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Zürich City
24.3.1997

Bands

United Refugees

Ein Zürcher aus Sizilien

Ein Zürcher aus Zaire

Vera Kaa

Open Air SG: Subzonic

Tic Tac Toe

Code Five - CH-Boygroup

Midnight Oil

Quratierfest an der Langstrasse

Vorschau: _Crank

Vorschau: s _Pfanneschtiil Chammer Sexdiit

Vorschau: Dodo _Hug

Rödelheim

Vorschau: Max _Lässer

Vorschau: _Magos

Gotthard

Kelly Family

Retortenversuche in der Musikszene

Dass Boygroups aus der Retorte gemacht werden ist nichts neues. Doch dass nun ein solcher Retortenversuch in der Schweiz gemacht wurde, ist ein Novum. Nicht zuletzt weil die schweizer Behörden gegenüber künstlich Erzeugtem ziemlich skeptisch ist. So wurde beispielsweise Gen-Tech Soja bis jetzt nicht bewilligt. Um die Bewilligung der Retortenband Code Five scheint sich niemand Gedanken gemacht zu haben, obwohl diese in der Schweiz mehr Unglück anstellen werden als Tonnen von Gen-Tech Soja.

Am 24. März war es so weit. Die erste schweizerische Boygroup wurde mit grossem Medientrara aus der Taufe gehoben. Der Schrecken hat einen Namen bekommen, und zwar Code Five. Diese Ausgeburt der Hölle rekrutiert sich aus fünf deutschschweizer Boys, welche gemäss Föderalprinzip auf verschiedene Regionen aufgeteilt wurden. Im Interview hörten sich die fünf nach Ostschweiz, Aargau, Zürich und Basel an.

Der geneigte idealistische Musikliebhaber fragt sich, wie nun diese fünf jungen Menschen sich zu einer Band formiert haben. Gleiche Klasse, Aushang am schwarzen Brett der Uni, einschlägige Inserate in In-Clubs oder alte Freunde aus der Nachbarschaft? Nichts von allem! Die Boulevardzeitung Blick veranstaltete einen Boygroup-Wettbewerb, an welchem sich Interessenten melden konnten und von einer Jury aus Mädchen, Blick-Leserinnen und vorwiegend Blick-JounalistInnen bewertet wurden. Sie wurden beurteilt nach Aussehen, Auftreten, tänzerischen Können und nebenbei noch nach Gesangesqualitäten. Nach diesem Wettbewerb wurden dann die fünf Besten herausfiltriert. Auch so können Musikerlaufbahnen eingeschlagen werden.

Wie fachlich diese ganze Sache ist, zeigt sich in einem Statement einer Blick-Journalistin und Jurorin. Sie bezeichnete nämlich Code Five als eine Interessensvereinigung von Plattenlabeln und Medienpartnern. An dieser Stelle eine kurze Bemerkung Frau Kollegin: Plattenlabel sind Konkurrenten und einigen sich sicherlich nicht auf eine Band, die sie dann zusammen vertreiben, um sich den Gewinn zu teilen. Bei solchen Aussagen gibt es im Fach Musik die Note Ungenügend. Trotzdem gibt es in dieser Aussage etwas Korrektes und zwar die Partnerschaft eines grossen Medienpartners. Es handelt sich dabei um den Blick, welcher im Vorfeld munter über die Boygroup berichtete, so zum Beispiel auch über die Gründung des ersten Fanclubs des erst auf dem Reissbrett existierenden Code Five. Daran sieht man schon, worauf es diesem Projekt ankommt: Sicherlich nicht auf die Musik, sondern auf das Aussehen. Aus diesem Grund sollte man ihnen auch das Mikrophon verbieten und nur Fotos von ihnen schiessen. Reicht ja für die pubertierenden Mädchen.

An Code Five (der Bandname verdient das Prädikat besonders einfallsreich) erkennt man den Missstand in der kommerziellen Musikszene. Qualitative Bands bleiben jahrelang im Übungskeller stecken, bevor sie vielleicht einen Plattenvertrag bekommen. Retortenbands haben es wiederum viel leichter; sie haben den Plattenvertrag in der Tasche, noch bevor sie existieren und das hat nun mal nicht viel mit Musik zu tun.

Es ist zwar edel, dass Code Five gemäss eigenem Bekunden das Publikum durch ihr musikalisches Können beeindrucken wollen und nicht etwa durch ihr Aussehen. Handkehrum verdient eine solche Aussage den Naivitätspreis 1997. Eine Band, die primär wegen ihrem Aussehen auf dem Reissbrett konstruiert wurde und nicht mal ihre Songs selber schreibt, wird zu letzt wegen ihrem Sound gelobt...

Genug gelästert. Einen positiven Aspekt hat Code Five zumindest: DJ BoBo steigt in meiner Achtung, weil er mehr in seine musikalische Tätigkeit involviert ist, ganz unabhängig von der Qualität seiner Musik. Auch nicht schlecht, oder?



Vitsky (EMail) für Biwidus aus Zürich da big bad city
Photo: Zeitung mit den grossen Buchstaben