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24.11.1996

Scherziges

Kampf den Buzzwords

Titanic: Die Wahrheit

Tips für erfolgreichen Postraub

Mehlsack Skandal

Gaudimaxs Aushebung

Deckoffizier

Kafferahmdeckeli

Weihnachtsmann

Gaudimax beim _Kreiskommando

Dienstweg oder Dienst weg?

Gebrauchsanweisung

Bayer an Nasa

Women!

Vorsätze 96

Töggelermenschen

Scherzinterview mit 007

Leserbrief zum abheben

Windows als Werbung

Neue Noten

Modedroge KRD

Ein Blick in die Szene

"Was um Himmels Willen sind denn KRD?" fragt mich ein Freund aus Deutschland beim Durchsehen der Kleininserate. Nun mein Lieber, dieses Phänomen existiert nur hierzulande, und auch nur Eingeweihte wissen, was sich hinter diesem Kürzel verbirgt. Exklusiv für Biwidus wird hier das Geheimnis gelüftet. Ein Blick in die Seele der KRD-Süchtigen. Alles begann im letzten Herbst mit einem herzzerreissenden Aufschrei meines Portemonnaies: "Hunger! Hunger!" Was tun? Ich sehe im Kasten nach, was man verkaufen könnte, und stosse auf meine alte KRD-Sammlung, die etwa seit sieben Jahren immer mehr verstaubt. Höchste Zeit, sie abzustossen. Auf den Tip einer Kollegin hin suche ich einen Sammlerladen in Zürich heim. Unglaublich, aber wahr: ein ganzer Laden voller Kaffeerahmdeckeli. Kaufen wollen sie aber meine Sammlung nicht, das Geschäft verkauft nur. "Versuchen Sie Ihr Glück doch mal an einer Sammlerbörse", rät mir ein Kunde des Ladens. "Uebrigens: welche Serien haben sie denn?" will er wissen. "Nun, äh, na zum Beispiel solche mit Tierchen und Sprüchen drauf..." Gnädigerweise leiht er mir den Käppeli-Katalog, eine Art KRD-Bibel, wo ich erfahre, wie meine Serien wirklich heissen und wieviel meine Sammlung überhaupt wert ist. Der Mann muss mich Banausen aber auch noch aufklären, was Ausdrücke wie "Regel", "Restaurant", "Stange", spitze, stumpfe oder runde Lasche bedeuten. Eine halbe Wissenschaft... Bis ich meine Sammlung aufbereitet habe, braucht's noch einige Stunden Heimarbeit. Doch dann bin ich startklar, und ich gehe erwartungsfroh an eine solche Sammlerbörse. Beim Eintreten ins Lokal, den innersten Zirkel der Szene, sitzen einige SammlerInnen im Säli, vor ihnen auf dem Tisch liegen ihre Deckeli-Präsentierordner (im Fachhandel erhältlich). Es ist zwei Uhr. Ich setze mich an einen freien Tisch und packe meine KRD aus. Schon bald komme ich mit anderen ins Gespräch, sie interessieren sich tatsächlich für meine Sammlung. Als sich das Säli langsam füllt, stehen die Leute schon fast Schlange für meine Deckeli, gierig reissen sie sie einander beinahe aus den Händen, und ich lache mir ins Fäustchen: das Geschäft läuft. Zuweilen wird's schwierig, den Ueberblick zu behalten, wer nun was in Beschlag genommen hat. Wieder hat ein älterer Herr mir gegenüber Platz genommen, und betrachtet nach einem kurzen Wortwechsel mit leuchtenden Augen und ehrfürchtiger Miene meine Deckeli. Das Selbstklebe-Fotoalbum, in das ich meine KRD einst versorgt hatte, verrät mich als Dilettanten, und auch die Tatsache, dass sich einige beschädigte Deckeli darunter befinde einfach in den Alu-Sammelstellen ausgegraben). Mit der Pinzette fischt mein Gegenüber diejenigen Exemplare heraus, die ihm laut seiner Liste noch fehlen. Je nach Wert bringt das 50 Rappen bis 16 Franken pro Stück ein. Nach einer gewissen Zeit flaut der Andrang ab, und ich komme mit einigen Leuten über ihr Hobby ins Gespräch. Die meisten sind Rentner oder Menschen aus unteren Gesellschaftsschichten. Mehrheitlich sammeln sie erst seit einigen Jahren. "Ich habe erst vor acht Monaten angefangen, aber ich besitze schon fast alle 400-er-Serien", erzählt mir eine Frau stolz, "und dabei habe ich nie welche gekauft." Nun denn, mir kann's egal sein, solange die anderen kaufen... Ein jüngerer Herr sagt mir, er bekäme bald die Blick-Serie von seiner Tante geschenkt. Katalogwert der fünf Deckeli: 6000 Franken... "Hedi, warst Du am Freitag in Wohlen?" ruft eine Frau durchs Säli. "Nein, ich gehe normalerweise nach Balsthal." Deckelibörsen-Pilger. Um sechs Uhr verlasse ich das Wirtshaus. Meine Kleider stinken zwar nach Rauch, aber ich bin hochzufrieden mit dem Resultat. Die 700 Kaffeerahmdeckeli haben mir 400 Franken eingebracht. Noch tagelang lache ich innerlich: wie kann man nur so viel Geld für Aluminiumverpackung ausgeben. Doch dann beschleicht mich ein ungutes Gefühl: hätte ich nicht noch mehr rausschlagen können???


Für Biwidus aus der Sammlerbörse: Gaudimax (EMail)