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28.11.1996

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Studis und Kantis, vereinigt euch: Luxparade

Einmal mehr wieder zu einem ernsthaften Thema: Bildungsabbau. Im Zuge der anarcholiberalistischen Veränderung in der Wirtschaft wirkt sich deren Philosophie auch auf das politische und soziale Leben entscheidend aus. Theoretische Modelle mit klingenden Abkürzungen wie Wif! und Wov! übertragen die Effizienz- und Profitmaximierungsforderungen der postkapitalistischen Wirtschaftsordnung in unseren heutigen Alltag. In einigen Bereichen, wie bei verschiedensten Entlassungen und der Spitalliste regt sich kaum Widerstand in den Reihen der Betroffenen. Durchaus aber im Bildungswesen, denn Studierende und MittelschülerInnen haben sich zum ersten Mal seit Jahrzehnten zu einer gemeinsamen Aktion durchgerungen, der "Luxparade" in der Innenstadt von Zürich. Ueber die Hälfte der Biwidus-Redaktion lief mit.

Es wurde zurückgeschossen, von einigen Schulen kamen über 50% des Bestandes, auch die Studis waren zur Abwechslung wieder einmal zahlreich vertreten. Aber den Hauptharst der etwa 8000 Demonstrierenden an diesem schönen Abendverkaufs-Donnerstagabend bildeten (zum teil sehr junge) MittelschülerInnen. Das Wetter war zwar denkbar schlecht gewesen, aber pünktlich zur Demo wurde es trocken und nicht mal so kalt, so dass die hunderten von Fackeln, Gaslaternen, Kerzen und Pfunzeln nur als Erleuchtungs-Körper (eben: "Luxparade") genutzt werden konnten.

Der Zug setzte sich von der Uni her in Gang und paradierte durch die Altstadt zum Münsterhof. Dort wurden die obligaten Reden gehalten ("Wir sind die Zukunft" und "Die Luxparade ist auch eine schonungslose Auseinanderyetzung mit uns selbst"), Sprecher des Organisationskomitees und sogar eine alte Prof drückten ihren Widerstand gegen das Vorgehen der ED (Erziehungsdirektion) unter Verwaltungswissenschafts-Prof Buschor aus. Sie waren offenbar keineswegs seiner Meinung ("Nehmt uns Ernst, gebt uns Bildung!"), den einzigen Rohstoff unseres Landes, die Bildung, zu beschneiden, resp. nur noch der Oberschicht vorzuenthalten. Untersuchungen hatten ja kürzlich gezeigt, dass trotz aller Anstregung die Unterschichten in den Hochschulen noch immer untervertreten sind.

Die Hauptkritikpunkte der Demonstrierenden waren einerseits die Daumenschrauben im Mittelschulbereich (grössere Klassen, angekündigtes Schulgeld und Abbau der bei SchülerInnen oft begehrten fakultativen und musischen Fächer) und andererseits die seit einigen Jahren laufenden Abbaubestrebungen an der Uni. Hier werden sogenannte "Exotenfächer" mit wenigen Studis gar nicht mehr gelehrt, andere Fächer müssen in der Anzahl Lehrstühle zurückbuchstabieren, was schliesslich auch mehr Studis pro Prof bedeutet. Diese können sich gar nicht mehr genügend um ihre Lehrbefohlenen kümmern. Des weiteren wird im Rahmen der in den Grundsätzen diskutierbaren Idee der teilautonomen Uni (mit dem klingenden Namen "Effort") versucht, die Semesterpauschale andauernd zu heben. Und als Haupt-Kritikpunkt auf längere Frist wird wohl die Strafgebühr für Langzeitstudis zu verstehen sein.

Man muss einen sozialkritischen Ansatz wählen, um die Auswirkungen dieser Vorgänge und Ideen der ED (unter dem "vorbildichen" Verwaltungs- und Oekonomietheoretiker) Buschor zu verstehen. Das muss notabene nicht alle Studis betreffen, doch aber eine stattliche Anzahl, eine Mehrheit wohl, über deren Kopf nun entschieden wird. Die Strafgebühr für Studis über dem 16. Semester trifft nämlich in erster Linie jene, die ein Werkstudium machen, d.h. ihr Studium selber finanzieren möchten. In vielen Fällen sind das Studis, die nicht Söhne/Töchter von Beruf sind, resp. kaum grössere Reserven aus dem Elternhaus anzapfen können (weil arm, resp. immer ärmer) oder wollen. Auch sind immer höhere Semestergebühren erst recht problematisch in einem schwieriger gewordenen wirtschaftlichen Umfeld. Arbeit und Lohn gibts weniger, aber die Ausgaben bleiben mindestens gleich hoch.

Bei MittelschülerInnen gilt im Prinzip dasselbe. In den Sechzigerjahren wurde in den Mittelschulen das Schulgeld gestrichen, damit auch Kindern von lohnabhängigen, weniger gebildeten oder ausländischen Eltern der Mittelschul- und Unibesuch offen ist. Diese Idee einer Demokratisierung der Gesellschaft wurde heute auf den Schrotthaufen der Geschichte verfrachtet. Neben den bisher üblichen Ausgaben für Schulmaterial müssen diese Familien jetzt auch noch ein Schulgeld bezahlen für tendenziell schlechtere Leistungen (sprich grössere Klassen). Daneben wird trotzdem bei "ausserschulischen" Aktivitäten wie Exkursionen und Arbeitswochen gespart, der einzigen Möglichkeit, das wahre Leben kennen zu lernen.

Mensch mag politisch damit einverstanden sein, die "Reformen" haben interessante Punkte. Mensch sollte aber nie aus den Augen verlieren, dass diese Politik darauf hinzielt (ob absichtlich oder nicht), dass im Bildungsbereich eine Zweiklassengesellschaft arm/reich (wieder) eingeführt wird. Die Studis und SchülerInnen, die an der Luxparade mitgemacht haben, werden diese Vorgänge am eigenen Leib miterleben und haben das rationale Recht, sich dagegen zu wehren. Buschors Bildungspolitik ist auf dem Papier vielleicht ökonomisch sinnvoll und rechtens, aber in der Realität ein Papiertiger, weil sie einen deutlichen Rückschritt bedeutet. Reformen sind im Bildungsbereich bitter nötig, wenn mensch bedenkt, dass sich 100 angehende HistorikerInnen einen Prof "teilen" und sich zu hunderten in einen Lesesaal/ein Seminar zwängen. Aber so?



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus Zürich