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Bericht vom |
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Samstag, der 29. Juni
Wer schlafen konnte, stand am Samstag entweder wegen des sporadischen Regenfalls
oder wegen des seltenen Sonnenscheins auf. Und suchte nach Mitteln, um den
geistigen Zerfall (sprich Kater) zu kurieren. Also: da gibt es die Möglichkeit...
lassen wirs. Jedenfalls begannen die ersten Bands schon am frühen Mittag.
Crank aus Wetzikon ZH (Biwidus hatte oft darüber berichtet) schlugen ein wie
eine Wasserstoffbombe - na ja, fast. Die Jungs waren abgefahrener, driviger
wie auch schon. So mag sie das zahlreich angetanzte Publikum: frech, funky und
fantastievoll :-) Sie spielten ihre Songs weniger routiniert wie an der
Plattentaufe, dafür sorgten sie für den ersten Begeisterungssturm des Tages.
Sänger und Neo-Popstar Adi hatte offensichtlich einen guten Tag und malträtierte
nicht nur das Mik elegant, sondern auch seine Gitarre wie ein Altstar.
Der Samstagnachmittag zog sich sonst gemächlich hin, Max Lässer und seine No
Nations waren beispielsweise nicht gerade das, was mensch einen Publikumsmagnet
nennt. Aber der Gastauftritt von Max Lässer-Freund und Patent Ochsner-Leader
Büne Huber brachte ein bisschen Würze und Aufmerksamkeit in dieses eher lasche
Multikulti-Konzert. Gegen abend dann zog das Publikumsinteresse und das Renomme
der Auftretenden wieder an. Die Young Gods (dem westschweizer Pendant von Yello)
spielten ihre altbewährte Mischung aus psychedelischem Rock a la Doors und
Industrial Metal a la Die Krupps, einem Vorläufer des 90er-Ambient. Die drei
Jungs bauten ein regelrechtes Luftschloss aus Klangwolken. Der Sänger, ein Jim
Morrison-Jünger, der Schlagzeuger und der Mann hinter dem Synthi vereinigten
konventionellen Sound mit synthetischen Tonspielereien, die einem Boris Blank
(Yello) und anderen Technoproduzenten durchaus Ehre machen würden. Alles in
allem also cooler Vortechno ohne DAT.
Gegen Abend säumten schon die ersten Alkohol - und anderen Leichen den Raum vor
der Bühne, Hängies und Neo-Hippies gaben sich die Hand. Nach dem Auftritt von
Züri West kam dann der grosse Augenblick für viele. Der eigentliche Headliner
des Abends, Herbert Grönemeyer, hatte sein Equipment aufstellen lassen und
liess mit "Chaos" die Bombe platzen. Das erste Lied war treffend für den Abend
und den Zustand vor der Bühne. Das Publikum war nämlich in vollster Erwartung,
als Herbie Dampf abliess. Und das passte halt zu einem Open-Air-Festival, es
sei ja das Publikum, das die Musik der KünstlerInnen aufpeitschte wie ein
Verstärker, meinte später der Sänger der Young Gods. Es waren (altershalber)
trotzdem wohl die wenigsten schon dabei, als der blonde Deutsche (der "Leutnant
Werner" aus "Das Boot") vor sieben Jahren schon im Sittertobel auftrat. Mit
Gekreisch und Gejohle wurde er empfangen, dann folgte ein Hit dem anderen.
Herbie spielte sein ganzes ohnehin sensationelles Repertorie `rauf und `runter,
`mal altes, mal neues aus der erfolgreichen Live-CD. Alle die grossen
Grönemeyer-Hits waren dabei, "Kinder an die Macht" sorgte für die ersten
MitsingerInnen, dasselbe galt dann für die Heuler "Bochum", "Alkohol" und "Männer".
Als er schliesslich "Was soll das?" anstimmen wollte, kamen wie gerufen die ersten
(und zum Glück vorläufig letzten) Regentropfen herunter. Und das Publikum wollte
immer mehr (unersättlich die Jugend von heute)! Hinter den abziehenden Regenwolken
kam der Vollmond heraus, einmal mehr ein purer Zufall, aber es passte zum
gleichnamigen Song. Grönemeyer spielte und sprang über die Bühne und den von den
anderen KünstlerInnen kaum genutzten Vorsprung, es war eine Freude, ihm zuzusehen
(und das beruhte weitgehend auf Gleichseitigkeit, denn das Schweizer Publikum ist
sonst nicht so euphorisch drauf).
Und noch immer wollte das aufgegeilte Publikum den unnahbaren Anti-Star ohne
Starallüren mit dem leicht angeschütterten Blondschopf nicht gehen lassen.
Herbert Grönemeyer war sichtlich ergriffen von der Begeisterung des Publikums
und ihrem fordernden Gejohle und Gesumm im Sittertobel. Es folgten "Flugzeuge
in meinem Bauch" und schliesslich "Mambo", als dann zum fulminanten Abschluss
das grosse Feuerwerk zum zwanzigjährigen Jubiläum hochging. Der Boden unter
unseren Füssen erzitterte, Journis konnten keine Live-Telephoneinschaltungen
mehr machen und das Publikum kochte nun vollends über. Rote und weisse Sterne
erhellten den Festplatz, die Wände der Internet-Ecke wackelten, als ich diesen
Bericht schrieb. Es war eine Stimmung wie an Weihnachten, Woodstock und
Walpurgisnacht gleichzeitig. Es war ein wahrer Traum.
Schliesslich und endlich kehrte Ruhe ein im Sittertobel, die letzten Bands
spielten die letzten Töne, die ersten Alkoholleichen wurden von der Sanität
heimgeschleppt, abgesehen von ein paar ganz Verwegenen, die durchmachten, war
die zweite Festivalnacht für viele vorbei. Ein Lagerfeuer nach dem anderen
wurde entzündet, der Raum neben dem Haupteingang erinnerte mit den Feuerstellen
zwischen den Zelten und den sich hinlümmelnden Jugendlichen mehr an ein
Pfadilager als an ein Konzert. Nüchterne gab es zwar nicht mehr viel, aber
wenigstens lichteten sich allmählich die Reihen vor den Toiletten.
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Bericht vom |
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