat und dass man damit Briefe in sekundenschnelle
um die Welt schicken kann. Eigentlich würde ich gerne mal meinen Verwandten
in China via Internet schreiben.
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