Kein musikalischer Notausgang
"Wir schreiben das Jahr 1998. Die ganze Schweiz wurde von der
Techno-Epidemie befallen. Die ganze Schweiz? NEIN!!! Drei unermüdliche
Kämpfer aus dem verschlafenen Dörfchen Grüningen geben nicht auf, der
sinnlosen Hörorgan-Zerstörung Widerstand zu leisten". So schreibt die
Band in ihrem Presseorgan. Tatsächlich ist es die geile Eigenheit der
Band, dass offenbar die ganzen Nineties völlig unbeachtet an ihnen vorbei
gesegelt sind.
Notausgang klingen so, als ob ihnen nie jemand gesagt hat, dass wir
1998 schreiben und die Punkwelle eigentlich eher zu den grossen
Höhepunkten der 80er gehört. Und das ist wirklich gut! Die Band spielt
allerreinsten 4/4-Gitarrenpunk mit politischen und vor allem deutschen
Texten. Ihr neues Album ist bei einem kleinen Zürcher Label erschienen
und verdient es keineswegs, eine Mauerblume zu sein.
5 Jahre nach der letzten CD "Tiefe Schluchten" haben die Jungs wieder
"Aerzt"lichen Sound im Rucksack, die Jungs sind unterdessen tief in ihren
Zwanzigern und noch lange nicht erwachsen. Dreivier. Immer wieder gibt
es aber Einsprengsel von punkfremden Elementen, da sei das Klavier
genannt, aber auch der Sample der Bundesräte in "Labyrinth". Zum
heulen, sage ich euch.
Alle Songs handeln irgendwie von Freiheit und Widerstand. "Geniesse
jeden Tag" und "Peace" tragen das schon im Namen. Besonders witzig ist
das kurze "Marihuana", eine amüsante Legalisierungshymne. So sehr sie
vom Stil her an die Aerzte
erinnern, Notausgang sind politischer, ihre
Texte sind stärker und weniger Fun-Punk-orientiert, obschon der
Funfaktor sehr hoch ist. Als Beispiel sei "Raubzug" genannt, zutiefst
antikapitalistisch und vom Text her fast an die Propagandapamphlete
der autonomen Szene erinnernd.
Gerade hier steckt auch der Haken. In den revolutionären Achtzigern
kämpften wir Jungen noch um unsere Rechte und eine bessere Welt. Damals
war Punk eine musikalische Art von Rebellion, von Kampf. Damals waren
Texte wie "es geht uns gut, was ihr denkt, das ist uns scheissegal, wir
tun was wir wollen und nicht das was wir sollen" (aus "Narrenfreiheit")
ein politischer Aufschrei. Heute aber reiht sich das an das konterrevolutionäre
und reaktionäre Gedankengut der hedonistischen Generation XYZ-Jugend ein.
Heute heisst es ja: egal, wie andere leben, Hauptsache: mir geht es gut. Diese
moderne Rücksichtslosigkeit ist scheisse, und indirekt unterstützen auch
Notausgang dieses widernatürliche, antisolidarische Verhalten. Leider.
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