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Echt Solidarische Jugendsession
Ehrlich, ich kann es einschätzen, denn ich bin schon das siebte Mal
dabei. Aber ich kann mich schon lange nicht mehr an eine Session
erinnern, die so happy ablief. Nicht, dass sie besonders fehlerfrei
wäre oder so. Aber der Groove innerhalb der Mitglieder und HelferInnen
war so gut, dass es schon eine regelrechte Freude war, den Leuten
beim sessionieren zuzusehen. Und das tat ich ganze drei Tage lang.
Es ging diesmal um Solidarität und die Bereiche, in denen sie heute
dringend fehlt. Und derer gibt es viele.
Begonnen hat die Chose am Donnerstag morgen, als der jurassische
Schriftsteller José Ribeaud die Ankommenden mit den Worten begrüsste:
"Die macht ist zu nehmen. Und ihr müsst diese Macht nehmen." Hierfür gebe
es ja jetzt genug Zeit. Wie recht der Typ hat, einer der wenigen Alten, die
die Sache wirklich sieht. Der Typ hat grundsätzlich auch etwas anderes
sehr gut verstanden. Dass Solidarität Gleichheit bedeutet, dass es einem
nämlich piepschnurzegal ist, was anderes als ein Mensch sein Gegenüber ist.
Egal, welche Landessprache er oder sie spricht. Und dieses Anliegen
teilt auch die überragende Mehrheit der Jugendsession(en).
200 der 720, die sich für die sieben Regionalsessionen angemeldet und daran
auch teilgenommen haben, waren in Bern wieder mit dabei. Sie teilten sich
in verschiedene Arbeitsgruppen zu den verschiedenen Unterthemen auf. Bei der
Gruppe "Minderheiten" arbeiteten sich die beiden LeiterInnen Maurus und
Nicole langsam an die Sache heran, eine Geschichte wurde vorgelesen. Eine
Geschichte über ein Kind, das andere ausschliesst und am Schluss durch seine
Dummheit selbst ausgeschlossen wird. Und die Gruppe konnte sich von
diesem Einstieg aus gestärkt in die Diskussion werfen.
Eine andere Gruppe unterhielt sich über die Asylpolitik, auch hier hatten
die LeiterInnen es nicht leicht, mit einem komplizierten Thema und dem
entsprechend kleinen Wissenshorizont der Gruppe umzugehen. Der
eingeladene Beamte des Bundesamtes für Flüchltinge musste in einem
engen Raum gegen eine Wand des Kleingeistes
sprechen. Eine weitere Gruppe unter der Leitung des aargauisch-bernischen
Leiterduos Ryan und Jan nahm sich des Themas Mann/Frau an und diskutierte
sehr angeregt über die Probleme der Teilzeitarbeit. Sehr bald kamen die
Kids dahinter, dass es sehr viel Mut und Mühe braucht, kurz, konkret und
effizient zu arbeiten.
Donnerstag abend gabs es die erste kurze Pause, die Gruppen leisteten sich
ein kurzes Abendessen, dann (nach vielen und langen OK- und anderen Sitzungen)
schwärmten die älteren Teilnehmenden und HelferInnen zum Ausgang aus. Unter
anderem machten die Mitglieder der diesjährigen Jugendsession die Bar
Splendid unsicher. Vorher war man auch für einen Abstecher in der linken
Hochburg Reithalle. Der müde Gesprächsleiter Maurus stolperte dabei über
einen Frauentisch, von dem er ziemlich unwirsch weggescheucht wurde. Nach
einem kurzen Aufenthalt mit Kilkenny-Bier und einem Gastauftritt in der
Reithalle wagten wir uns auch in eine Latinodisco, aber leider war bei zehn
Männern und einer Frau (und dann leider auch noch eine überzeugte Single)
nicht gut tanzen angesagt.
Am nächsten Tag waren wir auf Besuch bei der Gruppe "Nordsüd", wo die beiden
Luzernerinnen Kathrin und Kristin sich mit einer wirklich phantastischen
Gruppe durch das Programm arbeiteten. Das habe selbst ich bemerkt. Kathrin
meinte dann auch, dass das Gefühl, der Groove innerhalb der Gruppe schlicht
traumhaft war, super, wie sie sich ausdrückte. Harmonie ist das richtige
Wort, es wurde zwar heftig diskutiert, die beiden Mittelschülerinnen
hatten aber nie Mühe, die Diskussion in eine richtige Richtung zu führen.
Die Gruppe hatte auch einen interessanten Ansatz gewählt, es ging um ein
Label für besonders sozial- und ökologieverträgliche Produktion. Die Gruppe
demonstrierte überzeugend eine hervorragende Teamarbeit.
In dieser Gruppe stellte die achtzehnjährige St. Gallerin Sonia auch die
Solidaritätsstiftung vor, so wie es ihr Job während dieser Session ist.
Sie hat sich dafür gemeldet, das Thema intensiv zu diskutieren und dann
den Gruppen vorzutragen. Sie bewies dabei eine Fachsicherheit, dass es
mir kalt den Rücken runterlief. Das Fachwissen, mit dem die Jugendsession
dieses Jahr um sich geworfen hat, ist absolut fantastisch. Die Mitglieder
wussten weitgehend, von was sie sprachen, sie wagten sich sogar oft an
juristische Spitzfindigkeiten. Sonias Gruppe fordert auch Einsitz der
Jugendlichen in den Stiftungsgremien. Die süsse Kleine überzeugte die
Gruppe mit ihrem Wissen und ihren überwältigenden Charme.
Unterdessen wurde das Bundeshaus für die Jugendsession fertig gemacht, die
Gestaltungsgruppe hängte ihre beiden gemalten Werke auf, die einen
Ueberfluss-Abfalleimer und ein Piktogramm für Armut darstellen. Gleichzeitig
trafen sich verschiedene Mitglieder des Parlaments zu einem Stelldichein
mit dem OK-Team. Von Vreni Hubmann, über Christiane Langenberger bis zu
Pierre Aeby war eine interessante Mischung von Politprofis vertreten.
Leider kamen fast alle aus dem linksgrünen Bereich, was OK-Mitglied
Niklaus auf die weiterhin schwierige Rolle der unabhängigen Jugendsession
in der bürgerlichen Politik zurückführt. Jedenfalls war das schon immer
so, dass sich die Rechten diese Mühe nicht gerne machen.
Die Gruppe Nordsüd hatte Besuch von zwei linksgrünen Nationalrätinnen,
der Luzernerin Cécile Bühlmann (GP) und der Bernerin Ruth Gaby Vermot (SP),
die sich offensichtlich damit unterhielten, den Jungen zwei Stunden
lang die Ohren über
ihre Ansichten und Erlebnisse vollzulabern. Leider entwickelte sich
kaum ein richtiges Gespräch, denn meistens schwatzten sie, obschon
sich Cécile Bühlmann anschliessend sehr befriedigt zeigte, die
Mitglieder dieser Gruppe seien echt gut und eine Investition für die
Zukunft (nicht wörtlich, sondern sinngemäss wiedergegeben). Sie mussten
sich auch private Fragen gefallen lassen, blockten aber mit der
Professionalität von Berufsparlamentarierinnen ab. Auch sonst war die
Diskussion leider sehr einseitig, die Jungen haben sich aber sichltich
dennoch unterhalten.
Freitag abend, Fest. Fast ohne Pause ging es im Gaskessel weiter, die
SessiönlerInnen zogen sich zu einem Fest zurück. Es traten verschiedene
Bands auf, darunter die Gruppe Error Func des OK-Mitgliedes Andy Limacher.
Ziemlich bald füllte sich der Partytraum mit tanzenden und trinkenden
Mitgliedern der Jugendsession. Während sich ein Grossteil der "Erwachsenen"
cool an den Tresen hing und sich bei einem Bier oder Wein über
Gott und die Welt unterhielt, tanzten sich die jüngeren dumm und dämlich.
Beobachtet von den wachsamen Augen des Jung SVP-Präsidenten Thomas Fuchs,
der vor zwei Jahren die Jugendsession noch ein Kasperlitheater genannt hatte.
Jetzt hat er sich uns gegenüber eher positiv geäussert. Vielleicht liegt
das auch daran, dass wir auch schon sehr bekifft und besoffen und vor allem
müde des Festens waren. Das Fest war aber eine Riesenfreude, wir hatten
viel, viel Spass, bis wir um fünf Uhr morgens endlich in die Koje kamen.
Jugendsession, das heisst für die meist etwas älteren Mitglieder des OKs
spät ins Bett gehen (wegen Fest) und früh aufstehen (wegen Arbeit), deshalb
hatten die meisten auch ziemlich Mühe, sich für den grossen aller
Augenblicke wach zu machen, die Plenumssitzung, die eines verregneten
Samstag morgens im Bundeshaus begann. 200 Jugendliche zogen von der Jugi
ins Palais, ausgerüstet mit Abstimmungs-T-Shirts, den Petitionen und oft mit
einer nicht kleinen Dosis Koffein, denn jetzt war Durchstehvermögen
gefragt. Auch wir warfen uns in die gängige Sessions-Uniform und traten
in die grosse Halle des Nationalratssaales ein.
Der Anblick war einfach wunderschön. Und dabei meine ich explizit
nicht die vielen wirklich zum Wahnsinnigwerden hübschen Teilnehmerinnen
und vor allem Helferinnen, sondern wirklich nur den Anblick des
Plenums. 200 Jugendliche hielten die Hallen der Macht im Staate besetzt,
sie brachten Farbe in die Stierheit des Raumes, forderndes weiss statt
dezentes grau oder schwarz. Schon wurden die ersten Petitionen
behandelt, unter dem wachsamen Auge des Medienpulkes unter der Leitung
des DRS-Obergurus Siegenthaler. Selbst Tele M1 war dort ;-)
Eröffnet wurde die Session von Bundesrätin Ruth Dreifuss, die den
Jungen Mut machte, die Schweiz brauche die Jugendsession und die anderen
ähnlichen Veranstaltungen, die aus dem Bundeshaus ein Haus des Volkes
machen. Denn die Welt werde immer unsolidarischer und gerade die Jugendsession
könne ein Zeichen setzen. Deshalb müsse sich die Jugendsession in den
Arsch klemmen und eine breite und tiefe Diskussion über dieses Thema führen.
Die Jungen goutierten diese Worten mit einem Hanfpflänzchen, die die
Bundesrätin etwas ungehalten entgegen nahm. Leider nutzte sie auch die
Gelegenheit, sich gegen die Droleg-Vorlage von Ende November auszusprechen.
Das Teil wolle sie auf ihr Pult in ihrem Büro legen. Jaja. Sie hat schon
an mehreren Sessionen teilgenommen und sollte eigentlich wissen, dass
das niemandem Eindruck macht. Immerhin attestiert sie der Jugendsession
eine grosse Entwicklung in Form, Inhalt und Qualität.
Die Jugendlichen debattierten sehr angeregt, Wortmeldungen en masse
gab es, darunter ganz spannende. In der konservativ angerissenen Asyldebatte
stand eine Welsche auf und hielt der Ratsrechten entgegen, sie habe Angst,
wenn diese so argumentieren. Ein Winterthurer sagte ja zur Integration
von Behinderten in die Schulen, stellte aber auch entgegen, dass die
LehrerInnen speziell dafür geschult werden müssen. Eine Bündnerin sprach
sich für eine Förderung der Mehrsprachigkeit aus. Und einer der etwa
zehn Jungpolitiker der (rechten) "Stahlhelmfraktion" forderte die
Ablehung der Solidaritätsstiftung, um das Geld für die AHV zu reservieren,
eine Forderung, die sofort eine Kritik seitens des OKs hervorrief, dass
keine Parteibücher runtergeleiert werden sollen. Die Zürcher SVP lässt grüssen.
Die Session sprach sich schliesslich für eine Förderung der Teilzeitarbeit
und der Bildungssysteme der Entwicklungsländer, die Integration von
Behinderten in den "normalen" Alltag und die zweite Landessprache in der
Grundschule, resp. der dritten später aus. Zwei Asylvorlagen wurden mit dem
verfehlten absoluten Mehr abgelehnt, was ziemlich Verwirrung stiftete.
Die Jugendsession unterstützt im weiteren die Solidaritätsstiftung mit
128 zu 22 Stimmen und Massnahmen gegen die grassierende Jugendarbeitslosigkeit.
Leider waren die einen oder anderen Vorlagen derart seltsam formuliert oder
abwegig, dass auch die besten Diskussionen und Ideen nur ein Tropfen auf
den heissen Stein waren und nicht allzu viel Klarheit in die Sache brachten.
Zum zweiten Mal dieses Jahr nahm Ständeratspräsident Ulrich Zimmerli von der
Berner SVP die Petitionen der Jugendsession entgegen. 7 von 12 eingereichten
Vorlagen wurden verabschiedet und eingereicht. Der SVP-Politiker versprach
wiederholt, alles zu tun, damit die Forderungen der Jugendsession auch
ernst genommen werden. Die Vorläufer seien jetzt in den Kommissionen und
würden sicherlich besprochen. Das ändert nichts daran, dass nur wenige
der Forderungen der Jugendsession bisher eine Chance hatten auf dem Parkett
der erwachsenen Politik. Zimmerli nahm die Petitionen entgegen und erhielt
auch gleich das obligate Sessions T-Shirt. Sprachs und ging wieder. Eine
Stunde habe er zugehört, habe er. Na, wers glaubt. Seine Worte waren
vielleicht ernst und ehrlich gemeint, aber er hat nicht gerade Vertrauen
geschaffen.
Die meisten Jugendlichen können mit dem Gerede halt nichts anfangen und
glauben nicht wirklich daran, dass die Erwachsenen ihre jungen Forderungen
auch wirklich akzeptieren werden. Die schweizerische Politik ist sehr
langsam und niemand weiss, wie die Jugendlichen integriert werden sollen.
Aber kaum kommt wie mit der Jugendsession eine gute Idee, die Jugend in den
Politbetrieb einbauen zu können, wird abgeblockt, man müsse Geduld haben und
Verständnis. Während die Jugendsession 1998 langsam ihr Ende fand, fragten
sich alle: was bleibt? Das T-Shirt? Nein, eher der Groove, das Gefühl der
Freude am jungen Politisieren, an der gemeinsamen Erfahrung eines schönen
Erlebnisses, an der Aussprache und dem Teilen der jeweiligen individuellen
Probleme.
Die Jugendsession hat keine Macht, aber die erwachsenen Politiker haben
begonnen, den Worten der Jugend zuzuhören, ihnen auch zu vertrauen. Das
ist schon ein grosser Erfolg, denn es bedeutet, dass die Jugendlichen
endlich ernst genommen werden, dass sie ihre Forderungen auch wirklich
an die richtigen Stellen einbringen können. Ausserdem erleben sie einen
Anlass, den sie so schnell nicht vergessen. Nicht zufällig wird das Interesse
für die Jugendsession immer stärker, immer intensiver wird die Idee, die
Philosophie der Jugendsession verbreitet, was die moralische Macht der
Jugendlichen stärkt. Und je mehr sie Macht haben, je mehr dass sie Einfluss
nehmen und auch Geld sprechen können, desto mehr fühlen sie sich als
akzeptierter und wichtiger Teil der Gesellschaft und handeln danach.
So geschehen heute, wo in Aarau die erste städtische Jugendsession
stattfand.
Ich würde euch für mehr Infos auch die offizielle Homepage der
Jugendsession 1998
empfehlen.
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