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16.10.1997

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Chili-eine Zeitung für Chics?

Da soll mal einer sagen, junge Mädchen interessieren sich nur für Jungs und für sich selbst! Völlig begeistert halte ich jetzt eine Ausgabe des "Chili" in der Hand. Na ja, begeistert nicht deshalb, weil das Blatt besonders gut ist, sondern weil es überhaupt existiert. Erstmals lese ich ein (wenn auch staatlich unterstütztes) Presseerzeugnis, wo ich sicher sein kann, dass es der tatsächlichen Meinung einiger Girls wieder gibt. "Chili ist die erste Zeitschrift von Mädchen für Mädchen." Zumindest einer Untergruppe davon.

Klar, die Mehrheit der (O-Ton Chili: "Wir sind 10 witzige, lässige, aufgestellte, ausgeflippte, freche, ungewöhliche, besondere, megamässig aktive Mädchen im Alter von 14-16 Jahren - in den besten Jahren") Girls sind wohl eher "Chics", die sich tatsächlich Schundliteratur wie "Bravo", "Mädchen" und anderem hergeben. Und sich auch noch nach deren Vorgaben (zum Beispiel 90-60-90 und bauchfrei) richten. Diese ach so ichbezogene, konsumsüchtige und unsolidarische Mehrheit wird das Chili wohl auch kaum lesen wollen. Von Männern und anderen Outsidern ganz zu schweigen.

Trotzdem hat Chili seine Berechtigung und Authentizität. Die Aufmachung entspricht der einer Schülerzeitung (auch das Papier), der Druck ist gar nicht DTP-mässig, sondern wirkt auch hier eher zufällig und handgeschrieben. Das schmälert aber keineswegs den Inhalt. Ich meine, ich kann zwar mit Themen wie "Bei der Frauenärztin" und dem Bulimie-Fotoroman nichts anfangen. Aber ich kann mir vorstellen, dass es sehr viele Girls gibt, die schon eine echte Auseinandersetzung damit brauchen. Sehr viele ihrer Fragen werden heute wohl noch immer oberflächlich und von Erwachsenen behandelt.

Zwar kann ich über die pubertären Witze auf Seite 9 nicht lachen, aber besser als der Müll, der über die Lokalsender sülzt, ist es allemal. Und vom Sexworträtsel kann selbst ich etwas lernen (die Sicht einer 15jährigen zum Thema S...(Cyberpatrol wegen abgekürzt). Vom Lovertest ganz zu schweigen, den muss ich mal meiner Freundin unter die Nase halten. Etwas gar blöd ist allerdings die Poesieseite geraten.

So. Und jetzt etwas Kritik. Die zehn Girls aus der Umgebung der Jugi Dietlikon haben eine etwas gar enge (auf sich selbst beschränkte) Sicht der Dinge. Gründe für Esstörungen werden beispielsweise auf rein ästhetische Gründe (Schönheitsideal) zurückgeführt. Dass es immernoch eine freie Entscheidung einer weitgehend erwachsenen Person ist, und dass es auch hier primär darum geht, anderen sexuell überlegen zu sein, das wird genauso verschwiegen, wie der latente Zusammenhang mit der Konsumsucht an sich.

Womit wir beim Hauptunterschied zu einem "echten" Presseerzeugnis (Biwidus zählt sich ja auch nicht dazu) sind. Es handelt sich hier um ein "Betroffenenmedium", das einen bestimmten Kreis von anderen abheben und für sich allein ansehen will. So sehr diese Beschränkung vielleicht auch sinnvoll sein mag, die gesamtgesellschaftlichen Probleme lassen sich nur gemeinsam angehen. Es braucht also mehr Auseinandersetzung mit anderen Klassen und Kreisen (sprich z.B. den Jungs). Zwar heisst es richtig im Pressetext, dass Mädchentreffs und andere Institutionen wie eben das Chili, wichtig seien, weil sich Girls in der normalen Jugendarbeit oft übergangen fühlen, aber das allein ist nicht die volle Wahrheit.

Dass z.B. Jungs auch Schwierigkeiten während ihrer Pubertät haben, Schwierigkeiten notabene die vor allem mit sexuellen Problemen mit Mädchen zusammenhängen, das wird gänzlich ausgeschaltet. Schlecht recherchiert würde man da bei anderen Medien sagen. Dass sehr viele Jungs dadurch psychische Schwierigkeiten bekommen, die durchaus gesundheitsstörend sind, das interessiert offenbar niemanden. Die zum Teil bodenlose Ueberheblichkeit, die Freude am Verletzen anderer, die halt Mädchen in der Pubertät haben, das wären auch mal Themen fürs Chili. Schliesslich hängen wir wortwörtlich (... :-L) zusammen.

Das scharfe Chili ist zu beziehen bei der "Herausgeberin", der Fachstelle für Gleichberechtigungsfragen des Kanton Zürich, an der Kasernenstrasse 49, 01 259 25 72. Die Mailadresse lautet: ffg.ddi.@ktzh.ch.

Zum Thema Tussis, Girls und ihre Zeitschriften gibts im Biwidus schon folgende Artikel:
Miss Tussy-Wahl
Dr. Winter Team (1): Flirttips (only for Women)
Dr. Winter Team (2)
Dr. Winter Team (3)
Dr. Winter Team (4)
Dr. Winter Team (5)
"Tussis"-ein Erklärungsversuch



Für Biwidus: Wildcat (EMail) (war früher auch nicht gerade der Mädchenschwarm)