 |
Gedanken
Zahlen und Menschen
Borchert auf CD
Kühe in Zürich
Roter Dany
Ein Brief erregt Ekel
Geschmackloser Werbemüll
Engel im HB
Diana vom Boulevard abgeschossen
Pathfinders Bibliothek
Neoliberaler Sozialismus
Das Ende der Dürre
Wups: UBS
Was ist ne Tussi?
Linke gegen Rechte
Die Rechten im Dörfli
1999+1=?
Hass - Albanien - Schweiz
Militärdienst: warum noch?
Mensch, ich gehe
Mensch, wohin?
Ode an die Schönheit
Revolution in den Medien
Reihe Utopia - _Gesundheit
Weihnachten
Mr. Biwidus zur Gesellschaft
|
 |
Revolution in den Medien
Die Medien sind völlig auf dem Autonomen-Hype, jeder glaubt, sich über eine
neue politische Konfliktsituation auslassen zu müssen, als ob die Achtzigerjahre
wieder auferwacht seien. Eine kurze Medienkritik soll hier versuchen, dem Medienhype
wenigstens ein bisschen den Wind aus den Segeln zu nehmen.
"Die Geister, die ich rief, werde ich nun nicht los". Dieses goethesche Zitat kursiert
zur Zeit unterschwellig in der Zürcher Polit- und Medienwelt. Innerhalb nur weniger
Wochen und zwei grossen Strassenschlachten zwischen Polizei und linksfaschistischen
Schlägertrupps hat Zürich wieder zu brennen begonnen. Zumindest auf dem Papier, denn
seither vergeht kaum mehr ein Tag, da nicht irgendeine unserer vielen Zeitungen gross
über die vermummten jugendlichen Staatsfeinde und die heldenmutig kämpfende und mit
ihrem Einsatz auch andere Staatsfeinde (die Sozialdemokratie) bekämpfende Polizei
berichtet. Oder umgekehrt. Während Blick, NZZ, Züri Woche auf der einen und
das Vorwärts (allen voran der Altstalinist Walter Angst) auf der anderen Seite
eine ignorante und destruktive Einseitigkeit predigen, pflegt der Tagi ausnahmsweise
den dokumentierenden Journalismus. So geschehen am 9. Mai mit
einem Artikel von Martin Huber. Wir wollen die Problematik aufgrund dieses Artikels
mal von einer medienkritischen Seite her behandeln. Hierfür eignet sich der "vernünftigere"
Tagi etwas besser.
Schon der Titel "Altlinke wittern die Revolution - Junge Autonome und gestandene
Linksaktivisten machen gemeinsam mobil gegen das "kapitalistische System" suggeriert
einen Schulterschluss zwischen den wenigen verbliebenen Altstalinisten und der
"autonomen Bewegung". Das schon ist politisch nicht korrekt, denn neue und alte Linke
hat nur wenige Berührungspunkte, die auch durch den wiedererwachten Aktivismus der
"Autonomen" nicht einfach wettgemacht werden können. Die Stalinisten haben andere
Kampfformen und Prioritäten wie die neuen :Linksfaschisten, ihre Medien sind andere und auch ihr
politisches Bewusstsein. Mag sein, dass ein gewisser Ideenaustausch stattfindet, aber
die neue Linke ist eher durch andere Bewegungen in anderen Ländern beeinflusst (PKK, ETA, RAF,
EZLN), wie durch die alte in der Schweiz.
Der Autor schreibt weiter, dass der "radikale linke Widerstand" einen "Solidarisierungsschub"
erlebe. Das stimmt in dieser pauschalen Form nicht. Wer die Position der Linksfaschisten
teilt, befindet sich auch innerhalb der "radikalen" Linken in der Minderheit. Nur sehr
wenige waren und sind bereit, die gewalttätigen Attitudes der "Schwarzen" mit Rat und
Tat zu unterstützen. Die meisten "radikalen" Linken sind zwar an sich gegen Staat und
Polizei eingestellt, dies jedoch in einem mehr oder weniger demokratisch-sozialistischen
Rahmen. Sie bilden die grosse Mehrheit links von der bürgerlichen SP. Es stimmt allerdings,
und hier der TA-Autor völlig recht, dass in diesen Kreisen trotz der Gewaltablehnung bisher
eine gewisse Toleranz (nicht unbedingt Sympathie) für die Aktionen der Linksfaschisten
geherrscht hat, zumindest teilweise. Mensch hat sie "geduldet" wie einen Hitzkopf,
dessen Gehabe mensch zwar ablehnt, dem aber immer wieder verziehen wird, weil er "einer
von uns" ist. Gerade die sozialistische Jugend hatte bisher wenige Berührungsängste zur
linksfaschistischen Bewegung, weil hier ideologische und auch personelle Parallelen
durchaus bestehen.
Es ist heute zu bezweifeln, dass nach den von den "Schwarzen" provozierten Angriffen
der Polizei auf die friedliche Maifeier diese Toleranz in dieser Form weiterbestehen
wird. In einigen linken Kreisen (wie z.B. bei der Juso, den JungsozialistInnen) wird
jetzt laut darüber nachgedacht, wie mensch mit der Gewalt von "links" umgehen soll.
Was bisher Toleranz war, schlägt jetzt um in Unverständnis und teilweise offene Ablehnung.
Ob sich dieser Trend weiterführen wird, ist aufgrund der engen Verquickung der linken
und linksfaschistischen Szene fraglich. Das wird sicher auch damit zusammenhängen,
ob sich die radikale Linke in der Zukunft mehr zur (Sozial-)Demokratie bekennt oder
zum "revolutionären Klassenkampf". Der Geschrei der Linksfaschos, die SPler seien ja
eh der Klassenfeind, wird dieser Frage Auftrieb geben.
Der Kern des "Schwarzen Blocks" samt Sympathisanten beläuft sich
also im Prinzip nur auf einige hundert Mitglieder. Das sind dann auch Berufschaoten,
die gut organisiert und mobilisierbar sind, was auch den Eindruck einer geeinten
Schlagkraft macht. PolitaktivistInnen hat es hier aber nicht viele darunter. Deshalb weichen
die "Schwarzen" auch je länger je mehr auf junge, politisch unbewusste Draufgängertypen
aus, die einfach nur Remmidemmi haben wollen, um dem grauen Alltag zu entfliehen. Das
ist der Grund, weshalb an diesen schwachsinnigen Polizei-"Umfragen" so viele junge
und politisch Ungebildete beteiligt sind. Denn ihre ideologische Ausbildung ist fast
gleich null (von ein paar schnell zu erlernenden Parolen abgesehen - Karl Marx würde
sich ab diesen GenossInnen im Grab umdrehen) und die militärische zu schwach, um
sich rechtzeitig aus dem Staub zu machen. Also trifft der Tagi-Redaktor Huber den
Nagel eher auf den Kopf als Polizei und Blick, was die Zusammensetzung der Chaoten
betrifft. Es gibt viele politisch bewusste und einigermassen "intelligente"
Einheimische akzeptablen Alters, aber die sind halt zu tough und zu gut ausgebildet, um
sich fangen zu lassen. Also fällt den Bullen nur der geistige, politische und
auch altersmässige "Abschaum" in die Hände, ähnlich wie der Rahm auf der Milch.
Demzufolge ist auch die Frage der "politischen Inhalte" durchaus diskutierbar. Der
Autor lässt einen "Autonomen" zu Wort kommen, der sich darüber aufregt, dass diese
Inhalte in den Medien nicht vorkämen. Kein Wunder, denn ein steinewerfender Idiot
äussert auch einen politischen Inhalt. Dass der schwerer wiegt, als die zum Teil
holzschnittartigen Parolen, die er von sich gibt, ist ja wohl klar, denn Gewalt ist
an sich ein schwerwiegender Inhalt. Linksfaschistisches Gedankengut äussert sich
nämlich im Primat des gewalttätigen Weges über einem politischen Ziel. Das merkt mensch
zum Teil an den Flugblättern, zum Teil an den frustträchtigen persönlichen Beweggründen der Beteiligten
und vor allem an der grossen Aggressionsbereitschaft. Linksfaschisten sind a priori
gewalttätig, weil ihr Weltbild nicht auf demokratischem Kampf aufgebaut ist (der durchaus
auch aus psychologischer "Gewalt" bestehen kann). Kommt dazu, dass vieler dieser
"AktivistInnen" zum Teil keinen einzigen Satz fehlerfrei aussagen können, sprich
geistig völlig unterbemittelt und politisch durch und durch unbewusst sind. Eine richtige
politische Auseinandersetzung mit ihnen ist nicht möglich. Sie hören niemandem zu und
verstehen das Gesagte auch nicht. Und das erst macht sie zu einem Problem.
Der beste Teil des Artikels ist die Analyse der "Bewegung" selber. Der Autor realisiert,
dass es keine eigentliche "Bewegung" gibt, das ist in der Szene schon lange klar. Es
hat auch nie irgendwo eine einheitliche radikale Linke gegeben. Selbstzerfleischung war schon
immer ein Zeichen der Linken, meistens von linksfaschistischen Kreisen getragen. Seine
Auseinandersetzung mit dem RAZ (Revolutionärer Aufbau Zürich) würde an sich noch ein
paar Sätze und sogar einen Kommentar ertragen, denn ihn ehrt seine Nüchternheit, was
dieses Thema betrifft. Die anderen Medien, allen voran der Blick, sehen in der
linksfaschistischen Abbruch-Bewegung RAZ den Feind an sich. Mein Kompliment an den
Autor für seine Ausgeglichenheit.
Das Verhältnis zwischen alten und jungen Revoluzzern wird im Artikel diplomatisch als Bewunderung
umschrieben. Dabei weicht der Autor der Tatsache aus, dass in diesen Kreisen der
Kadavergehorsam schon immer sehr verbreitet und tief war, kein Wunder, wenn in einer
Bewegung interne Kritik so verpönt ist wie in dieser. Die antiautoritäre Haltung
vieler "Autonomen" ist nur nach aussen gerichtet. Nach innen herrscht für
faschistische Bewegungen üblicher Gehorsam, Kritiklosigkeit und Verfolgungswahn.
Einen Punkt muss ich am Artikels des Autors wirklich beanstanden. Trotz des guten Ansatzes
der Relativierung steht er der jugendfeindlichen Haltung anderer Medien nicht kritisch
genug gegenüber. Einmal mehr wird hier aus der Jugend ein Problem gemacht. Die "erwachsenen"
Medien geben sich Mühe, die erstarkende jugendliche Emanzipationsbewegung zu verunglimpfen.
Mit diesen Ausschreitungen hat mensch jetzt nach der Drogenproblematik einen neuen
Weg gefunden, die Jugendlichen als unreif, asozial und dumm hinzustellen. Und dabei geht
eines vergessen, ein Satz aus dem "Zauberlehrling" von Goethe:"Die Geister, die ich
rief,..."
|