Mann und Frau seien gleichgestellt
Während der Krieg um die neue Rechtschreibereform tobt und die deutsche
Intelligenzia zum Widerstand gegen Stängel, Spagetti und Restorant
aufruft, geht ein anderer linguistischer K(r)ampf im Schatten des rot
eingefärbten Dudens langsam aber stetig voran. Schon seit etlichen Jahren
fordert frau die sprachliche Gleichstellung von Frauen und Männern und übt
Kritik an der maskulinistischen Struktur des deutschen Sprachsystems.
Wie bei der Rechtschreibereform bläst auch den Reformerinnen ein harter
Wind ins Gesicht. Die Sprachpuristen mögen das Problem nicht recht
erkennen, bzw. führen ins Feld, dass die sprachliche Gleichstellung zu
kompliziert und unverständlich sei und zudem ein historisch gewachsenes
System zerstöre. So hat sich schon so man(n)cher schwer getan mit
AutorInnen oder Autor/innen oder Autorinnen und Autoren oder Autoren und
Autorinnen oder Schreibenden oder ...
Trotz Verankerung der Gleichstellung von Mann und Frau (Frau und Mann) in
der Bundesverfassung aus dem Jahre 1981 sind auch heute noch Unterschiede,
sprich eine Benachteiligung der Frauen, an der Tagesordnung; nicht nur im
Sprachgebrauch.
Nochmal gut ein Jahrzehnt dauerte es, bis erste Richtlinien zur
sprachlichen Gleichstellung in den kantonalen Verwaltungen formuliert und
pro forma in Kraft gesetzt wurden. Erst seit kurzem (Zürich seit 1994 und
Winterthur 1996) existieren aber auch verbindliche Leitfäden, die
praktikable Lösungen und Möglichkeiten zum geschlechtergerechten
Sprachgebrauch anbieten.
Ein Blick in die druckfrische Broschüre der Stadt Winterthur bringt von
vorneherein klar zum Ausdruck: Patentrezepte gibt es nicht. Um flüssige,
abwechslungsreiche und dennoch geschlechtergerechte Texte zu verfassen,
sind kreative Lösungen gefragt.
Frau Dreyfuss ist der hundertste BundesratNeben den bekannten
Möglichkeiten mit Schrägstrich (wird von Duden nicht anerkannt),
Gross-I-Schreibung oder Paarformen bietet die Broschüre weitere, vor allem
auf die Amtssprache bezogene Tips.
Eine gute Möglichkeit bieten die "nd-"Formen. Aus Studenten,
Gesuchstellern, Knaben und Mädchen werden so Studierende, Gesuchstellende
oder Jugendliche. Aber auch geschlechtsneutrale Wörter (Lehrkräfte,
Kunstschaffende, Personal, Delegation, Bevölkerung, etc.) oder neutrale
Formulierungen (z.B. Pasivformen) helfen im Verfassen ausgewogener Texte.
Mindestens was die Amtssprache betrifft, sollte sich also in Zukunft ein
geschlechtergerechter Gebrauch durchsetzen. Frau Dreyfuss wäre somit das
hunderste Mitglied des Bundesrates.
Leitfaden zur sprachlichen Gleichstellung von Frau und Mann
Zu beziehen bei der Stadtkanzlei Winterthur. Tel: 052/ 267 51 23
Tino Zimmermann
|