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Zürich
12.6.1996

Interviews

Des Radios junger Chef

Donghua Li

Mr. Marek _Krynski

Der Zauberlehrling von Zürich

Ausgerechnet hat er seinen Stundenlohn nur zum Spass, denn von "Lohn" kann dabei keine Rede sein, 12 Franken die Stunde ist nur eine bessere Spesenabrechnung. Mutter Krynski hat auch sehr viel draufzahlen müssen, meint der Organisator der grossen Streetparade spitzbübisch. Mehrere hunderttausend Franken kostet der Spass, der grösste Technoumzug jenseits von Berlin. Der organisierende Verein "Streetparade Authorities" nennt sie eine Demonstration für "Love, Peace and Happiness". Und weil die nun zum vierten Mal stattfindende Streetparade eine Demo sein soll, können interessierte Sponsoren potentielle KundInnen auch nur per Werbeversand locken - an der Parade selber halten sie sich im Hintergrund. Von den Organisatoren wird diese angebliche "Werbefreiheit" immer wieder hervorgekehrt. Um den nichtkommerziellen Charakter der Veranstaltung zu betonen, wurde eben dieser Verein auch gegründet - ein Verein ist per deifinitionem eine Non-profit-Organisation. Was auch immer dies heissen mag. Marek Krynski wird sich jedenfalls - trotz anderslautenden angeblichen "Facts" in gewissen Medien so oder so kaum daran "bereichern" können.

Marek, Jahrgang 69 und ursprünglich Student der Mathematik und Philosophie, was er im nächsten Jahr abschliessen möchte, ist ein echter Technofreak. Er rennt herum für sein "Kind", die Streetparade. Es gibt viel zu tun, obschon die Bewilligung noch nicht erteilt worden ist. Die Organisatoren haben sich jetzt schon aufgrund einer wagen mündlichen Zusage Polizeivorstand Neukomms für einige zehntausende Franken verpflichtet. Eine Absage würde die "Streetparade Authorities" einiges kosten. Und auch der Faktor der Stagnation der Raveszene spielt hinein. Sie wird immer kleiner, der Ravehype ist so gut wie vorbei und einige Organisatoren mussten schon Konkurs oder zumindest Riesenverluste anmelden. Die Streetparade ist also zwar ein Riesenanlass, aber keineswegs ein Riesengeschäft.

Die Geschichte und die Botschaft der Stremetparade sind zu bekannt, als dass sie wiedergegeben müssten. Und trotz der personellen Nähe zu den verschiedenen Party-Organisatoren (allen voran zu Techno-Papst Nöldi Meyer, dessen "Energy"-Rave auch dieses Jahr das grösste seiner Art weit und breit werden soll) konnten Krynski und Co. bisher alle Vorwürfe des Geldscheffelns entkräften. Streetparade-Pressechef Christoph Soltmannowski spricht von einigen hunderttausend Franken, die der Anlass koste. Aber diese gingen vor allem für Eigenwerbung und Pressearbeit, Reinigungen aller Art und den Sicherheitsdienst drauf. Und weil der "Chef" Krynski auch noch von etwas leben muss. Trotzdem ist ihm nicht so klar, warum er das macht:"Es ist zwar eine grosse Befriedigung, aber finanziell stimmt es eigentlich nicht, und ich merke das erst jetzt langsam."

Aufgrund von Recherchen bei einem der Hauptsponsoren, Coca Cola, muss man von einem Betrag von etwa 100'000 SFr. ausgehen, die der Einstieg in den erlauchten Klub kostet. Den "Profit" hat Coci aber nicht von der Werbung, sondern vom Verkauf ihres Produktes an der Streetparade selbst -Bandenwerbung wie bei anderen Veranstaltungen wird es kaum geben am Technoumzug. "Unser einziges Ziel ist es", meint Susanne Wüllner von Coca Cola, "unser Getränk an den Mann oder an die Frau zu bringen". Dabei ist der Umsatz stark wetterabhängig - wenn weniger als die erwarteten 120'000 durstigen Raverinnen und Raver kommen, wird auch der Umsatz des Sponsors kleiner und dessen Einsatz vielleicht sogar ein Verlustgeschäft.

Die illustre Runde der Sponsoren verkauft sich primär mittels Flyern oder Plakaten der Streetparade. Weil die Streetparade die Teilnehmenden keinen Eintritt kostet, müssen alle Ausgaben von den Sponsoren gedeckt werden - eine wichtige Rolle spielen dabei auch die Organisatoren grosser Raves. Gegenüber von Biwidus hat Marek zugegeben, dass auch der Megarave "Energy" nicht unwesentlich beteiligt sei an der Finanzierung der Streetparade. Immer wieder wird gemunkelt, dass der Technoumzug eine grosse Werbeveranstaltung für den Rave sei, was allerdings angesichts der begrenzten Kapazitäten des Hallenstadions und der horrenden Eintrittspreise nur einen Bruchteil der Streetparadierenden dazu bringt, auch noch an die Energy zu gehen. Tatsache ist, dass die Konzentration von etwa 20 kleineren und grösseren Raves in und um Zürich kein Zufall ist an diesem Wochenende -die Kids müssen ja beschäftigt werden. Verschmitzt lächelnd fügte Marekt hinzu:"Es wird inzwischen von der Polizei bereits verlangt, dass eine solche Veranstaltung stattfindet, damit die Leute, die nach Zürich kommen, in dieser Nacht versorgt sind." Ein Paradigawechsel im Hause Neukomm?

Ob jetzt 150'000 Personen kommen, wie die Veranstalter hoffen oder "nur" 120'000, wie die Polizei dieses Jahr schätzt, Marek hat noch viel zu tun. Am 21. Juni beispielsweise findet eine Sitzung zwischen den Organisatoren und 52 städtischen Amtsstellen statt, um die Streetparade zu koordinieren. Bewilligt ist sie nämlich noch nicht - doch Polizeivorstand Neukomm wird sich hüten, noch einmal die Streetparade zu verbieten, wie er es 1994 tat. Die Folge war, dass sich unzählige Jugendliche und Jugendparteien von links nach rechts verbündeten, um dieses Verbot zu bekämpfen.

Der zuständige Beamte der Stadtpolizei meinte gegenüber Biwidus:"Wir wollen sie dieses Jahr genau so reibungslos über die Bühne bringen wie das letzte: unfallfrei, problemlos. Dass sie ein Fest wird wie das Züri-Fäscht oder das Sechseläuten." Es wird im Hause Neukomm sogar laut darüber nachgedacht, ob man die ganze Innenstadt involvieren wollte. Denn: "Der Wunsch wäre schon, dass wir den Berlinern (gemeint ist die zur Zeit etwa vier Mal so grosse "Loveparade", das Original) die Popularität abnehmen könnten, dass, wenn man von der Streetparade redet auf der Welt, damit die Stadt Zürich gemeint wäre. Da wären wir stolz darauf."

So oder so: am Nachmittag des 10. August sollten Autofahrer und Autofahrerinnen die Innenstadt vorzugsweise grossräumig umfahren. Und Zugsreisende den Hauptbahnhof (es werden 20 Extrazüge der SBB erwartet - natürlich auch ein Sponsor). Biwidus wird - so der grosse Cybergott will - darüber berichten - und über die anschliessende "Energy". Doch letzteres kommt auch auf den "Papst" darauf an, der Nöldi Meyer-Partykonzern hat bisher jede Zusammenarbeit mit Biwidus strikt abgelehnt.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus Zürich