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Zürich
25.10.1996

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Mensch kann dafür oder dagegen sein, dass die Ordnungsbussen gestiegen sind. Auf jeden Fall sind sie es, und dies nun vor einem Monat. Obschon nicht üblich, hat die Bullerei - äh, die Polizei wollte ich klecksen - schon einen Monat danach versucht (erfolgarm, wie sichs herausstellte), mal eine Zwischenbilanz zu ziehen. Im Mittelpunkt stand natürlich die Frage, ob die neuen Bussen(preise) tatsächlich eine disziplinierende Wirkung haben oder ob sie einfach nur ein kleiner Beitrag zur Deckung des Staatsdefizites (wessen auch immer) geblieben sind. Vor der offiziellen Bussen-Zwischenbilanz jedoch eine inoffzielle, eine Art...

Kommentar

... des Autors, der selbst als Journalist direkt mit dem Thema konfrontiert ist (na ja, in meinem Beruf hat mensch es immer eilig - und dies widerspricht des öfteren den allmächtigen und unverrückbaren Verkehrsregeln). Schon eine Parkbusse und eine kleine Geschwindigkeitsübertretung (4 km/h) nenne ich mein eigen. Nichts besonderes, nur achtzig Franken, die in die aargauische Staatskasse fliessen. Seis drum. Nicht die höheren Bussen regen mich auf, sondern die Tatsache, dass sie erfahrungsgemäss nicht viel bringen. Die einen, die das Geld haben, kümmern sich einen Scheissdreck darum, blochen wie die Besessenen, parkieren wie die Analphabeten und gebärden sich im Verkehr überhaupt völlig geisteskrank. Dies ist auch nach der Einführung der neuen Bussen zu beobachten, so schnell lassen sich Tiere also nicht dressieren. Aber es gibt neuerdings auch die Idioten, die plötzlich 40 statt 50 innerorts fahren und andauernd den Verkehr behindern, dies wird nämlich nicht geahndet mit den neuen Bussen! Und andere, die mit 60 ausserorts vor sich hinkriechen. Von den Lastwagen gar nicht erst zu reden, die entweder a) den Verkehr behindern, indem sie sich zum Beispiel gegenseitig überholen oder b) die seltsame Idee haben, dass die Strasse ein Freiraum sei, wo sie tun und lassen können, was sie wollen. Die Erfahrung zeigt also: ausser der Polizei, die zum Teil an neuralgischen Stellen zum Einkassieren bereit gestanden ist, um ihren Profit zu maximieren (Stichwort Wif!), haben die neuen Bussen nichts gebracht ausser mehr Porbleme.

Die Polizei sieht das aber anders. Sie hat gerade einige Broschüren veröffentlicht (zwecks Verteilung an SünderInnen), die die Fahrenden zur Ruhe mahnen und sie darauf aufmerksam machen, dass die Chose doch noch recht was kostet (z.B. ist eine detaillierte Preisliste beigelegt). Jetzt können die Staatsschützer ja Einzelbussen bis zu 300 Franken erheben, dafür haben wir 30 (früher nur 10!) Tage Zeit, um diese zu begleichen. Die Erhöhung kommt übrigens nicht von ungefähr, denn die Uebertretungen hatten in den letzten Jahren massiv zugenommen. Während 1995 im Durchschnitt 7000 Bussen im Wert von 590'000 Franken im Monat verteilt worden waren, kamen in den letzten Monaten vor der Erhöhung monatlich 8500 Bussen zu 740'000 Franken zusammen.

Leider waren die Ordnungshüter nicht fähig, die Zahlen für den Monat September (nach der Preisänderung) genau zu erheben. Den Grund gab die Polizei mit "EDV-Umstellung" an. Auf alle Fälle gab es einen starken Rückgang der Bussen, die Leute fuhren also etwas vorsichtiger. Na ja.... Das war wohl nur der erste Schreck. Nämlich stellt die Polizei bei den Bussen auch wieder einen Aufwärtstrend in den letzten Wochen fest, wie Kurt Zinniker, Chef der Verkehrsabteilung Zürich gegenüber dem Tagi bestätigte. Deshalb hält man bei der Polizei weiterhin den Warnfinger hoch und warnt vor Euphorie. Wenigstens seien die befürchteten zwischenmenschlichen Wutausbrüche nicht eingetreten, hielt man bei der Polizei erleichtert fest. Summasummarum: nach einem Monat hat sich der Mensch als Gewohnheitstier an die neuen Bussen gewöhnt und straft sie (zurecht?) mit Missachtung.

Diese Trends (anfänglicher Rückgang, dann wieder Anstieg der Bussen, dafür aber weniger Agression) nimmt im übrigen auch die Stadtpolizei wahr. Die Zahl der Bussen wegen Geschwindigkeitsüberschreitung zum Beispiel sank um fast einen Drittel. Aber die obigen Bussen-Zahlen rühren nicht nur von der gestiegenen Fahrunfähigkeit der Menschen her, sondern auch, dass die Polizei ihren Ueberwachungsapparat auch in Sachen Verkehrskontrollen ausgebaut hat. Täglich werden drei hochsensible Radar-Messgeräte an fünf verschiedenen Orten des Kantons eingesetzt. Etwa 80% der Messungen finden innerorts statt, je 10% ausserorts und auf Autobahnen. Es werden auch Laser- und Nachfahrmessungen verwendet.

Es wird also recht intensiv gemessen, auch die berüchtigten Politessen in Zivil und mit dem Bussenblock in der Handtasche patroullieren fleissig durch unsere Strassen, um den einen oder die andere VerkehrssünderIn zu ertappen. Gerade diese waren es auch, die im September folgendes rapportiert haben:"Es wird sehr vorsichtig gefahren", "Die Geschwindigkeitsbeschränkungen werden gut eingehalten" (welch Wunder, wenn einer innerorts 40 fährt...), "Die Verkehrsteilnehmer wissen über die neue Bussenliste Bescheid und halten sich an die Vorschriften." Im Oktober klang es nun etwas ernüchterter: "Es wird meist anständig und aufmerksam gefahren", "Im Baustellenbereich von Autobahnen sind vermehrt Messungen erforderlich" (kein Wunder, bei so vielen Baustellen) und sozusagen als eigentliche und ernüchternde Zwischenbilanz:"Einige Lenker scheinen die erhöhten Bussen bereits wieder vergessen zu haben". Ich auch.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus Zürich
Bilder: Spartip der KP Zürich