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5.6.1997

Gedanken

Zahlen und Menschen

Borchert auf CD

Kühe in Zürich

Roter Dany

Ein Brief erregt Ekel

Geschmackloser Werbemüll

Engel im HB

Diana vom Boulevard abgeschossen

Pathfinders Bibliothek

Neoliberaler Sozialismus

Das Ende der Dürre

Wups: UBS

Was ist ne Tussi?

Linke gegen Rechte

Die Rechten im Dörfli

1999+1=?

Hass - Albanien - Schweiz

Militärdienst: warum noch?

Mensch, ich gehe

Mensch, wohin?

Ode an die Schönheit

Revolution in den Medien

Reihe Utopia - _Gesundheit

Weihnachten

Mr. Biwidus zur Gesellschaft

Wirtschaft heute

Mein Gewissen: Ich habe dir gesagt, du sollst keine politischen Pamphlete mehr im Biwidus herausgeben!

Ich: Ist kein politisches Pamphlet, sondern ein paar Gedanken zu einem ernsthaften Thema.

Mein Gewissen: Wir machen nichts ernsthaftes im Biwidus. Und abgesehen davon heisst du nicht Ernst.

Ich: Mir egal. Ich darf ja wohl noch ein paar Ideen zum aktuellen Wirtschaftsfanatismus los werden, oder?

Mein Gewissen: O.k. Aber nicht zu viele.

Ich: O.k.

Also. Früher war mal die Politik am Ruder, d.h. die Macht lag in der Hand des politischen Establishments. Heute sind es die Wirtschaftsbosse, die Herrscher der grossen Konzerne, die als Opinion leaders das Geschick dieses Landes leiten. Die Jahre der Rezession haben einen Kasinokapitalismus der erlesensten Art aus der Asche des "real existierenden Sozialimus" auferstehen lassen. Die absolute Marktwirtschaft ist es, was alle als das Mass aller Dinge anschauen. Ich eben nicht. Ich bin zwar kein Oekonom, will aber im folgenden einer Alternative das Wort reden: einer Art von Hybridwirtschaft.

Die Grundidee ist eine Aufteilung in Makro- und Mikrosysteme. Auf der grösseren Makroebene haben Tendenzen der Globalisierung durchaus ihre Berechtigung. Gross angelegter Welthandel als globaler Binnenmarkt ist insofern eine sinnvolle Alternative, als dass auch bisher von der heilgen Triade USA/Japan/EU ausgeschlossene Regionen miteinbezogen werden könnten. Das allerdings verlangt auf jeden Fall eine viel deutlichere Ausrichtung der Wirtschaft weg von Massengütern hin zu fairen Nischenprodukten. Dies, eine Forderung der Entwicklungshilfe, kann und sollte zu einem Qualitätslabel werden. Wer in jeder Beziehung "guten" Kaffee will, kriegt das aus der Soli-Ecke im Reformhaus.

Diese "soziale" Marktwirtschaft soll vom Staat so weit als möglich ihren eigenen Regeln unterworfen werden. Der Sozialstaat sollte tatsächlich nicht mehr "regeln", sondern "regulieren", i.e. dem/der Kundschaft als "KönigIn" klar machen, was "gut" ist und was nicht. Das liegt in der Macht des Staates, widerspricht nicht der freien Marktwirtschaft und packt das Problem dort an, wo es entsteht. "Diese Firma produziert mittels Lohndumping" ist als Negativlabel sinnvoll, denn man kann es operationalisieren und der KundInnenschaft klar machen, was das bedeutet. Nach dem Motto: vergesst nicht, auch ihr könntet von Lohndumping/Sozialabbau usw. betroffen sein! Sinnlos ist es, den Betrieben das vorzuschreiben. Sie sollen doch selber darauf kommen.

Neben dieser vom Staat ziemlich unabhängigen Makroebene (der Staat ist sozusagen nur eine Art KonsumentInnenschutzorganisation) plädiere ich auch für eine total andere Mikroebene. Das Kernwort heisst vernetzte Autarkie. Der moderne Staat soll endlich die Regeln der Vernetzung begreifen, ein Prinzip, das schon dem Kommunismus bekannt war und zu Grunde lag. Das Prinzip der lokalisierten Wirtschaft. Der Staat hat dabei die Funktion einer Art Verteilzentrale. Er stellt Land zur Verfügung. Das Land kann staatseigenes Land sein, vom Staat (zurück)gekauft worden oder von privaten Besitzern gepachtet sein. Dieses Land kann jetzt freiwillig von der Bevölkerung zur Selbsternährung bebaut und vor allem auch bewohnt werden.

Die israelischen Kibbuz sind das erklärte Vorbild. Der Staat funktioniert(e) dort als Geburtshelfer. Er stellt Land "mietweise" an Genossenschaften zur Verfügung und zwar gratis!!! Diese verpflichten sich an sich zu nichts ausser das Land zu nutzen und können vom Staat Darlehen zur Vorfinanzierung aufnehmen. Sie können nun auf "ihrem" Land anbauen und tun, was sie wollen. So entsteht eine Gesellschaft der KleinbauerInnen und SelbsternährerInnen. Und so können Computerfachleute, Studis, Praxisassistentinnen und TV-Journalisten eine eigene Existenz aufbauen. Sie können im Idealfall einen Grossteil ihrer Ernährungsgrundlage selbst produzieren. So werden Produktionsmittel sozusagen auf liberale Art vergesellschaftet.

Entscheidend für diese Idee sind folgende Punkte. Einerseits ist eine solche Gesellschaft ökologisch wie sozial und sogar ernährungsmedizinisch tendenziell sinnvoller. Die Bevölkerung wird zu einer dualen Gesellschaft, gleichzeitig BauerInnen und ArbeiterInnen. Dabei kommt natürlich auch die Informationsgesellschaft zum Zug. Daneben können so alternative Arbeitsmodelle (20h-Woche oder so) nicht nur entwickelt, sondern auch verwirklicht werden. Die Menschen haben wieder Zeit für sich selbst, für die Gruppe, sie können selbst über ihre Zeit und Tätigkeit entscheiden, somit kann auch der fortschreitenden Entfremdung des modernen Menschen von Natur und Gesellschaft Einhalt geboten werden.

Abgesehen davon ist dann jedeR sozusagen einE UnternehmerIn, Liberalismus als Gesellschaftsordnung also, aber kein Kasinokapitalismus der Oberen Zehntausend, sondern Volkskapitalismus im eigentlichen Sinn. Des weiteren wird damit Land, was heute an sich seine Bedeutung als Ernährungsgrundlage verloren hat und jetzt nur noch Spekulationsobjekt ist, seiner ursprünglichen Bedeutung zugeführt. Abgesehen davon, dass es ein Erlebnis sondergleichen ist, im Herbst jene Tomaten zu essen, die man im Frühling mit der eigenen Hand gepflanzt hat und ein Poulet zu verspeisen, das man noch in seiner Form als Ei gekannt hat und das im eigenen Garten rumgerannt ist. Gesunder Frass ohne jedes E n (wobei n eine beliebige ganze Zahl ist)!

Ach jaa, und was dann den Link zur höheren Ebene bilden kann, sind natürlich die Märkte für den Produktionsüberschuss. Eine solche Genosseschaft kann sicher mehr produzieren als für sich selbst notwendig. Dieser Produktionsüberschuss kann dann von der eigenen Genossenschaft oder einem Dachverband an regionalen, nationalen oder internationalen Märkten verkauft werden. Und das Geld dazu und für andere und staatliche Dienstleistungen (z.B. Energie, Verkehr und so) reicht den Genossenschaftsmitgliedern durchaus mit ihrem Arbeitslohn. so wird auch, und das ist eigentlich noch ein wichtiger Punkt, diese Wirtschaft nicht nur auf der Basis von Geld geführt, was ja Schwankungen unterliegt, sondern auf dem Tauschhandel. "Ich gebe dir Wein von meinem Weinberg und du mir Brot aus deinem Holzofen". Tauschhandel kennt keine Inflation im eigentlichen Sinn.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus Zürich