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26.4.1996

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Tschernobyl!? Nie wieder! (???)

Vor ziemlich genau zehn Jahren explodierte während eines gewagten Experiments der Reaktorkern des AKWs Tschernobyl B an der Grenze zwischen der Ukraine und Weissrussland. Das Ereignis ging als schwerster Unfall (ein Super-GAU) in die Annalen der Geschichte "ziviler" Nutzung der Atomkraft ein. Noch heute leiden tausende von Menschen an den Folgen dieser anfänglich euphemistisch als "Störfall" bezeichneten Katastrophe, die Strahlung innerhalb der Zehnkilometerzone (das am stärksten versuchte Gebiet der Welt) ist heute noch tödlich, die Explosion setzte auch mehr Radioaktivität frei als die "Bomben" von Hiroshima und Nagasaki. Am Wochende wurde der zehnte Jahrestag dieser Tragödie begangen. Noch immer schien das Gespenst Tschernobyls in den Köpfen vieler Menschen zu spuken, Biwidus hatte letzte Woche darüber berichtet.

War das ein Irrtum? Mensch hätte es fast meinen können, als am Freitag (dem eigentlichen Jahrestag) nur ein knappes Dutzend Verwegener dem Aufruf der "AerztInnen für soziale Verantwortung und gegen die Atomkraft" folgte und für eine Demo beim Grossmünster aufmarschierte. Die Demo wurde, zum Leid der sieben anwesenden Journis (Biwidus, SF DRS, TeleZüri und NZZ) kurzerhand abgeblasen. Währenddessen sammelte das Grüne Kreuz Geld auf dem Bellevue und bewirteten die Jungen Grünen die wenigen Interessierten mit einem Buurezvieri (Hauptverantwortliche: die Bezirkspartei Meilen...). Von Erfolg konnte also keine Rede sein. Der Koordinator der Feiern, Balz Glättli von den Jungen Grünen, äusserte sich eher enttäuscht über den Aufmarsch:"Auf der einen Seite ist es eine gewisse Ohnmacht, die man fühlt, auf die andere Seite haben wir gemerkt, dass sehr viele Leute die Meinung teilen, dass nämlich Atomkraft eine ziemlich unsichere Geschichte ist. Aber auch, dass sie einen Fatalismus an den Tag legen, wenn es darum geht, was und ob man etwas dagegen machen kann."

Schliesslich war der Jahrestag mit einem Riesentrara der Medien und der PolitikerInnen gestartet worden. Auf der Polyterrasse hätten sich Horden von KernkraftgegnerInnen für eine Gedenkveranstaltung treffen sollen. Gemäss einer Zählung von Biwidus waren allerdings nur 160 Personen anwesend. An der Anti-Tschernobyl-Demo in Bern im Herbst 1986 waren es 8-10`000 gewesen. Unter dem sommerlichen Himmel von Zürich wurde ein "Brainstorming" gemacht, fünf verschiedene Personen gaben die Geschichte von Tschernobyl aus verschiedenen Perspektiven wieder. Darunter waren so namhafte Politikerinnen wie Ruth Gonseth (NR GP Baselland) und die Zürcher Nationalrätin Regine Aeppli (SP). Sie verlasen Texte zum Thema, abwechselnd mit Protokollauszügen des Geschehens und musikalischen Einwürfen. Susan Boos, Redaktorin der WOZ und Autorin des Buches "Beherrschtes Entsetzen - das Leben zehn Jahre nach Tschernobyl erzählte zudem von ihren Erlebnissen während den Recherchen vor Ort. Unter den Zuhörenden konnten wir als "Promis" nur GP-Kantonsrat Daniel Vischer ausmachen.

Die Stimmung war dem Anlass entsprechend ruhig. Es lief eigentlich auch nicht viel, mensch hätte meinen können, dass eine Insiderveranstaltung von "Wissenden" stattfände. Interessanterweise waren auch sehr viele junge Menschen da, also Teenies, die Tschernobyl wohl kaum bewusst miterlebt hatten. Stefan Weber, Organisator der Sache (und Greenpeace-Kampagnenleiter) meinte dann auch: "Wir möchten die Bevölkerung mit dem Moment konfrontieren, in dem sich eine irrwitzige Technologie, die sich mit dem Menschen nicht verbinden lässt, in radioaktive Luft auflöst." Denn niemand glaubt mehr an den Spruch der Atomlobby:"Das Restrisiko ist tragbar" seit der Katastrophe von Tschernobyl, seit dem 26. April 1986, 1.24 Uhr MEZ.

Fazit: Erfolg ist etwas anderes. Trotzdem hofft und glaubt Balz Glättli, dass es wieder eine Bewegung geben könne, wo sich viele engagieren, sobald es darum ginge, den Ausstieg erneut zu fordern, denn im Jahre 2000 läuft das Moratorium ab. "Ich würde die Anzahl der Anwesenden hier nicht zum Gradmesser für einen möglichen Erfolg einer Ausstiegsinitiative anschauen", meinte er optimistisch gegenüber Biwidus. Er sprach von einer existierenden Avantgarde, die eine neue Initiative tragen könne. Sein Optimismus in Ehren, aber politisch müsste mensch es als einen Grosserfolg werten, wenn diese Initiative gestartet werden könnte und zustande käme, denn wer will schon auf die Kernenergie verzichten? Und: wer erinnert sich schon noch an Tschernobyl?

Die beteiligten Organisationen waren unter anderem:

Grünes Kreuz Schweiz, Postfach, 8036 Zürich, Tel. 281 22 11.
Das Grüne Kreuz wurde von der UNO gegründet und hat seinen Sitz in Genf. Es soll das IKRK für die Umwelt sein, was ihr bisher allerdings noch nicht gelungen ist. Dies, obschon mit Michail Gorbatschow (Präsident) und Roland Wiederkehr (Nationalrat und Generalsekretär) zwei bekannte Namen hinter diesem Projekt stehen. Green Cross versucht, direkt zu helfen, vor allem mittels Lagern für geschädtigte Kinder. Auf dem Internet ist Green Cross auch zu finden.

Greenpeace, Muellerstrasse 37, 8026 Zürich.
Brauchen wir nicht näher vorzustellen. Greenpeace kämpft weiterhin gegen die Atomkraft, vor allem jedoch für die Abstellung der unsicheren Reaktoren im Osten. Hierfür hat die weltweit operierende Organisation bereits eine schlagkräftige Truppe in der Ukraine aufgebaut.

Die Junge Grüne Alternative ist am besten bei Balz selbst zu erreichen unter bglaettl@philos.unizh.ch



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus Zürich