zur Frontseite
13.11.1997

Geschichte

Der Sonderbundskrieg 1847

Kulturgüterschutz

ExilschweizerInnen

Fresken an der Brunnengasse

Kantonale Denkmalpflege

Stefan Zweig

Notgrabungen in Nänikon-Uster

Römische Töpferwaren

Der vergessene Krieg

Wisst ihr das überhaupt? Dass vor nur hundertfünfzig Jahren in diesem ach so friedlichen und wohlhabenden und schon immer mehrbesseren Land ein Bürgerkrieg wütete? Am 4. November 1847 sah sich die Tagsatzung (das damalige "Bundesparlament") gezwungen, auf die Gründung des "Sonderbundes" aus konservativen Kantonen militärisch zu reagieren. Der Ursprung war darin zu finden, dass sich die innerschweizer Orte zusammen mit Freiburg und Wallis zu einer Trotzallianz gefunden hatten. Ziel war es, die (mehrheitlich reformierten) liberalen Kantone in die Schranken zu weisen und die "alte Ordnung" wiederherzustellen.

Man muss den Kern der Geschichte vor und in der Französischen Revolution 1798 suchen. Die "Schweiz" war damals ein loser Staatenbund ähnlich der heutigen EU, ein Zusammenschluss souveräner Orte und ihrer Untertanengebiete. Der Einmarsch französischer Revolutionsgarden und ihrer Ideen brachte die Schweiz aus dem Gefüge, es entstand kurzfristig die Helvetische Republik. Der politische Rückschlag mit dem Sieg der konservativen europäischen Staaten über Napoleon stärkte die Herrschaften zwar wieder. Die Schweiz war aber zur 22örtigen Eidgenossenschaft geworden.

Und eben diesen "Eid" wollte der Sonderbund brechen. Verhandlungen im Berner Bundeshaus brachten nichts. Es musste gehandelt werden, um die bundesbrüchigen Kantone zur Räson zu bringen. Diese rüsteten sich und wagten als erstes einen Ausfall ins Tessin. Dieser blieb stecken. Durch die geographische Lage eh eingeschlossen, griffen Sonderbundstruppen dann von Luzern aus das aargauische Freiamt an. Sie wollten eine Bresche zwischen die eidgenössischen Orte Zürich und Bern schlagen und durch die ihnen zugewandten Freien Aemter und die Grafschaft Baden ins ebenfalls katholisch-konservative Südbaden (Deutschland) marschieren.

Der Plan ging wegen militärischen Fehlern und Zufällen in die Hose. Bei zwei Gefechten wurden die Innerschweizer gestoppt und verloren damit den Krieg. Eidgenössische Truppen drängten die isolierten Kantone Freiburg und Wallis (durch Wahlen übrigens) zur Kapitulation. Zug, ohnehin mehr aus Prinzip mit dabei, strich auch bald die Fahnen. Das Hauptquartier des Sonderbundes, Luzern, lag zu nahe an der Grenze und wurde damit verwundbar. Damit war nach knapp einem Monat der Spuk vorbei.

"...a very civil war...." soll ein Amerikaner im Nachhinein über den Sonderbundskrieg gesagt haben. Im Gegensatz zu den Amis gab es in der Schweiz nur einige Dutzend Tote. Das also war nicht das Entscheidende. Viel wichtiger war die Katalysatorwirkung des Krieges für die Gründung der modernen Schweiz, d.h. für die Bundesverfassung. Zwar war der militärische Sieg der Modernisten klar, aber General Henri Dufour nutzte diesen nicht aus, sondern behandelte den Gegner als Partner. So konnten die ehemaligen Sonderbundskantone nur zehn Monate später die Bundesverfassung akzeptieren. Wenn auch zähneknirschend.

Der Militärhistoriker Dieter Wicki, Mitautor der Studie "Sonderbundskrieg 1847", unterstreicht auch, dass das "Vergessen" des Krieges auch das "Vergessen" von möglichen Gräben bedeutet. Gräben, die heute in einer Zeit der Polarisierung wieder ansatzweise existieren. Die Probleme sollen gemeinsam gelöst werden, nicht über die "Arena". Nicht vergessen soll werden, dass die Schweiz vor 150 Jahren einen Bruderkrieg geführt hat, dass sie keineswegs 700 Jahre lang das gottgegebene Paradies auf Erden war, wie gewisse Politiker das heute glauben machen wollen.

Der Sonderbundskrieg ist ein Stück Schweizergeschichte, über das wir uns schämen müssen. Aber er ist auch der Auslöser einer Zeit, als die Schweiz ein revoluionärer Staat war und aus einer Vernunftsehe souveräner Kleinstaaten entstand. Das kennen wir doch irgendwie.....



Für Biwidus: Wildcat (EMail) (ist ein "abgebrochener Historiker")