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Studis und Kantis, vereinigt euch: Luxparade
Einmal mehr wieder zu einem ernsthaften Thema: Bildungsabbau. Im Zuge der anarcholiberalistischen
Veränderung in der Wirtschaft wirkt sich deren Philosophie auch auf das politische und soziale
Leben entscheidend aus. Theoretische Modelle mit klingenden Abkürzungen wie Wif! und Wov!
übertragen die Effizienz- und Profitmaximierungsforderungen der postkapitalistischen
Wirtschaftsordnung in unseren heutigen Alltag. In einigen Bereichen, wie bei
verschiedensten Entlassungen und der Spitalliste regt sich kaum Widerstand in den
Reihen der Betroffenen. Durchaus aber im Bildungswesen, denn Studierende und MittelschülerInnen
haben sich zum ersten Mal seit Jahrzehnten zu einer gemeinsamen Aktion durchgerungen,
der "Luxparade" in der Innenstadt von Zürich. Ueber die Hälfte der Biwidus-Redaktion lief mit.
Es wurde zurückgeschossen, von einigen Schulen kamen über
50% des Bestandes, auch die Studis waren zur Abwechslung wieder einmal zahlreich
vertreten. Aber den Hauptharst der etwa 8000 Demonstrierenden an diesem schönen
Abendverkaufs-Donnerstagabend bildeten (zum teil sehr junge) MittelschülerInnen. Das Wetter
war zwar denkbar schlecht gewesen, aber pünktlich zur Demo wurde es trocken und nicht
mal so kalt, so dass die hunderten von Fackeln, Gaslaternen, Kerzen und Pfunzeln nur
als Erleuchtungs-Körper (eben: "Luxparade") genutzt werden konnten.
Der Zug setzte sich von der Uni her in Gang und paradierte durch die Altstadt zum
Münsterhof. Dort wurden die obligaten Reden gehalten ("Wir sind die Zukunft" und "Die
Luxparade ist auch eine schonungslose Auseinanderyetzung mit uns selbst"), Sprecher des
Organisationskomitees und sogar eine alte Prof drückten ihren Widerstand gegen das
Vorgehen der ED (Erziehungsdirektion) unter Verwaltungswissenschafts-Prof Buschor aus.
Sie waren offenbar keineswegs seiner Meinung ("Nehmt uns Ernst, gebt uns Bildung!"), den
einzigen Rohstoff unseres Landes, die Bildung, zu beschneiden, resp. nur noch der Oberschicht
vorzuenthalten. Untersuchungen hatten ja kürzlich gezeigt, dass trotz aller Anstregung
die Unterschichten in den Hochschulen noch immer untervertreten sind.
Die Hauptkritikpunkte der Demonstrierenden waren einerseits die Daumenschrauben
im Mittelschulbereich (grössere Klassen, angekündigtes Schulgeld und Abbau der bei
SchülerInnen oft begehrten fakultativen und musischen Fächer) und andererseits die seit
einigen Jahren laufenden Abbaubestrebungen an der Uni. Hier werden sogenannte "Exotenfächer"
mit wenigen Studis gar nicht mehr gelehrt, andere Fächer müssen in der Anzahl Lehrstühle
zurückbuchstabieren, was schliesslich auch mehr Studis pro Prof bedeutet. Diese können
sich gar nicht mehr genügend um ihre Lehrbefohlenen kümmern. Des weiteren wird im Rahmen
der in den Grundsätzen diskutierbaren Idee der teilautonomen Uni (mit dem
klingenden Namen "Effort") versucht, die Semesterpauschale
andauernd zu heben. Und als Haupt-Kritikpunkt auf längere Frist wird wohl die Strafgebühr
für Langzeitstudis zu verstehen sein.
Man muss einen sozialkritischen Ansatz wählen, um die Auswirkungen dieser Vorgänge und
Ideen der ED (unter dem "vorbildichen" Verwaltungs- und Oekonomietheoretiker) Buschor
zu verstehen. Das muss notabene nicht alle Studis betreffen, doch aber eine stattliche
Anzahl, eine Mehrheit wohl, über deren Kopf nun entschieden wird. Die Strafgebühr für
Studis über dem 16. Semester trifft nämlich in erster Linie jene, die ein Werkstudium machen,
d.h. ihr Studium selber finanzieren möchten. In vielen Fällen sind das Studis, die nicht
Söhne/Töchter von Beruf sind, resp. kaum grössere Reserven aus dem Elternhaus anzapfen
können (weil arm, resp. immer ärmer) oder wollen. Auch sind immer höhere Semestergebühren
erst recht problematisch in einem schwieriger gewordenen wirtschaftlichen Umfeld. Arbeit
und Lohn gibts weniger, aber die Ausgaben bleiben mindestens gleich hoch.
Bei MittelschülerInnen gilt im Prinzip dasselbe. In den Sechzigerjahren wurde in den
Mittelschulen das Schulgeld gestrichen, damit auch Kindern von lohnabhängigen,
weniger gebildeten oder ausländischen Eltern der Mittelschul- und Unibesuch offen ist.
Diese Idee einer Demokratisierung der Gesellschaft wurde heute auf den Schrotthaufen der
Geschichte verfrachtet. Neben den bisher üblichen Ausgaben für Schulmaterial müssen
diese Familien jetzt auch noch ein Schulgeld bezahlen für tendenziell schlechtere
Leistungen (sprich grössere Klassen). Daneben wird trotzdem bei "ausserschulischen"
Aktivitäten wie Exkursionen und Arbeitswochen gespart, der einzigen Möglichkeit,
das wahre Leben kennen zu lernen.
Mensch mag politisch damit einverstanden sein, die "Reformen" haben interessante Punkte.
Mensch sollte aber nie aus den Augen verlieren,
dass diese Politik darauf hinzielt (ob absichtlich oder nicht), dass im Bildungsbereich eine
Zweiklassengesellschaft arm/reich (wieder) eingeführt wird. Die Studis und SchülerInnen, die an der
Luxparade mitgemacht haben, werden diese Vorgänge am eigenen Leib miterleben und haben
das rationale Recht, sich dagegen zu wehren. Buschors Bildungspolitik ist auf dem Papier vielleicht
ökonomisch sinnvoll und rechtens, aber in der Realität ein Papiertiger, weil sie einen
deutlichen Rückschritt bedeutet. Reformen sind im Bildungsbereich bitter nötig, wenn mensch
bedenkt, dass sich 100 angehende HistorikerInnen einen Prof "teilen" und sich zu hunderten
in einen Lesesaal/ein Seminar zwängen. Aber so?
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