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Zürich
28.10.1996

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Kaum herrschte in den letzten Jahren so viel Einigkeit in einem politischen Thema wie in der Vorbearbeitung des neuen, liberalen Gastgewerbegesetzes im Kanton Zürich. Sogar die traditionelle Vertretung der Lohnabhängigen, die linksbürgerliche SP ist dafür, dies, obschon die Vorlage klar den Richtlinien des ansonsten höchst fragwürdigen Deregulierungswahns entspricht. Es geht darum, die Bedürfnisklausel, resp. das Wirtepatent für Alkoholika zu streichen und die Oeffnungszeiten faktisch mehr oder wenger freizugeben. Konsequent nehmen neben bürgerlichen auch die SP und die Grünen Einsitz im Pro-Komitee, ihnen zur Seite sitzen "Salz&Pfeffer"-Chefredaktor Daniel Eggli und der Leiter des "Back und Brau".

Die ganze Sache wirkt irgendwie seltsam. Denn, obschon die Frage an sich ziemlich unbestritten erscheint und ganz klar im Schatten der beiden eidgenössischen Vorlagen Arbeitsgesetz und SVP-Asylanten-Raus!-Initiative steht, haben die Befürworter eine grosse Medienkampgane geplant, um, wie sie in einer Erklärung schreiben, der von den Gegnern zu erwartende Schlammschlacht zuvor zu kommen. A propos Gegner: die wohl wahrscheinlichsten Gegner, nämlich die in ihren christlichen Wurzeln wühlende Allenrechtmach-Partei CVP, hat gerade ihre Unterstützung bekannt gegeben. Bleiben nur noch der Wirteverband, der wie eine Glucke an ihrem Fähigkeitsausweis festhält und die mit ihr liierte SVP - die entsprechend auch nicht im komitee vetreten ist. Die Vorlage ist also trotz Vorbehalten in weiten Kreisen der Bevölkerung unbestritten.

Um was geht es eigentlich? Die Kantone St. Gallen und Basel haben in den letzten Monaten ihr Gastgewerbegesetz erfolgreich liberalisiert. JedeR kann nun im Prinzip eine Beiz aufmachen und führen, nur noch die Mechanismen der freien Marktwirtschaft und evt. allgemeine Auflagen spielen hinein. Die noch aus dem abstinenten 19. Jahrhundert stammende Bedürfnisklausel (die eine Beiz pro Bevölkerungseinheit will/wollte) wird gestrichen, überall können nun theoretisch Beizen aufgehen. Und wie gesagt kann jedeR wirten, der/die das praktisch kann. Das Fähigkeitszeignis, das bisher immer verlangt wurde und eigentlich auf die gastronomische Kreativität nicht Rücksicht nimmt, gibt es dann nicht mehr. Kurt Walker, Inhaber des erfolgreichen "Back und Brau" stellte lakonisch fest, dass er selbst auch keinen solchen Ausweis habe. Das neue Gesetz führt also zu einer Vielfalt an Gastronomie.

In erster Linie jedoch entfallen demzufolge einerseits auch Beschränkungen für Leute, die Parties und Feste organisieren (Stichwort "illegale Parties"). Andererseits aber, und das ist gerade für uns Junge interessant, wird den Beizen nicht mehr (kantonal) vorgeschrieben, bis wann sie offen haben dürfen. Sicher, es gibt noch die Polizeistunde und die Vorgabe, dass zwischen Mitternach und fünf Uhr morgens die Beizen in der Regel geschlossen sind, aber im Prinzip kann jede Gemeinde jetzt Ausnahmeregelungen bis um vier erlauben, und diese sind natürlich daran interessiert, Freiraum bei diesen Bewilligungen zu haben. Wir können somit öfter saufen bis tief in den morgen, ohne uns im voraus erkundigen zu müssen, wo alles offen ist. Insofern bietet sich für uns Junge die Möglichkeit, zum Beispiel in der Wärme (fast) das ersten öV-Mittel des Tages abzuwarten.

Nicht jede Liberalisierung bietet diese Facette an Vorteilen an. Das neue Arbeitsgesetz zum Beispiel bringt sowohl uns, als auch den Angestellten nur Nachteile wie Sonntagsarbeit und einfachere Nachtarbeitsregelungen für die Patrons. Auch mit dem neuen Gastgewerbegesetz müssen die Lohnabhängigen zwar (neues Arbeitsgesetz hin oder her) bis tief in den morgen arbeiten, aber der Wildwuchs kann und wird aufgrund des Marktes klein sein, und der Nachtzuschlag gilt ja weiterhin. So können - vom "wirtschaftlichen" Nutzen eines regeren Nachtlebens ganz zu schweigen - Nachtschwärmer wie wir bieren und durchfesten, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. In diesem Sinne: "Prost!" und ein Ja zum neuen Gastgewerbegesetz im Kanton Zürich!



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus dem Back und Brau Zürich